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Klang des Neubeginns

Vögel, Blüten, Violinen: So klingt der Frühling in der Klassik

Der Frühling ist nicht nur eine Jahreszeit – in der Musik wird er zum Gefühl. Diese neun Komponisten zeigen, wie vielfältig seine Klänge sein können.

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Der Frühling trägt eine Atmosphäre von Entdeckung und Erneuerung in sich und bietet an jeder Ecke Überraschungen und Staunen. Komponisten fühlten sich besonders inspiriert, für diese Jahreszeit zu schaffen. Illustration: Biba Kayewich

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Lesedauer: 8 Min.

Das Thema Natur scheint in der Musik fast genauso viel vertreten zu sein wie die Themen Liebe oder Religion. Innerhalb dieses Genres könnte der Frühling wohl das beliebteste Motiv sein. Es verwundert nicht, dass viele Komponisten Stücke darüber geschrieben haben. Überraschend ist jedoch die Vielfalt der Möglichkeiten, die sie gefunden haben, um diese Jahreszeit und die damit einhergehenden Gefühle auszudrücken. Im Folgenden stellen wir neun bedeutende Komponisten vor, die uns jeweils ihre ganz eigene Frühlingserzählung schenken.

Antonio Vivaldi: Konzert „La primavera“

Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ gelten als das wohl bekannteste musikalische Abbild der Natur. Von sämtlichen Concerti ist das Frühlingkonzert „La primavera“ das populärste und zugleich eingängigste. Schon der Beginn des ersten Satzes (Allegro) verkündet mit perlenden Violinstimmen das Erwachen des Frühlings, während die trillierenden Figuren singende Vögel nachzuzeichnen scheinen.
Jedes der vier Jahreszeiten-Concerti wird von einem Sonett begleitet, das den musikalischen Ablauf beschreibt. Die drei Verse des Sonetts zum zweiten Satz (Largo) lassen sich ins Deutsche in etwa wie folgt übertragen:
„Und auf der lieblichen Blumenwiese,
Zum sanften Flüstern der Blätter und Pflanzen,
Der Ziegenhirt schläft, seinen treuen Hund an seiner Seite.“
Vivaldi illustriert diese Szene meisterhaft durch sein Instrumentarium: Ein Solo-Violinpart symbolisiert den schlafenden Hirten, während die übrigen Violinen das Rascheln der Blätter nachahmen. Die Bratschen übernehmen das Bellen des Hundes – gespielt molto forte e strappato (italienisch: sehr laut und rau).

Beethovens 6. Sinfonie „Pastorale“

Das Frühlingserwachen inspirierte Ludwig van Beethoven unmittelbar zur Komposition eines seiner bedeutendsten Werke: seiner „Pastorale“, der 6. Sinfonie.
Sein Vertrauter Anton Schindler hat einen eindrucksvollen Bericht über die Entstehung dieses Werkes hinterlassen. Bei einem Spaziergang in der Nähe von Heiligenstadt setzte sich Beethoven an einen plätschernden Bach. Er lehnte sich an eine Ulme und soll gesagt haben: „Hier habe ich die ‚Szene am Bach‘ komponiert, und die Goldammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mit mir komponiert.“
Die Szene am Bach“ bildet den zweiten Satz der Sinfonie. Hier stellt Beethoven die Vogelstimmen in den Vordergrund: Eine Flöte imitiert die Nachtigall, eine Oboe das Schnattern der Wachtel und die Klarinetten den Ruf des Kuckucks. Auf Schindlers Frage, warum er nicht auch den Goldammern eine eigene Stimme gegeben habe, antwortete Beethoven augenzwinkernd, er habe ihren Gesang durch ein zwei Oktaven umfassendes Arpeggio-Thema im Andante niedergeschrieben.
Spätere Musikkritiker vermuteten jedoch, Beethoven habe mit seinem Freund nur gescherzt: Die Goldammer singe schließlich nie in Arpeggien.

Delius’ „Beim Hören des ersten Kuckucks im Frühling“

Während Beethoven für den Kuckuck allein die Klarinette einsetzte, wählte der englische Komponist Frederick Delius eine Klangpalette mit noch mehr Facetten: Er vereinte Klarinette, Oboe und Streicher zu einem vielschichtigen Kuckucksruf.
Die Kuckucksrufe in dieser Tondichtung sind in eine norwegische Volksweise eingebettet und in der Mitte des Werkes mitunter nur schwer auszumachen. Dennoch beschwört Delius präzise die englische Landschaft herauf, in der alle Geräusche der Natur zu einer vielstimmigen Klanglandschaft im Ohr des Hörers verschmelzen.

