Deutsches Politiker-Duo könnte Brüssels Verfahren gegen Ungarn und Polen beeinflusst haben

Zwei deutsche EU-Abgeordnete setzen die EU unter Druck – damit Ungarn und Polen EU-Gelder vorenthalten werden. Ihnen stehen Finanzmittel in Milliardenhöhe zu.
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Die EU hält Dutzende Milliarden Euro von Ungarn und Polen zurück. Zur Illustration ein Symbolbild.Foto: iStock
Von 5. April 2023

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Zwei deutsche Politiker sind zu bekannten Figuren im Europäischen Parlament geworden: Daniel Freund (Grüne) und Moritz Körner (FDP). Durch ihren Einsatz hält die EU-Kommission Milliarden Euro zurück, enthüllte Ralf Neukirch, Korrespondent des „Spiegel“.

Es sei „kein Geheimnis“, dass deutsche Europaabgeordnete hinter der Einstellung der Hilfe für Polen nach der Epidemie steckten, ergänzte Grzegorz Puda, polnischer Minister für Finanzen und Regionalpolitik. Und das alles „unter dem Vorwand der Sorge um die Rechtsstaatlichkeit“.

Die Motivation der beiden Europaabgeordneten ist im Prinzip, sich für die Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass es in anderen Ländern ähnliche Probleme gibt – und die EU dennoch nicht aktiv wird.

Ungarn und Polen befinden sich seit 2020 im Fadenkreuz der EU. Damals wurde der erste Bericht zur Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Neben den unangenehmen Auseinandersetzungen hat dies seit einiger Zeit auch ernste wirtschaftliche Folgen.

Von der Leyen wollte nicht vor Gericht gehen

Über den Druck, den Freund und Körner ausübten, wird im „Spiegel“ berichtet: „Dass die Kommission beiden Ländern mittlerweile EU-Mittel in Milliardenhöhe vorenthält, ist auch der Beharrlichkeit des ungewöhnlichen Duos zu verdanken. Von der Leyen war hochgradig von ihnen genervt. Ignorieren konnte sie die beiden am Ende nicht mehr.“

Die Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Politikern wird in der „Berliner Zeitung“ ausführlich diskutiert. Demnach hätte die Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, nach dem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit im Jahr 2020 überhaupt keine radikalen Maßnahmen gefordert.

Die beiden deutschen Politiker haben jedoch weiterhin auf Maßnahmen gegen Ungarn und Polen gedrängt. Auf ihren Druck hin, so der Autor des Artikels, beschloss das Europäische Parlament im Oktober 2021 schließlich, die Kommission wegen Untätigkeit zu verklagen.

Ein solcher Schritt ist beispiellos in der Geschichte der EU“, schreibt Ralf Neukirch.

Das hat wohl von der Leyen angespornt. Der Fall kam gar nicht erst vor Gericht, weil es sowohl gegen Ungarn als auch gegen Polen konkrete Maßnahmen gab. Milliarden Euro der EU-Hilfen wurden von der Kommission eingefroren. Beide Länder haben außerdem immer noch keine Gelder für die Wiederherstellung nach der Pandemie erhalten.

Das Erfolgsduo ist eigentlich ein Neuling auf der Bühne der EU

Freund und Körner waren so entschlossen, die Verfahren gegen Ungarn und Polen zum Laufen zu bringen, dass es in der EU auffiel.

Die Zeitung behauptet sogar, dass der Konflikt mit der Kommission die beiden Politiker zu den bekanntesten deutschen Europaabgeordneten in Brüssel gemacht habe. „Nur wenige Abgeordnete sind so stark mit einem einzigen Thema verbunden wie sie“, heißt es weiter. Auf Freunds Twitter-Seite finden sich zudem zahlreiche kritische Posts über den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Die beiden jungen Politiker in ihren Dreißigern kennen sich seit 2019. Sie haben sich während des Europawahlkampfes in Nordrhein-Westfalen getroffen. Seitdem sind sie bei mehreren Veranstaltungen gemeinsam aufgetreten. Ihre politischen Lager sind nicht die gleichen, doch in wichtigen Fragen sind sie sich einig.

Im Interview mit dem „Spiegel“ sagten sie: „Wir haben festgestellt, dass wir die gleiche Position zum Thema Rechtsstaatlichkeit haben“, so Freund. Auch bei Themen wie den Grund- und Menschenrechten und der sexuellen Identität gibt es eine große Übereinstimmung. „Oder wenn es darum geht, wie sich Europa entwickeln soll“, sagte Körner.

