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„Energiechaos“ oder Vorbild? Wie die Welt die deutsche Energiewende sieht

Fast nur noch Erneuerbare und möglichst keine Fossilen mehr, Kernenergie gar nicht. Das ist das Ziel der Energiewende hierzulande. Kann sie ein Vorbild für andere Länder sein? Ein Überblick darüber, wie andere Länder den deutschen Sonderweg in der Energiepolitik betrachten.

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Deutschland setzt voll auf Windkraft und Photovoltaik. Doch wie blickt die Welt auf die deutsche Energiepolitik?

Foto: Canva, zhaojiankang-iStock/Montage: Ani Asvazadurian/Epoch Times

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Lesedauer: 12 Min.

Die Energiestrategie der alten und neuen deutschen Bundesregierung ist klar: alles auf erneuerbare Energiequellen, weg von den Fossilen – und der Kernkraft. Damit will sie eine klimaneutrale Zukunft mit möglichst geringen CO₂-Emissionen realisieren.
Zwar decken einige andere Länder ihren Strombedarf bereits ebenfalls mit einem teils sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien. Doch dabei handelt es sich meist um grundlastfähige Wasser- oder Geothermiekraftwerke. In Deutschland besitzen diese Stromquellen jedoch nur geringe Kapazitäten, die schon weitestgehend ausgereizt sind.
Daher setzt der Bund hier auf wetterabhängige Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Bereits seit rund einem viertel Jahrhundert fördert er den massiven Ausbau dieser beiden Energiequellen. Das Ergebnis bis heute: mehr als 30.600 Windräder und über 5 Millionen Solaranlagen zur Stromerzeugung. Gemeinsam weisen sie eine installierte Leistung von gut 178 Gigawatt (GW) vor.

Eine einsame Strategie

Eine solche Strategie, also der Fokus auf Wind- und Solarenergie bei gleichzeitigem Atom- und Kohle-Aus, fährt bisweilen kein anderes Industrieland. Zwar bemühen sich viele Staaten um den Ausbau ihrer Erneuerbaren, allerdings halten sie weiterhin an Kohle- oder Kernkraft – oder an beidem – fest.
Die Kernkraftwerke abschalten wollten neben Deutschland bis in jüngster Vergangenheit auch etwa Belgien, die Schweiz, Südkorea und Taiwan. Doch bis auf Taiwan – und Deutschland – haben sich jüngst alle diese Staaten wieder vom Atom-Aus abgewendet.
Und in Taiwan produzieren zu rund 80 Prozent Kohle-, Erdgas- und Erdölkraftwerke den Strom für die Insel. In Ländern ohne Kernkraft sichern meist Kohlekraftwerke einen Großteil der Stromversorgung.

Schwarzenegger: „Welchen Sinn macht das?“

In Deutschland stößt die Energiewende auf zahlreiche, teils hoch angesehene Befürworter. Allerdings hat in den vergangenen Jahren auch die Anzahl der Kritiker zugenommen. Doch wie betrachten andere Länder den deutschen Sonderweg?
Im vergangenen Jahr sorgte besonders die Aussage von Arnold Schwarzenegger auf dem „Austrian World Summit“ im Juni 2024 für Schlagzeilen. Mit Blick auf die deutsche Energiewende fragte sich der Hollywood-Star, der mit seiner Schwarzenegger Climate Initiative die jährliche Klimakonferenz begründet hat: „Welchen Sinn macht das?“ Er kritisierte den stockenden Ausbau der Windkraft, während die damalige Ampelregierung die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet hat.
„Wie wollen sie diese saubere Energie [der Kernkraftwerke] ersetzen? Sie wissen es wirklich nicht. Aber sie wissen eins: sie müssen weiterhin Kohle verbrennen“, sagte der gebürtige Österreicher. Zudem beklagte er, dass Deutschland 16 Milliarden Euro in den Bau neuer Gaskraftwerke investieren wolle. „Sie haben ‚Nein‘ zu sauberer Energie […] und ‚Ja‘ zu fossilen Brennstoffen gesagt.“
Der ehemalige Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien sah einen Widerspruch bei der deutschen Energiepolitik: „Wie kann man der Bevölkerung von einem Klimanotstand erzählen, der verlangt, so schnell wie möglich auf fossile Brennstoffe zu verzichten, während man gleichzeitig Entscheidungen trifft […], die die Umwelt noch mehr verschmutzen?“
Tatsächlich konnte Deutschland seine CO₂-Emissionen im vergangenen Jahr weiter senken. Laut dem Portal „Electricity-Maps“ lag der Wert bei 334 Gramm CO₂-Äquivalente pro erzeugter Kilowattstunde. Im Jahr 2017 waren es noch 514 Gramm. Mit Kernkraft hätte der letztjährige Wert jedoch noch geringer ausfallen können, da dieser Kraftwerksart lediglich rund 5 Gramm CO₂-Äquivalente pro erzeugter Kilowattstunde zugeschrieben wird. Der Emissionswert von Kohlekraft liegt hingegen meist bei mehr als 1.000 Gramm.

