SPD-Mitgliederbegehren
Bürgergeldstreit in der SPD: 4.000 Unterschriften gegen Klingbeils Kurs
In der SPD formiert sich Widerstand gegen den Kurs der Parteiführung beim Bürgergeld. Eine innerparteiliche Initiative um Franziska Drohsel und Helena Steinhaus hat ein Mitgliederbegehren gestartet und bereits die erste Hürde genommen. Der Konflikt zwischen Parteibasis und Führung droht sich damit zuzuspitzen.

SPD-Doppelspitze Bärbel Bas und Lars Klingbeil verteidigen die geplante Bürgergeld-Reform gegen wachsenden Widerstand aus den eigenen Reihen.
Foto: Tobias Schwarz / AFP via Getty Images
In Kürze:
- SPD-Mitgliederbegehren gegen geplante Verschärfungen beim Bürgergeld erreicht erforderliches Quorum.
- Ex-Juso-Chefin Drohsel Steinhaus übergeben über 4.000 Unterschriften.
- Die Initiatoren fordern den Erhalt von Schonvermögen und Karenzzeit sowie eine „armutsfeste Grundsicherung“.
- Parteichef Klingbeil verteidigt die Reform und nennt das Begehren „das falsche Signal“.
In der SPD gibt es Widerstand gegen geplante Verschärfungen beim Bürgergeld. Wie die Parteizeitung „Vorwärts“ berichtet, hat ein Vorstoß für ein Mitgliederbegehren gegen den von der Parteispitze mitgetragenen Koalitionskurs bei der Grundsicherung eine wichtige Hürde genommen. Am Montag, 10. November, haben die frühere Juso-Chefin Franziska Drohsel und Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei e. V. mehr als 4.000 Unterschriften in das Willy-Brandt-Haus gebracht.
Damit hat die Initiative das Quorum von mehr als 1 Prozent der sozialdemokratischen Parteimitglieder erreicht. Nun muss der Parteivorstand die Zulässigkeit des Begehrens prüfen. Bestehen keine Hindernisse, muss die SPD für ihre Mitglieder online ein Mitgliederbegehren durchführen. Unterzeichnen dies binnen drei Monaten mehr als 20 Prozent der Genossen, ist es erfolgreich. Mehr als 70.000 Sozialdemokraten müssten die Initiatoren dafür mobilisieren.
„Signal der Basis“: SPD soll mehr Sanktionen beim Bürgergeld nicht akzeptieren
Drohsel spricht von einem „Signal der Basis“. Diese spreche sich gegen die Beteiligung der Sozialdemokratie an einer Politik aus, die „Armut bestraft und Solidarität infrage stellt“. Das Mitgliederbegehren ist unter anderem darauf ausgerichtet, keine Verschärfung der Sanktionen beim Bürgergeld zu akzeptieren.
Wer auf Unterstützung angewiesen sei, heißt es in dem Aufruf, dürfe nicht in Existenzangst gedrängt werden. Sanktionen, die das Existenzminimum gefährdeten, widersprächen der Menschenwürde. Außerdem fordern die Initiatoren des Mitgliederbegehrens den Erhalt der Karenzzeit und des Schonvermögens. Die Ampelregierung hatte diese ausgeweitet, als sie das alte „Hartz IV“-System in das Bürgergeld überführte, später aber wieder Abstriche gemacht.
Die Initiatoren des Mitgliederbegehrens wollen zudem das Bürgergeld in Richtung einer „armutsfesten Grundsicherung“ umwandeln, die „Lebensrealitäten anerkennt und Teilhabe ermöglicht“. Der Sozialstaat dürfe „nicht auf Misstrauen und Kontrolle aufgebaut sein, sondern muss ein Ort der Unterstützung und des Respekts“ sein.
Klüssendorf: „Verständnis für die Diskussion“ – SPD bleibt aber bei ihrer Linie
„Neoliberalen und rechtspopulistischen Forderungen“ wolle man gegensteuern. Die Debatte um vermeintliche „Arbeitsverweigerer“ würde entsprechende Narrative reproduzieren. Stattdessen gelte es, den Blick auf Probleme wie Niedriglöhne, Wohnungsmangel oder Bildungsungleichheit zu richten.
Die Initiative fordert zudem Maßnahmen wie die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Erhöhung der Erbschaftsteuer. Bereits in der vergangenen Woche hatte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf erklärt, er habe „Verständnis für die Diskussion“. Die Bürgergeldreform sei der SPD „schwergefallen“, aber man stehe hinter dem von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas ausgehandelten Kompromiss.
Bis dato mussten Jobcenter Sanktionen im Bereich des Bürgergelds gestaffelt vornehmen und schriftlich ankündigen. Eine Kürzung von bis zu 30 Prozent war vorgesehen. Künftig soll einem Bezieher nach dem dritten unentschuldigten Versäumen eines Termins beim Jobcenter die Geldleistung vollständig gestrichen werden. Bei einem weiteren Versäumnis ist künftig auch das Streichen der Leistungen für Wohnkosten zulässig. Außerdem soll es ab 2026 deutliche Einschnitte beim Schonvermögen und keine Karenzzeit mehr geben.
Mehrheit der Bevölkerung für Verschärfungen beim Bürgergeld
Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil verteidigt hingegen die Änderungen beim Bürgergeld. Es gebe, so äußert er in der „Zeit“, auch „Fehlentwicklungen im Sozialstaat“, die man zur Kenntnis nehmen müsse. Das aktuelle Mitgliederbegehren bezeichnete Klingbeil als „genau das falsche Signal“.
Um Erfolg zu haben, müsse die SPD den Fokus auf die arbeitenden Menschen richten. Er halte es, so Klingbeil, für „total richtig, dass wir beim Bürgergeld jetzt Entscheidungen getroffen haben“. Er wolle nicht „den Sozialstaat kaputtschlagen“, betonte der Vizekanzler.
„Aber wenn ich die Debatte nicht führe, dann führen sie andere.“
Tatsächlich zeigt eine Studie des Sozialunternehmens Neue Arbeit Stuttgart und des Evangelischen Fachverbands für Arbeit und soziale Integration, dass die Wahlbeteiligung unter Bürgergeldempfängern deutlich geringer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung. Gleichzeitig finden die Vorstöße zur Kürzung von Bürgergeld für Personen, die als zumutbar eingestufte Arbeit ablehnen, bei einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung Unterstützung. Vielen gehen sie laut ARD-DeutschlandTREND sogar nicht weit genug.
Unter Arbeitslosen erzielte bei den jüngsten Wahlen sogar die AfD die besten Ergebnisse, die bei der Kürzung des Bürgergelds noch deutlich weiter gehen würde als die derzeitige Koalition. Helena Steinhaus, Mitinitiatorin des aktuellen SPD-Mitgliederbegehrens, erklärte dazu: Die AfD habe es geschafft, den „Verteilungskampf zwischen oben und unten“ zu einem zwischen „Deutschen und Nichtdeutschen“ umzudefinieren.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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