Der stille Krieg der Hamas gegen ihre eigene Bevölkerung
Gaza erlebt seit Jahren eine humanitäre Katastrophe – gravierend verschlechtert durch Israels massive Gegenoffensive in Reaktion auf den mörderischen Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023. Doch welche weniger bekannten Hintergründe zum Hamas-Regime helfen, die prekäre Lage besser zu verstehen?
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Kinder spielen in einer der eingestürzten Kuppeln der Al-Faruq-Moschee in Rafah im südlichen Gazastreifen.
Seit dem 7. Oktober 2023, als die Hamas israelische Ortschaften in Grenznähe und ein Musikfestival überfiel und über 1.200 Zivilisten massakrierte und Hunderte entführte, befindet sich der Gazastreifen in einer akuten Krisensituation. Denn als Reaktion auf diesen Angriff startete Israel massive Gegenschläge, in deren Folge wohl Zehntausende ums Leben kamen und viele Wohnungen sowie große Teile der Infrastruktur zerstört wurden.
Die Versorgung grundlegender Bedürfnisse nach Strom, Wasser, Lebensmitteln und sogar Wohnraum ist in Gaza seither äußerst unsicher und vielerorts völlig zusammengebrochen. Zudem wird der Regierung unter Netanjahu vorgeworfen, dass ihre Blockade der humanitären Hilfslieferungen die Situation in der Region noch verschlimmert.
Aber zu verstehen, warum die Lage im Gazastreifen so katastrophal ist, ist eine komplexe Angelegenheit. Sie lässt sich nicht nur mit der Tatsache erklären, dass Israel derzeit Vergeltung an der Terrororganisation übt, die die Region beherrscht.
Welche inneren Faktoren dominieren die Dynamik des Gebietes? Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die weniger bekannten Hintergründe zum Hamas-Regime.
Die Hamas-Herrschaft im Gazastreifen
Der schmale, palästinensisch besiedelte Gazastreifen an der Mittelmeerküste ist ein Ballungsgebiet mit 2,2 Millionen Einwohnern. Israel zog sich 2005 praktisch aus dem seit 1967 von ihm kontrollierten Gebiet zurück und überließ es der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Diese wurde Mitte der 1990er-Jahre gegründet, um den Weg für einen unabhängigen palästinensischen Staat zu ebnen.
Die PA war jedoch nicht in der Lage, eine stabile Präsenz in Gaza aufrechtzuerhalten. Die größten Probleme waren Korruption und Misswirtschaft. So wurde die säkulare Fatah-Partei, die die PA beherrscht, bei den Wahlen 2006 von der radikal-islamistischen Bewegung Hamas, die die Existenz Israels ablehnt, besiegt.
Nach einer kurzen und erfolglosen Koalitionsphase von Fatah und Hamas und den darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen wurde Fatah 2007 von der Hamas gestürzt, die seither das Gebiet allein beherrscht.
Die Hamas versprach vor den Wahlen im Jahr 2006 noch eine saubere Regierungsführung und ihre sozialen Aktivitäten trugen zu ihrer Popularität bei. Doch mittlerweile betrachten über 70 Prozent der Bevölkerung die Hamas-Führung als korrupt. Die in Gaza lebenden Menschen sind nun der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas völlig ausgeliefert.
Dschihad mit System
Wofür steht aber die Hamas und wie ist ihre Geschichte? Die Hamas wurde 1987 im Gazastreifen zur Zeit der ersten Intifada, des palästinensischen Aufstands gegen die israelische Besatzung, gegründet. Der geistige Vater der Organisation war Scheich Ahmad Yassin. Die Bewegung ist eng mit dem benachbarten Ägypten verbunden, welches den Gazastreifen vor 1967 verwaltete, und ging aus der dortigen Muslimbruderschaft hervor.
Seit 1993 operiert die Hamas mit einem „politischen“ und einem „militärischen“ Flügel. Ihr Ziel ist es, einen bewaffneten, gewaltsamen Kampf gegen Israel zu führen, um das historische Palästina zu „befreien“.
Mitglieder der Izz-al-Din-al-Qassam-Brigaden, des militärischen Flügels der palästinensischen islamistischen Hamas-Bewegung. (Symbolbild)
Foto: Mohammed Talatene/dpa
Die Hamas agiert jedoch nicht allein – sie könnte es unter den wirtschaftlich prekären Bedingungen im Gazastreifen auch kaum. Ihr wichtigster Verbündeter ist die ideologisch ähnlich ausgerichtete Mullah-Führung im Iran. Unterstützt wurde sie auch vom früheren syrischen Regime und sie kooperiert mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah. Ferner arbeitete die Hamas im Laufe der Jahre mehrfach mit der Terrorgruppe Islamischer Dschihad zusammen.