Coplands „Appalachian Spring“

Dies ist das berühmteste jemals von einem US-amerikanischen Komponisten mit dem Frühling verbundene Werk. Die Coverabbildungen der meisten Einspielungen zeigen in dieser Jahreszeit die sanften Hügel der Appalachen.
Interessanterweise benannte Aaron Copland selbst das Stück aber erst, nachdem er es geschrieben hatte. Dennoch verbinden Hörer weltweit seine Musik bis heute untrennbar mit genau diesem Ort und jener Jahreszeit.

Vaughan Williams’ „Die aufsteigende Lerche“

George Merediths Gedicht „The Lark Ascending“ (auf Deutsch: „Die aufsteigende Lerche“) beginnt mit den Worten:
„Sie steigt weit auf und beginnt zu kreisen
Lässt ihren Silberklang herabperlen
Undurchbrochene Reihe von Tönen
Zwitschern, Flöten, Girren, Schlagen …“
Alle großen Komponisten des Frühlings haben ihre ganz eigene Art, den Gesang der Vögel hervorzurufen. Ralph Vaughan Williams, der Merediths Gedicht in seiner eigenen „pastoralen Romanze“ adaptierte, bildet da keine Ausnahme.
Williams nutzte die Magie der Violine, um Merediths Worte einzufangen. Die Solovioline zirpt, pfeift, schleift und schüttelt sich, um den Gesang der Lerche zu imitieren. Aber die Geige stellt auch den Vogel im Flug dar.

Johann Strauß II. „Frühlingsstimmen“

Johann Strauß’ wohl bekanntester Walzer fängt mit seinen eleganten, leichten Melodien die ganze Frühlingskraft ein und beschwört Erneuerung und Aufblühen des Lebens herauf. Strauß schuf von diesem Werk drei Fassungen: die heute gebräuchliche Orchesterfassung, eine Variante für Orchester mit Solosopran und eine eigene Klavierbearbeitung.
Obwohl das Stück fröhlich beginnt und endet, fügt Strauß mit einem melancholischen dritten Teil in Moll, der an einen Regensturm erinnert, emotionale Tiefe hinzu.

Brahms’ „Frühlings-Streichquartett“ Nr. 1

Wie bei Copland ist es fraglich, inwieweit Brahms ein saisonales Thema im Sinn hatte, als er dieses Stück im Frühjahr 1882 komponierte. Er betitelte es nicht mit „Frühling“ – diese informelle Bezeichnung erhielt das Stück erst später. Doch wie im Fall von „Appalachian Spring“ passt die Beschreibung gut. Es hat eine Wärme und eine Energie, die den Eindruck erweckt, Brahms habe beim Schreiben aus dem Fenster geschaut, um sich inspirieren zu lassen.

Griegs „Letzter Frühling“

Fast alle hier vorgestellten Werke, die bewusst mit dem Frühling in Verbindung gebracht werden, zielen darauf ab, die Jahreszeit als Naturphänomen zu beschwören. Edvard Griegs „Letzter Frühling“ ist jedoch anders: Die Musik dieses Lieds drückt die Dankbarkeit dafür aus, den Frühling ein letztes Mal vor dem Tod zu erleben. 
Es geht darum, die Freuden der Sonnenstrahlen und Schmetterlinge zu genießen, bevor der Betrachter für immer verblasst. Obwohl der Frühling Teil des Themas ist, ist die Musik eigentlich eine Reflexion über das Altern und die Einsamkeit.
Wie Strauss‘ „Frühlingsstimmen“ war auch Griegs Stück ursprünglich zum Singen gedacht. Es wurde erst später in eine Orchesterfassung umgewandelt. In diesem Fall war der Text ein Gedicht des norwegischen Dichters Aasmund Olavsson Vinje (1818–1870). Die gängige deutsche Singfassung („Letzter Frühling“) stammt von Hans Schmidt (1854–1923). 

Schumanns „Frühlingssinfonie“ Nr. 1

Robert Schumann machte den Frühling zum Thema seiner ersten Sinfonie. Er hatte im Jahr zuvor Clara geheiratet und erlebte die glücklichste Zeit seines Lebens. Er schrieb die vier Sätze dieser Sinfonie in nur vier Tagen im Jahr 1841. Sie beginnt majestätisch mit „Frühlingserwachen“ und endet im letzten Satz mit der freudigen Energie von „Voller Frühling“.
Schumann war der Ansicht, dass der Frühling ein inhärentes Merkmal jeder musikalischen Komposition sei, da der Komponist stets etwas Neues erschaffe. Insofern kann die gesamte abendländische Musiktradition als eine lange und vielfältige Reihe von Wiedererweckungen betrachtet werden.
 
Der Artikel erschien zuerst bei The Epoch Times unter dem Titel „9 Classical Pieces About Spring“. (deutsche Bearbeitung ee)

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