„Nun schießt man schön“: Großer Bahnhof für die Jagdleidenschaft des Kaisers

Um seiner Jagdleidenschaft zu frönen und die Anreise in die Wälder Brandenburgs zu erleichtern, ließ Kaiser Wilhelm II. eigens einen Bahnhof in der Schorfheide erbauen. Erfahren Sie Geschichte und Geschichten rund um den Bahnhof, den man heute als Kulturbahnhof erleben kann.
Titelbild
„..mit Jagdgesang und Hörnerklang, rings um Fehrbellin durch die Wälder zieh´n….“ Zitat aus dem Fanfarenmarsch von Richard Henrion: „Wir wollen unsren alten Kaiser Wilhelm wieder haben“.Foto: -RoMy-/iStock
Von 7. März 2025

Die Schorfheide war schon immer ein attraktives Ausflugsziel für die Reichen und Mächtigen aus dem nahen Berlin. Denn eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands lockte schon seit jeher mit seinem Wildreichtum, den vielen Seen und der Schönheit seiner weitläufigen Mischwälder. Fernab der turbulenten Großstadt Berlin jagten und erholten sich hier Fürsten, Kaiser und später Staatsratsvorsitzende.

Der letzte Deutsche Kaiser Wilhelm der II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen aus dem Hause Hohenzollern, kam häufig in die Schorfheide. Um die Zeit seiner Regentschaft von 1888 – 1918 pflegte seine Majestät aus der Hauptstadt Berlin in das riesige, brandenburgische Waldgebiet zu reisen, um seiner größten Leidenschaft zu frönen: Der Jagd.

Diese Reise war seinerzeit sehr aufwendig. Galt es doch, die Familie des Kaisers plus die gesamte Entourage, sowie zuweilen ausländische Jagdgäste mitzunehmen. Zwar gab es bereits die Preußische Bahn, die von der Hauptstadt Berlin bis ins pommersche Stettin, dem heutigen Szczecin fuhr. Jedoch musste sogar der Kaiser in dem kleinen Ort Britz bei Eberswalde in eine Kutsche umsteigen, um in das Jagdschloss Hubertusstock zu gelangen; dem Ziel der Reise.

Der Kaiserbahnhof in Joachimsthal

„Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Diese Äußerung wird dem Kaiser zugeschrieben. Sie lässt eine gewisse Fortschrittsfeindlichkeit vermuten, doch das war Wilhelm II. keineswegs. Im Gegenteil, sorgten seine Auseinandersetzungen über die Einführung einer Reichsbahn mit dem damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck für Spott in der Bevölkerung.

Der Begriff „Reisekaiser“ wurden geboren, denn Wilhelm II. verbrachte mindestens 9 Monate im Jahr außerhalb seiner Residenzstädte Berlin und Potsdam. Um also der Jagdgesellschaft und mitunter auch ausländischen Staatsgästen eine komfortable Reise zu gewährleisten, ließ der Kaiser in der Nähe des schönen Werbellinsees eine eigene Bahnstation für sich erbauen.

Das original erhaltene Gebäudeensemble existiert bis heute als Bahnhof nahe der Kleinstadt Joachimsthal. Der „Kaiserbahnhof“, wie er damals schon im Volksmund hieß, wurde in Anlehnung an das Jagdschloss Hubertusstock im nordischen Landhausstil errichtet.

1898 dann wurde der Bahnhof eröffnet und die Jagd- und Hofgesellschaften konnten nun bequem in Kutschen vom Bahnhof aus nach Hubertusstock transportiert werden. Fuhr der Sonderzug mit den erlauchten Gästen dann ein, so pflegte seine Majestät, sich in einem eigens für ihn gestalteten Umkleideraum umzuziehen.

Heraus aus einer seiner zahlreichen Uniformen, hinein in den Jagdrock, währenddessen sein Forstmeister Balduin von Hövel ihm Rapport erstatten musste. Vor dem Bahnhof ließ sich der Kaiser dann von angetretenen Untertanen huldigen: „Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin, und wär das nicht so weit von hier, so ging ich heut´noch hin.“

Der überaus luxuriöse „Sonderzug“ seiner Majestät ist heute im Berliner Museum für Verkehr und Technik in Kreuzberg zu bewundern. Der gewaltige Zug, aus Holz und Stahl in Breslau (dem heutigen Wrocław) bei Linke & Hofmann gebaut, ist im Innern vom Feinsten ausgestattet. Kostbare Stoffe, wie Seide aus China, Brokat und Samt, sowie edle Hölzer aus den Tropen wurden verwendet, um die Ausstattung möglichst luxuriös zu gestalten.

Mit ein wenig Fantasie ausgestattet, lässt sich der Betrachter in die weichen Polster sinken und wartet darauf, von Dienern den Tee in feinstem Porzellan serviert zu bekommen. Fauchend und qualmend setzt sich das Ungetüm in Bewegung und die Fahrt in die tiefen Wälder der Schorfheide kann beginnen…

Theodor Heuss: „Nun schießt man schön“

Wilhelm der II., war berühmt-berüchtigt für seine Jagdleidenschaft, der er in der Schorfheide freien Lauf lassen konnte, die seit Jahrhunderten Jagdrevier der brandenburgisch- preußischen Hohenzollern war. Schon als junger Prinz verbrachte Wilhelm viel Zeit mit der Jagd.