Der israelisch-palästinensische Konflikt wird von der Hamas angeheizt
Die Hamas lehnt in ihrem Gründungsdokument von 1988 friedliche Lösungen im israelisch-palästinensischen Konflikt ausdrücklich ab. Der Originaltext bezieht sich auf den bewaffneten Kampf, den Dschihad, gegen Israel. Artikel 13 der Hamas-Charta lautet:
„Es gibt keine Lösungen für das palästinensische Problem, außer dem Dschihad. Initiativen, Vorschläge und internationale Konferenzen sind nur Zeitverschwendung.“
Im Jahr 2017 scheint die Hamas diese Position in einer neuen Charta etwas abzumildern. Darin gibt sie den Eindruck, grundsätzlich eine Zwei-Staaten-Lösung zu akzeptieren. Dem Dokument zufolge wolle die islamistische Bewegung zudem keinen Krieg gegen das jüdische Volk führen, sondern nur gegen den Zionismus, der die Besetzung Palästinas vorantreibe.
Jedoch wird Widerstand und Dschihad weiterhin als legitim betrachtet und die Hamas betont auch: „Wir werden Israel niemals akzeptieren.“ Und unter Artikel 20 heißt es: „Hamas lehnt jede Alternative zu einer kompletten und vollständigen Befreiung von Palästina ab, vom Fluss zum Meer.“ Diese widersprüchlichen Aussagen könnten bedeuten, dass die Hamas zwar taktisch auf internationale Erwartungen reagiert, strategisch aber an ihrer kompromisslosen Haltung gegenüber Israel festhält. Während die zweite Charta rhetorisch eine gewisse Öffnung suggeriert, bleibt die grundlegende Ablehnung des israelischen Staates bestehen.
Hilft es der Hamas, wenn die Bevölkerung leidet?
Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass die Hamas die verarmte palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen, die sowohl wirtschaftlich als auch ideologisch von ihr abhängig ist, als einen menschlichen Schutzschild in ihrem Krieg gegen Israel benutzt.
Das bedeutet nicht nur, dass die Hamas bei israelischen Angriffen gezielt Zivilisten in die Schusslinie bringt. Es bedeutet auch, dass sie das Leid der palästinensischen Bevölkerung, insbesondere das der Kinder, bewusst und drastisch in Szene setzt, um Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben.
Fathi Hammad, der frühere Innenminister des Gazastreifens und ranghohes Mitglied der Hamas, äußerte sich im Jahr 2008 wie folgt:
„Sie [die Feinde Allahs] wissen nicht, dass das palästinensische Volk seine […] [Methoden] des Sterbens und der Todessehnsucht weiterentwickelt hat. Für das palästinensische Volk ist der Tod zu einer Industrie geworden, in der die Frauen ebenso glänzen wie alle anderen Bewohner dieses Landes. Die Alten zeichnen sich darin aus, ebenso die Mudschaheddin und die Kinder. Daher haben sie menschliche Schutzschilde gebildet – aus Frauen, Kindern, Alten und Mudschaheddin –, um der zionistischen Bombenmaschine entgegenzutreten.“
Die Eingänge des berüchtigten Tunnelsystems mit Hunderten Kilometern Länge, von dem aus die Hamas operiert, werden weitgehend durch zivile Wohnhäuser sowie Krankenhäuser und Schulen an der Oberfläche geschützt. Diese wurden deshalb in den vergangenen Jahren oft zu Zielen der israelischen Armee.
Blick in einen unterirdischen Raum eines Tunnels, dessen Zugang im europäischen Krankenhaus in Chan Junis gefunden wurde, wo, wie das Militär glaubt, der Hamas-Militärchef Yahya al-Sinwar getötet wurde.
Foto: Ilia Yefimovich/dpa
Medien können auch leicht in die Falle der Hamas geraten, die diese Aufopferung ihrer Bevölkerung zu Propagandazwecken gegen Israel nutzt. Die Medien machten anfangs fälschlicherweise Israel für eine Rakete verantwortlich, die im Oktober 2023 in der Nähe eines Krankenhauses in Gaza eingeschlagen war. Diese wurde in Wirklichkeit von Terroristen des Islamischen Dschihad abgefeuert.
Die Medien hatten sich dabei auf die Aussagen des von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza gestützt.
