Es geht um hohe Bestechungsgelder
Korruptionsskandal in der Ukraine: U-Haft für zwei Verdächtige - zwei Minister zurückgetreten
Die Ukraine wird von einem unter Präsident Selenskyj bisher beispiellosen Korruptionsskandal erschüttert. Es geht um Millionen, es gibt erste Festnahmen. Nun erreicht der Skandal die Regierung.

Die ukrainische Energieministerin Svitlana Grynchuk während einer Pressekonferenz am 10.11.2025.
Foto: Genya Savilov/afp/Getty Images
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In einem großen Korruptionsskandal in der Ukraine mit Spuren bis ins Umfeld von Präsident Wolodymyr Selenskyj haben Gerichte U-Haft gegen erste Beschuldigte verhängt.
Ein Verdächtiger muss bis zum 8. Januar in Untersuchungshaft bleiben, falls er nicht eine Kaution von 95 Millionen Hrywnja (1,94 Millionen Euro) hinterlegt. Das berichtete der öffentliche Rundfunksender „Suspilne“ aus dem Gerichtssaal in Kiew.
Der Mann soll in das Verschleiern hoher Schmiergeldsummen aus dem staatlichen ukrainischen Atomkonzern Energoatom verwickelt sein. Auch eine Frau muss für 60 Tage in U-Haft; die mögliche Kaution wurde auf 25 Millionen Hrywnja festgesetzt. Sie soll ebenfalls an der inoffiziellen Buchhaltung für die Gruppe korrupter Politiker und Beamter mitgewirkt haben.
Zwei Ministerrücktritte
Bis Mittwochabend erklärten unter dem Druck Selenskyjs Energieministerin Switlana Hryntschuk und ihr Vorgänger Herman Haluschtschenko, der zuletzt Justizminister war, ihren Rücktritt. Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko kündigte an, sie werde im Parlament die Entlassung der beiden beantragen.
Die Beschuldigten rund um Atomenergo sollen sich an öffentlichen Aufträgen zum Bau von Schutzvorrichtungen für Energieanlagen vor Luftangriffen bereichert haben. Dabei sollen sie von den Firmen jeweils 10 bis 15 Prozent der Auftragssumme als Bestechungsgeld gefordert haben.
Ukrainische Anti-Korruptions-Ermittler gehen davon aus, dass umgerechnet mehr als 80 Millionen Euro kassiert wurden.
Justizminister Haluschtschenko ist einer von mehreren Verdächtigen in dem bisher unter Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj beispiellosen Korruptionsskandal. Am Vortag hatte es bei Haluschtschenko Durchsuchungen gegeben. Er weist die Vorwürfe gegen sich zurück. „Ich werde mich vor Gericht verteidigen“, kündigte Haluschtschenko an.

Herman Haluschtschenko ist nach Angaben von Regierungschefin Julia Swyrydenko von seinen Aufgaben als Justizminister entbunden worden.
Foto: -/kyodo/dpa
Berlin erwartet Aufklärung der Vorwürfe
Die Bundesregierung erwartet von der Ukraine eine transparente Aufklärung der Korruptionsvorwürfe im ukrainischen Energiesektor. Auswirkungen auf die deutschen Hilfszahlungen an die Ukraine habe der Skandal derzeit aber nicht, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwoch in Berlin.
Die Korruptionsvorwürfe im ukrainischen Energiesektor seien Grund zur Sorge – insbesondere, weil der Energiesektor „beträchtliche Unterstützung aus Deutschland“ erhalte, sagte Kornelius.
Dem Bundeswirtschaftsministerium liegen laut einem Sprechers aber keine Erkenntnisse darüber vor, dass von den möglichen Korruptionsfällen auch Unterstützungsmittel aus Deutschland betroffen sein könnten. „Uns ist keinerlei Mittelfehlverwendungen bekannt“, sagte er.
Verdacht der Geldwäsche in Millionenhöhe
Am 11. November sprach das Antikorruptionsbüro von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Tags zuvor gab es Razzien im Energiesektor. Dem waren 15-monatige Ermittlungen vorausgegangen.
Im Zentrum der Ermittlungen steht Selenskyjs langjähriger Wegbegleiter Tymur Minditsch. Er habe nicht nur Einfluss auf Haluschtschenko ausgeübt, sondern auch auf Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow, wie Staatsanwalt Serhij Sawyzkyj Medienberichten zufolge sagte.
Umjerow räumte in einer Stellungnahme zwar Kontakte zu Minditsch ein, wies aber Korruptionsvorwürfe strikt zurück.
Haluschtschenko wird beschuldigt, „persönliche Vorteile“ von Minditsch erhalten zu haben – im Gegenzug für die Kontrolle über die Geldflüsse im Energiesektor.
Selenskyj-Vertrauter gilt als Hauptverdächtiger
Der Leiter des Nabu-Ermittlungsteams, Oleksander Abakumow, sagte am 11. November im staatlichen Fernsehen, dass Minditsch kurz zuvor das Land verlassen habe. Er ist Miteigentümer der Produktionsfirma Kwartal 95 – die Firma war von Selenskyj gegründet worden, der früher als Komiker und Schauspieler auftrat, bevor er für das Präsidentenamt kandidierte.
Dem Staatsanwalt zufolge übte Minditsch „Kontrolle über die Anhäufung, Verteilung und Legalisierung von Geldern aus, die durch kriminelle Handlungen im Energiesektor der Ukraine erlangt wurden“.
Erst im vergangenen Monat war der ehemalige Leiter des staatlichen Stromnetzes der Ukraine, Wolodymyr Kudrytskyj, wegen des Vorwurfs der Veruntreuung festgenommen worden.
Der inzwischen auf Kaution freigelassene Ex-Ukrenergo-Chef weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. „Das hätte nicht ohne Involvierung des Präsidentenbüros geschehen können“, sagte Kudrytsky der Nachrichtenagentur AFP.
Die ukrainische Führung stand bereits im Sommer in der Kritik, weil sie versuchte, den beiden Ermittlungseinheiten Nabu und Sapo die Unabhängigkeit zu entziehen.
Das Parlament hatte dazu ein Gesetz verabschiedet, das die beiden Antikorruptionsstellen der Generalstaatsanwaltschaft unterstellen sollte – nach heftigen Protesten in der Ukraine und seitens der Europäischen Union wurde dies rückgängig gemacht.
Energoatom sprach von einem „Vorfall“, der keinen Einfluss auf die finanzielle Stabilität des Unternehmens, die Stromproduktion und die Sicherheit der ukrainischen Kernkraftwerke habe.
Die Ukraine gilt trotz Reformen immer noch als einer der Staaten in Europa mit der höchsten Korruptionsanfälligkeit. (dpa/afp/ks)
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