Reaktion auf Trumps Kritik
Oberster Richter weist Trumps Forderungen nach Amtsenthebungen zurück
Der Oberste Richter der USA, John Roberts, betonte die Unabhängigkeit der Justiz von der Regierung. Bei Unzufriedenheit mit richterlichen Entscheidungen gebe es andere Wege als ein Amtsenthebungsverfahren.

John Roberts ist Oberster Richter der Vereinigten Staaten von Amerika.
Foto: Jacquelyn Martin Pool/Getty Images
Der Oberste Richter der Vereinigten Staaten, John Roberts, betonte bei einem Besuch seiner Heimatstadt Buffalo im Bundesstaat New York die Unabhängigkeit der Justiz gegenüber den Regierenden. Der 70-jährige Roberts bekleidet den Posten seit September 2005 und ist Leiter der Bundesgerichte und Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten.
Justiz muss „Auswüchse“ des Kongresses kontrollieren
Roberts betonte das in einem Gespräch mit US-Bezirksrichter Lawrence Vilardo anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Bundesbezirksgerichts im Westen New Yorks. Die richterliche Unabhängigkeit ist „die einzige wirkliche politikwissenschaftliche Innovation in unserer Verfassung“, sagte Roberts.
In Ländern wie England, wo das Parlament seit 800 Jahren bestehe, sei die Justiz nicht unabhängig, da sie Teil des Parlaments sei. Die Richter „saßen im House of Lords, weil das Parlament die Oberhoheit hatte“, führte er aus. „Aber in unserer Verfassung […] ist die Justiz ein gleichberechtigter Zweig der Regierung. Sie ist getrennt von den anderen, mit der Befugnis, die Verfassung als Gesetz auszulegen und […] Handlungen des Kongresses oder des Präsidenten aufzuheben.“
Es sei die Aufgabe der Justiz, die „Auswüchse des Kongresses oder der Exekutive zu kontrollieren“. Das erfordere allerdings ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, hob der Oberste Richter unter dem Beifall des Publikums hervor.
Roberts, der 2005 unter Präsident George W. Bush Oberster Richter wurde, reagierte damit auf Äußerungen von Präsident Donald Trump, von Mitgliedern seiner Regierung und Republikanern im Kongress. Diese hatten wiederholt Gerichtsentscheidungen kritisiert, die die Vorhaben der Regierung blockiert oder verzögert hatten. Der Oberste Richter nannte aber weder Trump noch andere Funktionäre und Amtsträger, die die richterlichen Entscheidungen kritisiert hatten, namentlich.
Roberts’ jüngste Äußerungen knüpften auch an seine öffentliche Erklärung vom 18. März an, in der er auf Trumps Forderung reagierte, einen Bundesrichter seines Amts zu entheben, der die Abschiebung von Mitgliedern einer venezolanischen Bande trotz eines Präsidentenerlasses blockiert hatte. „Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist es klar, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf eine Meinungsverschiedenheit über eine richterliche Entscheidung ist“, sagte Roberts damals in einer Erklärung, die der Epoch Times vorliegt.
Gelegentliche Aufhebung von Präzedenzfällen
Der 70-Jährige bekräftigte seine Aussage nun bei der Versammlung in Buffalo: „Ein Amtsenthebungsverfahren ist nicht das Mittel, mit dem man seine Unzufriedenheit mit [richterlichen] Entscheidungen kundtut.“ „Zu diesem Zweck gibt es das normale Berufungsverfahren.“
Bezirksrichter Vilardo führte an, dass der Oberste Gerichtshof derzeit häufig kritisiert werde, weil er seine eigenen Präzedenzfälle aufhebe. Dazu nannte er Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, etwa eine Regelung zur Abtreibung, die der Gerichtshof an die Staaten zurückgab.
Roberts reagierte gelassen: Zu diesem Thema gebe es „eine Menge Missverständnisse“. Während seiner Amtszeit habe es einen Rückgang auf durchschnittlich 1,6 aufgehobener Entscheidungen pro Jahr gegeben. Dies sei der niedrigste Stand seit den 1950er-Jahren.
Trumps Kritik an Richtern ein Angriff auf die Demokratie?
Vilardo fügte hinzu, dass viele Entscheidungen während Roberts’ Amtszeit „Konsequenzen für das wirkliche Leben“ gehabt haben. Sein Rechtsspruch zum zweiten Verfassungszusatz habe etwa „dazu geführt, dass mehr Menschen Waffen besitzen“. Eine weitere Entscheidung des früheren Präsidenten Barack Obama („Obamacare“) „hat dazu geführt, dass mehr Menschen eine Krankenversicherung haben“. Auch gehe es auf Roberts zurück, dass „mehr gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen werden“.
„Denken Sie an diese praktischen Konsequenzen, wenn Sie die Verfassung auslegen? Und sollten Richter an diese praktischen Konsequenzen denken, wenn sie den Wortlaut der Verfassung auslegen?“, fragte der Richter.
Roberts verneinte beide Fragen, denn wenn man das tue, „versetzt man sich irgendwie in die Lage des Gesetzgebers“. Natürlich könne man darüber diskutieren, dass die Entscheidung zum zweiten Verfassungszusatz dazu geführt habe, dass mehr Menschen Waffen besitzen und es mehr Schießereien gibt. Es wäre aber auch ein Argument zu sagen, dass die Amerikaner für eine ausländische Invasion besser gewappnet wären. In dem Zusammenhang erinnerte der Oberste Richter an den Krieg zwischen Großbritannien und die Vereinigten Staaten (1812–1815).
Wenn es um die Entscheidung über Fälle gehe, müsse man sich hinsetzen und die Verfassung aufmerksam und „in ihrem angemessenen Kontext lesen, um herauszufinden, was gemeint ist“.
Auch Ketanji Brown Jackson, Richterin am Obersten Gerichtshof, hatte die jüngste Kritik an Richtern als einen „Angriff auf unsere Demokratie“ bezeichnet. Bei einer Justizkonferenz erwähnte sie Trumps Namen nicht und sprach stattdessen lediglich von „dem Elefanten im Raum“.
„Die Angriffe sind nicht zufällig. Sie scheinen darauf abzuzielen, diejenigen von uns einzuschüchtern, die in dieser wichtigen Funktion tätig sind“, so Jackson. „Die Drohungen und Schikanen sind Angriffe auf unsere Demokratie, auf unser Regierungssystem. Und sie bergen die Gefahr, dass unsere Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit untergraben werden.“ Jackson ist seit Juni 2022 am Obersten Gerichtshof und wurde von Trumps Vorgänger Joe Biden nominiert.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Judicial Independence Is Key to Checking Congress and the President: Chief Justice Roberts“. (deutsche Bearbeitung os)

Matthew Vadum ist ein preisgekrönter Investigativjournalist.
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