WSJ: Teure Energiewende, schwankender Ertrag

Kritische Worte kamen jüngst auch aus den USA. Das „Wall Street Journal“ (WSJ) sprach in einem Ende April veröffentlichten Leitartikel die Hunderte Milliarden Euro teuren Investitionen in die hiesige Energiewende an. Gleichzeitig seien die Anteile der Erneuerbaren am Energiemix zuletzt deutlich gesunken – trotz Ausbau.
„Seit April 2024 wurden in Deutschland 872 Windkraftanlagen mit einer [installierten] Leistung von 4,3 GW zugebaut. Dennoch sank die Windkraftleistung um 16 Prozent. Autsch“, heißt es darin. Das Wetter habe daran schuld gehabt. „Februar und März waren ungewöhnlich windstill, sowohl an Land als auch auf See. Der Mangel an Regen bedeutete, dass die Wasserkraft unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielte.“
Einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr gab es dafür bei der Solarstromproduktion. Das kam daher, dass der März sonniger war als üblich. Das WSJ fügte jedoch hinzu, dass der März in Deutschland eine relativ kurze Tageslichtdauer hat. Somit schaffte es die höhere Solarstromproduktion nicht, den Rückgang bei der Windenergieerzeugung auszugleichen.
Letztlich wünschte das US-Leitmedium Deutschland „viel Glück“ mit seiner Energiewende. WSJ schrieb, dass eine „übermäßige Abhängigkeit von unsteten erneuerbaren Energien“ Erdgaskraftwerke als Reserve unwirtschaftlich mache. Der Artikel schließt mit dem Satz: „Sein [Deutschlands] Energiechaos reicht aus, um allen anderen klarzumachen, dass es kein Vorbild sein kann.“

US-Energieminister: Energiepreise verdreifacht

Auch die US-Regierung hat sich von der deutschen Energiewende distanziert. Der neue Energieminister, Chris Wright, betonte mehrfach, dass die Vereinigten Staaten „nicht dem deutschen Konzept folgen werden“.
In seiner Begrüßungsrede an die Ministeriumsmitarbeiter im Februar verglich er das heutige Deutschland mit jenem vor 15 Jahren. Seitdem habe die Bundesrepublik laut Wright rund 500 Milliarden US-Dollar ausgegeben. „Das ist ein Zehntel unserer Wirtschaft. Das ist, als hätten wir 5 Billionen Dollar ausgegeben. Überlegen Sie mal, wie viel ärmer wir wären.“
Ebenso kritisierte Wright den großen Flächenbedarf der Photovoltaik und der Windkraft. In Deutschland gebe es „fast keinen Ort, an dem sie [Windkraftanlagen] nicht irgendwann zu sehen sind. […] Sie haben überall Sonnenkollektoren installiert. Nordeuropa, wo es im Winter bewölkt und kalt ist, ist mit Solaranlagen zugepflastert“, sagte er.
Anschließend teilte er mit, was die Resultate dieser 500-Milliarden-Dollar-Investition sind, die weiterhin jährliche Milliardenkosten verursacht. Die Energiepreise hätten sich seiner Aussage nach seit 2010 verdreifacht.

