Militärputsch in Niger: Soldaten erklären Übernahme der Regierung

Nachdem das Militär Nigers Präsidenten stundenlang in seinem Palast festgehalten hat, verkünden die Soldaten am späten Abend des 26. Juli die Machtübernahme. Noch im April hatte Verteidigungsminister Pistorius das Land als „Damm gegen den Terrorismus“ bezeichnet.
Oberstmajor Amadou Abdramane (vorne, M) gibt eine Erklärung ab.
Oberstmajor Amadou Abdramane (M.), Sprecher des Nationalen Komitees zur Rettung des Volkes, gab am 26. Juli 2023 die im Fernsehen übertragene Erklärung zur Machtübernahme ab.Foto: Uncredited/ORTN/AP/dpa
Epoch Times27. Juli 2023

Im westafrikanischen Niger haben Angehörige des Militärs geputscht und den Präsidenten Mohamed Bazoum (63) festgesetzt. In einer am Mittwochabend im Fernsehen von Oberst Amadou Abdramane verlesenen Erklärung hieß es, die „Verteidigungs- und Sicherheitskräfte“ hätten „entschieden, dem Regime […] ein Ende zu setzen“. Mehrere Länder und internationale Organisationen verurteilten den Putschversuch und forderten die Freilassung Bazoums.

„Alle Institutionen“ des Landes würden „bis auf Weiteres“ außer Kraft gesetzt, die Grenzen geschlossen und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, verkündete Abdramane im Beisein neun weiterer uniformierter Militärs.

„Schutz des Vaterlandes“

Als Grund für den Staatsstreich führten sie – im Namen eines „Nationalen Rats für den Schutz des Vaterlandes“ (CNSP) – die Verschlechterung der Sicherheitssituation, die schwache Wirtschaft und die Regierungsführung Bazoums an.

Zuvor hatte die Präsidentengarde den Staatschef in seinem Amtssitz in der Hauptstadt Niamey festgesetzt. Aus dem Umfeld Bazoums hieß es, der Staatsstreich sei „zum Scheitern verurteilt“.

Im Zentrum der Hauptstadt Niamey versammelten sich nach Angaben von Journalisten Demonstranten, die dem Staatschef ihre Unterstützung ausdrücken wollten. Einige versuchten zum Amtssitz des Präsidenten zu gelangen und wurden von der Präsidentengarde mit Warnschüssen vertrieben, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP.

Bundeswehrsoldaten in Sicherheit

Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten waren laut dem deutschen Verteidigungsministerium in Sicherheit. „Wir haben die Rückmeldung, dass unsere Soldaten in Sicherheit sind – das ist uns das Wichtigste“, sagte ein Sprecher.

Der Bundestag hatte im Mai das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM Niger erteilt. Aktuell sind daran laut Verteidigungsministerium etwa ein Dutzend Bundeswehr-Soldaten beteiligt.

Zudem unterhält die Bundeswehr auf dem Flughafen von Niamey seit zehn Jahren ein Logistik-Drehkreuz für den UN-Blauhelmeinsatz im benachbarten Mali. Dafür sind aktuell nach Ministeriumsangaben „um die hundert“ deutsche Soldaten vor Ort.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte bei einem Besuch in Niger im April bekräftigt, dass dort „der Schwerpunkt unseres zukünftigen militärischen Engagements im Sahel“ liegen werde und das Land als „Damm gegen den Terrorismus“ bezeichnet.

Verhandlungen mit den Meuterern

Den Informationen der EU zufolge liefen am Mittwochabend Verhandlungen mit den Meuterern. Zudem sollte nach Gesprächen mit anderen Staatschefs der Region eine Delegation aus Nigeria im Niger eintreffen.

Nach Angaben von EU-Diplomaten haben Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel gestern zweimal mit dem arrestierten Präsidenten Bazoum gesprochen. Er befand sich zu jener Zeit mit seiner Familie in seiner Residenz. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach mit Bazoum, wie ein Sprecher mitteilte. Er habe seine volle Unterstützung und Solidarität zum Ausdruck gebracht.

Ein Umsturz hätte weitreichende Folgen. Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt.

Der Niger war nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde – und damit ein wichtiger Partner der USA und der EU im Kampf gegen wachsende Instabilität in der Region.

Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen.

USA und Europa verurteilen Putschversuch

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den „unkonstitionellen Regierungswechsel“ scharf. Der Generalsekretär sei „zutiefst verstört“ über den Arrest von Präsident Bazoum, erklärte Guterres‘ Sprecher Stephane Dujarric.

US-Außenminister Antony Blinken verurteilte den Putschversuch und forderte die „sofortige Freilassung“ des Staatschefs. Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) verurteilte den Putschversuch und forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Bazoums.

Die Europäische Union teile die Einschätzung der Ecowas, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Onlinenetzwerk Twitter, das in „X“ umbenannt wurde, erklärte. „Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen.“

Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, warf der Präsidentengarde vor, „in völligem Verrat an ihrer republikanischen Pflicht“ zu handeln.

Die französische Außenministerin Catherine Colonna erklärte, Frankreich verurteile „alle Versuche, Macht mit Gewalt zu ergreifen“.

Die Sahelzone in Afrika. Foto: iStock/Bearbeitung Epoch Times

Teilweise Reisewarnung des Auswärtigen Amtes

Das Auswärtige Amt mahnte in einer Teilreisewarnung, vor allem in Niamey „besonders vorsichtig“ zu sein und Bewegungen im Stadtgebiet zu vermeiden.

Der westafrikanische Binnenstaat Niger hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich.

Bazoum war vor zwei Jahren beim ersten friedlichen Machtwechsel des Landes seit der Unabhängigkeit ins Amt gewählt worden.

Niger liegt im Herzen der Sahelzone in Westafrika und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die zur Flucht von Hunderttausenden führte. Der Niger ist einer der letzten Verbündeten des Westens in der Sahelregion. Die Nachbarn Mali und Burkina Faso haben sich anderen Partnern zugewandt, darunter Russland. (dpa/afp/il)



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