Bundestag stimmt für neuen Wehrdienst - Landesweite Proteste und Schulstreiks dagegen
Der Bundestag hat am Freitagvormittag den neuen Wehrdienst beschlossen – ein Mix aus Freiwilligenmodell und möglicher Bedarfswehrpflicht. Bereits am Vormittag formierte sich Widerstand. Schüler, Aktivisten und Bürger demonstrierten in Dutzenden Städten gegen die Reform.
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Junge Demonstranten versammeln sich am 5. Dezember 2025 in Berlin, um gegen die geplante Wehrpflicht zu protestieren.
Bundesweiter Protesttag gegen den neuen Wehrdienst mit Schulstreiks und Demonstrationen
Musterung ab 2026: Verpflichtend für Männer mit deutscher Staatsbürgerschaft
Minister Pistorius setzt auf Freiwillige – Kritiker warnen vor schrittweiser Rückkehr zur Wehrpflicht
In vielen Städten mehrere Hundert bis mehrere Tausend Teilnehmer
Am Freitag, 5.12., beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Koalition den neuen Wehrdienst. Aus diesem Anlass hatten mehrere Organisationen zu einem „Schulstreik“ aufgerufen. Darüber hinaus sind in mehreren Städten auch für Nachmittag und Abend Demonstrationen gegen die Wiederaktivierung der Wehrpflicht angekündigt.
Vorerst wird es ab 2026 eine Musterung für alle 18-jährigen in Deutschland ansässigen Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit geben. Im ersten Jahr wird dies in Form eines Fragebogens zur Person und zur Motivation zum Wehrdienst stattfinden. Für Männer ist die Beantwortung verpflichtend, für Frauen freiwillig. Ab 2027 soll die Musterung zum Regelfall werden.
Demo vor Reichstag: Neuer Wehrdienst bereite „langsam, scheibchenweise“ Wehrpflicht vor
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius betonte, dass er die gewünschte Personalstärke der Truppe mithilfe von Freiwilligen sicherstellen wolle. Eine sogenannte Bedarfswehrpflicht soll nur dann greifen, wenn dies nicht gelingen sollte. CDU und CSU streben eine umfassende Wiedereinführung der von ihr selbst 2011 deaktivierten Wehrpflicht an.
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Einige potenzielle Betroffene glauben ebenfalls nicht, dass es bei der Freiwilligkeit bleibt. Vor dem Reichstag demonstrierten bereits vor der Abstimmung mehrere Dutzende Personen, darunter Schüler, gegen die Neugestaltung. Sie rollten dabei unter anderem ein langes Banner mit der Aufschrift „Nein zur Wehrpflicht“ aus.
Jannis Althoff vom „Bündnis Nein zur Wehrpflicht“ befürchtet, dass der neue Wehrdienst nur der erste Schritt zur Remilitarisierung des Landes sein würde. Die Musterung sei ein Modell, das nun „langsam, scheibchenweise“ eingeführt werden könne. Und dies werde auch geschehen, ist Althoff überzeugt:
„Wir sehen, das ist ein Konflikt darüber, wie schnell man die Wehrpflicht einführen kann, weil man merkt, dass sich Widerstand regt.“
Noch bis in die Abendstunden mit Kundgebungen zu rechnen
Eine abschließende Einschätzung darüber, wie viele Veranstaltungen zum Schulstreik oder generell gegen den neuen Wehrdienst stattfanden, gibt es noch nicht. Entsprechend ist es auch nicht möglich, eine repräsentative bundesweite Teilnehmerzahl anzugeben. Im Vorfeld schwankten die Angaben über geplante Kundgebungen zwischen etwa über 50 und „deutlich mehr als 100“ Städten.
Initiativen, die sich an der Mobilisierung beteiligt haben, haben eine Liste an Orten aufgeführt, in denen Veranstaltungen stattfinden sollen. Es bleibt allerdings offen, inwieweit diese vollständig sind, und wie erfolgreich die Aufrufe jeweils waren. In einigen Städten berichteten Nachrichtenplattformen, dass sich die Aufrufe vor allem online fänden. An den Schulen selbst seien die Pläne nicht bekannt.
Am Halleschen Tor in Berlin hatten sich, wie ein Livestream auf YouTube zeigt, in der Mittagszeit mehrere Hundert Menschen zu einer Kundgebung versammelt, an der auch einige Erwachsene teilnahmen. Auf X war die Rede von mehreren Hundert Schülern, die in Potsdam demonstriert hätten, und eine Kundgebung mit mehreren Dutzend Teilnehmern in Berlin. In Leipzig und Dresden seien Kundgebungen erst für 17:00 Uhr beziehungsweise 18:00 Uhr angesetzt.