Mehr Kapazität, weniger Ertrag, weniger Industrie

In diesem Zeitraum hätte sich die installierte Stromerzeugungskapazität von etwas über 100 GW auf inzwischen 240 GW erhöht. „Aber wie viel Strom produzieren sie heute im Vergleich zu vor 15 Jahren? Erstaunlicherweise 20 Prozent weniger“, stellte Wright fest.
Das entspreche gleichzeitig dem Rückgang der deutschen Industrieproduktion – ebenfalls 20 Prozent. „Diese Industriemacht der Welt verliert ihre Industrie. Die petrochemische Industrie ist zuerst von Deutschland in die Vereinigten Staaten und dann nach Asien abgewandert“, so der Energieminister.
„In den vergangenen zwei Jahren gab es kein Wirtschaftswachstum.“ Wright erwähnte die Entwicklungen im Sektor der Künstlichen Intelligenz. „Wie viel von dieser Revolution findet in Deutschland statt? Fast gar nichts, trotz der intelligenten Köpfe, die dort arbeiten.“ Wright sieht bei Deutschlands Versuch, sich von Kohlenwasserstoffen abzuwenden, kaum Erfolg. Er sagte:
„Im Jahr 2010 bezog Deutschland 80 Prozent seiner Primärenergie aus Kohlenwasserstoffen. Heute, nach einer halben Billion Dollar, einer Verdreifachung der Energiepreise, einer Verarmung der Bevölkerung und einer schrumpfenden Industrie, sind sie von 80 auf 74 Prozent zurückgegangen.“
Wright schlussfolgerte: „Das zeigt, wie schwer es ist, ein Energiesystem zu ändern. […] Niemand wird diesem Modell folgen. Wir wollen dieses Experiment in den Vereinigten Staaten nicht wiederholen.“

Frankreich: „Albtraumszenario“ Dunkelflaute

Im November nahm das französische Nachrichtenmagazin „Le Point“ die deutsche Energiewende unter die Lupe. Anlass war eine von mehreren sogenannten Dunkelflauten im vergangenen Winter.
Weil am 6. November der Wind kaum wehte, konnten die über 30.000 Windturbinen mit rund 0,1 GW Leistung den Strombedarf zeitweise nur zu 0,1 Prozent abdecken. Ebenso schien die Sonne kaum – und ab 17 Uhr stellte sie gar kein Licht mehr zur Verfügung. Somit waren laut Aussage des Magazins alle deutschen Solaranlagen „nutzlos“. Dies sei ein „Albtraumszenario“, da der Bedarf an diesem Tag teils bei mehr als 68 GW lag.
„Le Point“ schrieb: „Um einen Stromausfall zu vermeiden, muss das Land Strom in großem Umfang importieren und seine Öl- und Kohlekraftwerke bis zum Maximum auslasten. Der Preis pro Megawattstunde steigt auf 820 Euro“. Laut RWE-Chef Markus Krebber sei dies „das Zehnfache des üblichen Preises“ gewesen.

Schweden: Kein Fan der deutschen Energiewende?

Diese Preisanstiege bei Strommangel in den deutschen Netzen bekommen auch unsere Nachbarländer zu spüren. Wie etwa Schweden. Darüber schrieb das Portal „Statista Strategy“ vor rund zwei Jahren. Auch heute noch beeinflussen sich die europäischen Strommärkte gegenseitig – insbesondere benachbarte.
Für Schweden seien die deutschen Preisspitzen ärgerlich. Die Daten zeigen, dass Südschweden meist deutlich höhere Börsenstrompreise hat als der nördliche Teil des Landes. Das liegt schlicht daran, dass Südschweden näher an Deutschland liegt und somit direkt von dessen Börsenstrompreisen beeinflusst wird.
Dabei hat Schweden selbst schon längst den Schritt zu einer kostengünstigen, klimaneutralen Stromversorgung vollzogen. Das Land versorgt sich mit einem Mix aus Wasserkraft, Kernkraft, Windkraft, Biogas und Photovoltaik.
Dasselbe gilt für Negativpreise bei zu hoher Stromeinspeisung der Erneuerbaren. Wenn in Deutschland der Preis unter null Euro fällt, zieht das auch die Preise in den benachbarten Ländern herunter.
„Statista“ erwähnte, dass Schwedens Wasser- und Kernkraftwerke eine konstante Grundlast liefern können – und somit konstant niedrige Preise. Die deutsche Energiewende auf Basis von Solar- und Windenergie unterliegt hingegen wetterbedingt starken Schwankungen. „Mit dem Ausstieg [Deutschlands] aus fossilen Brennstoffen können diese Schwankungen nicht mehr jederzeit ausgeglichen werden. Deutschland ist somit zur Deckung seines Strombedarfs auf Importe aus anderen europäischen Ländern angewiesen“, schreibt das Statistikportal.
Bei der Recherche gelang es Epoch Times nicht, ein Land zu finden, das momentan positiv auf Deutschlands Energiewende blickt. Vermutlich sehen andere Länder zu viele Unsicherheitsfaktoren und Einbußen auf dem deutschen Weg hin zur Klimaneutralität.
Das Fachgebiet von Maurice Forgeng beinhaltet Themen rund um die Energiewende. Er hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Klima spezialisiert. Er verfügt über einen Hintergrund im Bereich der Energie- und Gebäudetechnik.

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