Iran: Öffentlich-rechtliche Journalistinnen erklären Rücktritt - "Sorry für 13 Jahre Lügen"
Der Versuch des iranischen Regimes, den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeuges auch mithilfe medialer Falschdarstellungen zu vertuschen, hat bei einigen Journalisten für Fassungslosigkeit gesorgt. Derzeit sind die Fake-News Anlass für Massenproteste.

Iran ist eines der Länder mit geringster Pressefreiheit. Symbolbild.
Foto: istock
Während die Proteste im Iran infolge der anfänglichen Vertuschungsversuche des Regimes nach dem – späteren Angaben zufolge unabsichtlichen – Abschusses eines ukrainischen Passagierflugzeuges mit 176 Menschen an Bord anhalten, haben mindestens drei iranische Journalistinnen staatlicher TV-Sender ihre Tätigkeit beendet. Dies berichtet „Fox News“. Eine davon habe eine öffentliche Erklärung abgegeben, in der sie die Zuschauer um Verzeihung bat für „die 13 Jahre, in denen ich Ihnen Lügen erzählt habe“.
Keiner der Passagiere oder Crewangehörigen des Flugs hatte überlebt, 82 Opfer waren iranische Staatsangehörige. Dies war offenbar der ausschlaggebende Moment für die TV-Nachrichtensprecherin Gelare Jabbari, um sich mittels eines mittlerweile offenbar gelöschten Instagram-Beitrags an die Öffentlichkeit zu wenden.
„Es war für mich sehr schwer zu glauben, dass unsere Leute getötet wurden“, soll es laut „Guardian“ in der Nachricht geheißen haben. „Verzeihen Sie mir, dass ich das erst spät erfahren habe. Und verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen 13 Jahre lang Lügen erzählt habe.“
Sprecherin wirft nach 21 Jahren hin
Auch zwei weitere Sprecherinnen des Senders Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) verabschiedeten sich mit Botschaften von ihren Zuschauern. „Danke, dass Sie mich bis heute als Ihre Sprecherin akzeptiert haben“, schrieb Zahra Khatami. „Ich werde nie mehr auf Sendung gehen. Verzeihen Sie mir.“
Ihre Kollegin Saba Rad tat es ihr gleich und erklärte:
„Danke, dass Sie mich in all den Jahren meiner Karriere unterstützt haben. Ich erkläre nach 21 Jahren, in denen ich im Radio und TV gearbeitet habe, dass ich meine Arbeit in den Medien nicht länger fortsetzen kann. Ich kann es einfach nicht.“
Die Rücktrittserklärungen ereigneten sich im Schatten neuerlicher regimekritischer Proteste am Montag (13.1.). Demonstranten forderten den Rücktritt der Regierungsspitze, nachdem das Regime anfänglich die Verantwortung für den Abschuss der ukrainischen Maschine geleugnet hatte. Später sah sich die Führung gezwungen, einzuräumen, dass das Flugzeug getroffen wurde, als das Regime – in Vergeltung für die Ausschaltung des Kommandanten der Quds-Brigaden, Qassem Soleimani – Raketen auf Militärbasen im Irak abgefeuert hatte, auf denen US-Soldaten stationiert sind.
„Die Revolutionsgarden haben es verbockt“
Das Vertrauen der Bürger in die Medien, die einer engmaschigen Kontrolle durch das Regime unterliegen, galt bereits vor dem Abschuss der Passagiermaschine als angeschlagen. Dass die Führung von Beginn an mit aller Härte gegen die Proteste vorging, während die staatlichen Sender darüber entweder gar nicht oder tendenziös berichteten, habe die Entfremdung weiter vergrößert. Die in Teheran ansässige „Iranische Journalistenvereinigung“ spricht von einem „Begräbnis für das öffentliche Vertrauen“.
Sogar der Kommentator des regimetreuen Propagandasenders „Press TV“, Ghanbar Naderi, zeigt sich gegenüber BBC Radio Today fassungslos darüber, wie die mediale Aufarbeitung des Abschusses der ukrainischen Maschine im Iran die Einheit untergrub, die sich in den Aufmärschen mit Millionen Teilnehmern nach der Liquidation von Soleimani offenbart habe:
„Es war ein seltener Moment der Einheit und die IRGC [Islamische Revolutionsgarden] haben es verbockt. Als Journalist muss man in der Lage sein, nachts zu schlafen. Ich werde mich nie von der Wahrheit distanzieren. Das ist eine große Nation. Sie hat aber viele Fehler gemacht, die nicht akzeptabel sind. Wenn die IRGC ein ziviles Flugzeug abschießen, habe ich keine Wahl, als das zu verurteilen.“
Iran unter den Ländern mit geringster Pressefreiheit
Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ stuft den Iran als eine weltweit der unwirtlichsten Gegenden für Journalisten ein. Die staatliche Kontrolle der Medien sei „uneingeschränkt“ und seit dem Jahr der „Islamischen Revolution“ 1979 seien mindestens 860 Journalisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt oder exekutiert worden. Vonseiten der Beobachtergruppe heißt es:
„Unabhängige Journalisten, Bürgerjournalisten und unabhängige Medien unterliegen permanent der Einschüchterung, willkürlichen Festnahmen und unfairen Verfahren vor sogenannten Revolutionsgerichten, die mit langen Gefängnisstrafen enden.“
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