Mitinitiatorin: Neuer Wehrdienst „geht weiter über zuvor Diskutiertes hinaus“
Allerdings sind in dem sozialen Netzwerk bereits Aufnahmen zu sehen, wonach in Dresden Schüler auf die Straße gegangen seien. Bilder tauchen auch aus Städten wie Bielefeld, Karlsruhe oder Köln auf. Über Veranstaltungen in Hamburg und Dresden berichteten regionale Medien wie der NDR oder die „Sächsische Zeitung“. In beiden Fällen war von mehreren Hundert Teilnehmern die Rede.
Die Veranstalter haben für die Kundgebung am Halleschen Tor im Berliner Stadtteil Kreuzberg am frühen Nachmittag eine Teilnehmerzahl von 2.000 bis 3.000 Menschen angegeben. Die Epoch Times war vor Ort und hat mit einigen der Protestierenden gesprochen. Die Sängerin Flur äußerte, sie sei zwar keine Schülerin mehr. Sie halte es dennoch für wichtig, sich zu solidarisieren:
„Und wir leben in Zeiten, wo man sich nicht mehr verstecken sollte, sondern wirklich für eine Sache einstehen sollte. Und die kleine Sache, die ich meine, heißt Frieden und Freiheit. Und das ist essenziell für uns.“
Eine Schülersprecherin eines Gymnasiums gehört zu den Mitorganisatoren der Schulstreik-Aktivitäten in Berlin. Obwohl Frauen nicht zur Musterung verpflichtet sind, glaubt sie nicht, dass es bei der derzeitigen Regelung bleibt. Sie ist überzeugt, dass die aktuelle Regelung weit über das hinausgeht, was noch zu Beginn des Jahres diskutiert wurde. Entsprechend rechnet sie fest damit, dass es in einem Ernstfall einen Wehrdienst für alle geben werde. Dies bereite ihr Sorgen, „weil ich der Meinung bin, Gewalt ist keine Lösung und das lerne ich auch in der Schule so und dass die Politik das nicht anwendet, finde ich echt schade.“
Sorge vor „Wiederkehr verhörartiger Situationen“ bei Gewissensprüfungen
Eine weitere Mitorganisatorin äußerte gegenüber Epoch Times, es werde nicht der letzte Protest gegen den neuen Wehrdienst sein. Für den 5. März sei schon ein nächster Streik angekündigt. Dass es weiterhin die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung und des Ersatzdienstes gebe, sei kein Argument.
Die „verhörartigen Situationen“ bei der Gewissensprüfung unterliefen dieses Grundrecht, und ein Ersatzdienst helfe niemandem:
„Fragen Sie mal eine Pflegekraft, die wird Ihnen sagen: Wenn da jetzt noch 20 ungelernte Schülerinnen, die gar keinen Bock darauf haben, ins Krankenhaus kommen, wird es auf jeden Fall auch nicht besser laufen. Das heißt, es kann auch keine Option sein, diese Ersatzdienste anzubieten und den Leuten zu sagen, sie sollen verweigern. Viel eher finde ich, man sollte den Leuten sagen, die diese Wehrpflicht wieder fordern, gehen Sie doch einfach selber.“
Student Schröter, der zur Demonstration kam, um sich mit dem Anliegen der Demonstration zu solidarisieren, zeigte sich zufrieden mit der Beteiligung:
„Es ist ein Riesenzeichen, dass sich junge Menschen vor allem gegen Militarismus wehren wollen und für ihre Rechte einstehen und für ihre Überzeugung.“
Initiative will 1.000.000 Unterschriften mobilisieren
Der älterer Klaus Ruckdächel war sogar aus Rostock nach Berlin angereist, um vor dem Reichstag Unterschriften gegen die Neuregelung zu sammeln. Eigenen Angaben zufolge wolle seine Initiative „Deutschland wieder zum Diplomatie- und Friedensland machen“.
In über 1.000 Städten wolle man nun jeweils 1.000 Unterschriften sammeln gegen die „Militarisierung des öffentlichen Lebens“. Diese wolle man im nächsten Jahr dem Parlament und dem Bundespräsidenten übergeben. Für den konkreten Konflikt mit Russland sieht er eine Mitschuld des Westens.
Gegenüber der Epoch Times äußerte er:
„Das Angebot von russischer Seite war vorhanden. Die Rede von Putin im Bundestag 2002 war da sozusagen eine Idee: Die Hand gereicht zum gemeinsamen Aufbau einer friedlichen Zukunft. Der Westen hat sich entschieden, auf dieses Bündnis NATO zu setzen und die NATO-Osterweiterung voranzutreiben, was letztlich auch dazu geführt hat, dass wir jetzt in einer Situation sind, die eben, wo die Zeichen wieder auf Konfrontation und Krieg stehen. Das ist der Punkt.“
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.