Als 17-Jähriger soll er lange bei Regen in einer Pfütze ausgeharrt haben, um einen Hirschen zu erlegen. Berühmt berüchtigt war auch seine Rekordsucht; der absolute Anspruch des Herrschers, alles Wild für sich allein zu beanspruchen: „Ich befehle, dass in meinem Jagdgehege Schorfheide als Jagdart nur die Pürsch stattfindet. Die jagdbaren Hirsche werde ich allein schießen“, proklamierte er im Jahr 1888, dem sogenannten „Drei-Kaiser-Jahr“.

Im Oktober 1883 ist ihm der Jagderfolg besonders hold. An nur vier Tagen erlegt in der Oberförsterei Grimnitz, Groß-Schönebeck und Pechstein: einen 16-Ender, drei 14-Ender, zwei 12-Ender, einen 10-Ender, einen 8-Ender und einen Kümmerer (Bezeichnung in der Jagdsprache für Wildtiere von schwächlicher Verfassung), neun Rothirsche und einen Damhirsch.

Anders als Wilhelms Vater, Friedrich Wilhelm von Preußen, der als bescheiden galt, wollte Wilhelm alles für sich allein. Er wollte alles und gönnte anderen nichts. „ Am meisten freut es einen, neben den eigenen Treffern, die Fehlschüsse der anderen zu sehen.“

Der Kaiser sieht sich offenbar selbst als unfehlbar. Vielleicht ist diese selbstsüchtige und verbissene Haltung eine Folge seiner freudlosen Jugend. Eine strenge Erziehung und körperliche Torturen quälen den jungen Wilhelm, der bei seiner Geburt verletzt wird und mit einem gelähmten Arm zur Welt kommt.

Der junge Prinz musste seinen Arm in den Kadavern erlegter Tiere baden und eine Kopfstreckmaschine tragen. So ist es vielleicht kein Wunder, dass er früh ein Faible für alles Militärische und für die Jagd entwickelte.

Die kaiserliche Herrschaft endet, der Bahnhof bleibt

Der Hofzug nach dem Kaiserbahnhof wurde mindestens 500 Mal eingesetzt. Obgleich auch als„Medienkaiser“ bekannt, regten die vielen privaten Reisen des Kaisers auch zur Kritik an: „Heil Dir im Sonderzug“ verballhornte die erste Strophe der deutschen Kaiserhymne: „Heil Dir im Siegerkranz.“

Am 29. Oktober 1918 dann kommt für seine Majestät das „Halali-Aus“. Er reist an diesem Tage nach Belgien in „Kriegsangelegenheiten“ und erfährt dort, dass er bereits „zurückgetreten ist“. Er kehrt nicht mehr auf deutschen Boden zurück, verlässt tief gekränkt die „deutsche Schweinebande“ und fährt umgehend in das für ihn organisierte Exil ins niederländische Doorn. Man schickt ihm und seiner Gattin Möbel, Porzellan und Gemälde in 59 Waggons nach.

Der Kaiserbahnhof übersteht auch die kommenden Jahrzehnte. In der Weimarer Republik ebenfalls als Jagdhaus weiter genutzt, diente der Bahnhof weiterhin auch der Repräsentation. Den Zweiten Weltkrieg übersteht der Bahnhof erstaunlicherweise unbeschadet.

Zur DDR-Zeit verfielen jedoch die Gebäude infolge Materialmangels langsam. Eigens für den legendären DDR-Besuch Helmut Schmidts im Jahre 1981 wurden Instandsetzungsmaßnahmen eingeleitet. Da aber der Bundeskanzler anders als geplant nicht mit dem Zug anreiste, beendete man die Maßnahmen wieder.

Heute ist der Bahnhof wieder aktiv. Er verbindet die Regionallinien Eberswalde-Joachimsthal und wird auch als Kulturbahnhof genutzt. Hier finden beliebte Hörspiele und Lesungen statt. Ab Mai 2025 geht es dieses Jahr wieder mit neuem Programm los.

Das weitestgehend original erhaltene Gebäudeensemble ist jetzt ein gelistetes Baudenkmal.

Über die Autorin:

Sabine Küster-Reeck ist gelernte Schauwerbegestalterin. Sie absolvierte beim Deutschen Journalistenkolleg in Berlin ein 2-jähriges Fernstudium im Bereich Journalismus und entdeckte besonders den Reisebericht für sich. Fünf Jahre lang lebte sie mit ihrem Mann im Norden Äthiopiens und unternahm zahlreiche Reisen in Afrika. Gegenwärtig gilt ihr besonderes Interesse den osteuropäischen Ländern. Sie lebt heute in Berlin und Brandenburg.



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