Die Hamas bereitet sich auf einen langen Dschihad vor
Der Gazastreifen leidet unter extremer Armut, massiv zerstörten Gebäuden und zerstörter Infrastruktur sowie Binnenvertreibungen. Die Wasser- und Lebensmittelversorgung ist in einem katastrophalen Zustand.
Neben der israelischen Blockadepolitik und den Vergeltungsschlägen des israelischen Militärs hat dies auch damit zu tun, dass die Hamas Hilfsgelder und Hilfsgüter aus dem Ausland oft heimlich für eigene Zwecke umleitet. So wurden laut der Organisation UN Watch beispielsweise auch von der EU finanzierte Wasserleitungen nicht zur Verbesserung der Wasserversorgung genutzt, sondern zur Herstellung von Raketen.
Es gibt zahlreiche Berichte darüber, wie die Terrororganisation eigentlich für die Bevölkerung Gazas bestimmte Hilfsgelder für Waffen oder den Bau ihrer Tunnelanlagen verwendet hatte. Hilfsgüter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) sowie beträchtliche Bargeldbeträge wurden auch in Hamas-Tunneln gefunden. Sie füllten ihre Lager unterirdisch mit Lebensmitteln, Treibstoff, Wasser und anderen Vorräten auf.
Während sich die Hamas also auf einen langen Dschihad gegen Israel vorbereitete, entzog sie der Zivilbevölkerung in Gaza die lebensnotwendigen Versorgungsmittel. Dies verschärfte die Lebensbedingungen für die Bevölkerung.
Der Wassermangel im Gazastreifen nimmt nach UNICEF-Angaben dramatische Ausmaße an.
Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
Die fragwürdige Rolle einiger Hilfsorganisationen zeigt sich jedoch auch auf andere Weise in der Region. Das „Wall Street Journal“ berichtete Anfang vergangenen Jahres, dass laut Geheimdienstberichten mindestens zwölf Mitarbeiter vom UNRWA mit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober in Verbindung standen. Außerdem haben etwa 10 Prozent aller Mitarbeiter im Gazastreifen Verbindungen zu militanten islamistischen Gruppen.
Unter der Hamas-Herrschaft gelten zudem strikte religiöse Gesetze – etwa gegen Frauenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit. Die letzten freien Wahlen fanden 2006 statt.
Zudem gibt es innerhalb Gazas interne Konflikte. Rivalisierende Milizen, Streitereien zwischen Hamas, Islamischem Dschihad und anderen bewaffneten Gruppen eskalieren regelmäßig und führen zu zusätzlicher Instabilität.
Terroristische Indoktrinierung und ihre Folgen
Im Gazastreifen werden Kinder nicht nur in einem Umfeld von Gewalt und Perspektivlosigkeit groß, sondern systematisch dazu erzogen, in die Fußstapfen von Terroristen zu treten. Wie ein Bericht der Organisation Human Rights Voices dokumentiert, kam es zwischen 2015 und 2018 zu mindestens 142 Terroranschlägen, die von palästinensischen Minderjährigen verübt wurden und bei denen sieben Israelis starben.
Der Bericht stellt zudem fest, dass diese konsequente terroristische Indoktrinierung eine Situation erschafft, die mit friedlicher Koexistenz schlicht unvereinbar ist. Es könne keine unabhängige Staatlichkeit und keinen Frieden mit Israel geben, solange „eine Gesellschaft ihre eigenen Kinder dazu ermutigt, Gewalt auszuüben, bewaffnete Kämpfer zu werden, zu töten und zu verstümmeln“.
Palästinensische Kinder spielen im Dschabalija-Flüchtlingslager in Gaza.
Foto: Mahmoud Issa/Quds Net News via ZUMA Wire/dpa
Diese Realität wiegt umso schwerer, wenn man bedenkt, dass nahezu die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens aus Minderjährigen besteht. Laut Daten des Palestinian Central Bureau of Statistics (2024) liegt der Anteil der unter 18-Jährigen bei rund 47 Prozent.
Eine friedliche Koexistenz mit Israel wäre daher selbst dann fraglich, wenn die Herrschaft der Hamas in der Region beendet würde. Ebenso stellt sich die Frage, wer Gaza dann regieren würde – oder könnte.
Mária S. Szentmagyari ist eine ungarische Juristin mit deutschen Wurzeln und lebt im Grünen unweit von Budapest. Mit Leidenschaft und großem Interesse an geopolitischen Zusammenhängen berichtet sie für die Epoch Times über die aktuellen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa, der Ukraine, Russland und dem Nahen Osten. Die Kommentare unter ihren Artikeln liest sie mit besonderer Neugier.