Diese gemeinsame geistige Haltung und ihr starker Wille zum Erfolg hat sie in ihrer ersten Legislaturperiode in Brüssel zu starken Lobbyisten gemacht.

Wenn Strenge selektiv ist

EU-Politiker sehen das eigentliche Thema – das Vorenthalten der finanziellen Mittel – unterschiedlich. Einerseits wird hinterfragt, ob ein Einfrieren der Mittel wirklich notwendig ist oder ob andere Sanktionen angewendet werden könnten. Andererseits fühlen sich viele dazu veranlasst, das Vorgehen gegen Ungarn und Polen zu missbilligen.

Der spanische Publizist und Politikwissenschaftler Sergio Velasco spricht von einem Paradebeispiel für „doppelte Standards“. Velasco beschreibt das Vorgehen der EU als problematisch. Die EU müsste – wenn sie den gleichen Maßstab auch an andere Mitgliedstaaten anlegen würde – ebenso gegen andere Länder vorgehen, schreibt er in seinem Kommentar in der regierungsnahen ungarischen Tageszeitung „Magyar Nemzet“.

Er nennt vor allem Spanien als Beispiel. In Spanien werden zehn der zwölf Richter des Verfassungsgerichts von Politikern gewählt. „Wenn in Spanien eine Partei die Mehrheit im Kongress hat, dann hat sie auch die Mehrheit im Senat. Und wenn diese Partei an der Regierung ist, kann sie die zehn Richter selbst ernennen. Kann mir jemand erklären, wo hier die Rechtsstaatlichkeit bleibt?“, fragt er. Dennoch muss Spanien keine Maßnahmen seitens der EU erdulden.

Auch EU-Kommissar Paolo Gentiloni sorgte für Aufregung. Er sagte im Januar 2022, dass die EU-Gelder Ungarn wegen der Verabschiedung des Kinderschutzgesetzes nicht erreichen würden.

„Das ist aber ein Verstoß gegen die geltenden EU-Regeln und -Verträge – denn für Bildung sind die Mitgliedstaaten zuständig, nicht die Europäische Union“, kommentierte Velasco.

Das Phänomen sei also offenbar nicht auf rechtliche, sondern eher auf politische Bedenken zurückzuführen, meint der spanische Politikwissenschaftler. Warum aber gerade Ungarn und Polen?

Diese Länder unterscheiden sich laut Velasco vor allem dadurch von anderen Mitgliedstaaten, „dass sie nicht der progressiven liberalen Agenda des westeuropäischen Mainstreams folgen, sondern ihren eigenen politischen Weg gehen“. Sie wollen keine über ihnen stehende „supranationale Organisation“ und verurteilen auch den Einwanderungsplan von George Soros, „der den europäischen Bürokraten ebenfalls ein Dorn im Auge ist“.

Auf dem Sprung zur Einigung

Ende März erhielt der ungarische Ministerpräsident die Information, dass eine Einigung, die die 28 Milliarden Euro EU-Gelder freisetzen würde, zum Greifen nahe ist. Es wird erwartet, dass in der zweiten Hälfte dieses Jahres zumindest 5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, um Ungarn bei der Erholung von der Pandemie zu helfen.

Die ungarische Regierung rechnet damit, dass sie in den kommenden Monaten auch mehr als 20 Milliarden Euro erhält. Diese Gelder stammen aus dem sogenannten Kohäsionsfonds der EU. Sie wurden eingefroren, weil sie Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz und der Nichteinhaltung der EU-Grundrechtecharta (einschließlich LGBTQ-Rechte, akademische Freiheit und Asylrechte) hatte.

Ungarn muss 27 Bedingungen erfüllen, um diese Bedenken auszuräumen. Auf der Kabinettssitzung Ende letzter Woche zeigte sich Gergely Gulyás, der für das Amt des Ministerpräsidenten zuständige Minister, diesbezüglich optimistisch. Er sagte, Ungarn sei schon fast so weit, die von Brüssel geforderten Bedingungen zu erfüllen. Dem Minister zufolge gebe es keine rechtliche Grundlage für Brüssel für eine weitere Blockade.

Auch für Polen könnte eine Auszahlung der eingefrorenen EU-Gelder in der zweiten Hälfte dieses Jahres beginnen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bestätigte am 1. April, dass das Parlament einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, der den Abruf der 35,4 Milliarden Euro aus Brüssel ermöglicht.



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