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Politiker, Grenzgänger, Papst der Armen

Papst Franziskus gestorben: Ein Pontifikat zwischen Reformwillen und Widerständen

Auch als Papst blieb Franziskus ein Mann des Volkes. Viele Dinge machte er anders als die Vorgänger. Nun ist er mit 88 Jahren gestorben und hinterlässt ein Erbe einiger umstrittener Reformversuche.

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Papst Franziskus ist tot. (Archivbild)

Foto: Michael Kappeler/dpa

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Lesedauer: 11 Min.

Papst Franziskus ist am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben. „Heute Morgen um 7:35 Uhr ist der Bischof von Rom, Franziskus, ins Haus des Vaters zurückgekehrt“, verkündete Kardinal Kevin Farrell in einer vom Vatikan auf dessen Telegram-Kanal veröffentlichten Erklärung.
Franziskus war im Februar wegen einer beidseitigen Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden, am Sonntag hatte er noch an der Ostermesse im Vatikan teilgenommen und den US-Vizepräsident JD Vance empfangen.
Am Ostermontag spendete er, sehr geschwächt bereits, vor Zehntausenden Gläubigen den Segen Urbi et Orbi. Das war das letzte Mal, dass man ihn zu Gesicht bekam. Er wurde nicht so alt wie sein Vorgänger Benedikt XVI, aber so alt wie kein anderer amtierender Papst seit mehr als einem Jahrhundert.

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Ein besonderer Papst

Der Tag, der im Leben von Jorge Mario Bergoglio alles veränderte und in der römisch-katholischen Kirche so manches auch, war der 13. März 2013. Morgens war er noch Erzbischof von Buenos Aires. Am Abend war er Papst. Er war der erste, der sich den Namen Franziskus gab – als Reminiszenz an Franz von Assisi, den Gründer des Bettelordens der Franziskaner.
Auch sonst hatte der Pontifex, der am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires in eine italienische Einwandererfamilie hineingeboren wurde, eine ganze Reihe von Alleinstellungsmerkmalen. Franziskus war der allererste Papst aus Lateinamerika und nach mehr als einem Jahrtausend der erste, der nicht aus Europa kam. Er war der erste Jesuit in diesem Amt. Er war aber auch der erste Papst, der am G7-Gipfel teilnahm. Außerdem widmete er als erster Papst eine Enzyklika – ein päpstliches Lehrschreiben – vollständig dem Thema Glauben und Klimawandel.
Franziskus war das, was man in der Kirche einen „Spätberufenen“ nannte. Zunächst lernte er Chemietechniker, erst dann ging er aufs Priesterseminar, studierte Philosophie und Theologie. Zum Priester wurde er kurz vor seinem 33. Geburtstag geweiht. Seine erste Zeit im Kirchendienst waren die schlimmsten Jahre der argentinischen Militärdiktatur. Von damals stammen Vorwürfe, er habe sich zu sehr mit dem Regime eingelassen. Franziskus wies dies stets zurück.

Eine schwierige Zeit in Deutschland

Mitte der 1980er Jahre wohnte er einige Monate in Boppard am Rhein, bei einer Familie Schmidt. Am Goethe-Institut lernte er Deutsch. Zudem schrieb er an einer Doktorarbeit über den Theologen Romano Guardini, die er aber nie zu Ende brachte. Auch sonst war die deutsche Zeit für ihn keine gute.
Später sprach er davon, dass er sich „völlig fehl am Platz“ gefühlt habe und viel auf Friedhöfen spazieren gegangen sei. Als Argentinien 1986 gegen Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, verzichtete er darauf, sich das Finale im Fernsehen anzuschauen. Lieber ging er an den Rhein. „Mir war es wichtiger, einen Augenblick der Ruhe zu genießen, über mein Leben nachzudenken und den Rosenkranz zu beten.“
Zurück zu Hause wurde er 1992 zum Bischof geweiht, 1998 zum Erzbischof von Buenos Aires. 2001 machte ihn Papst Johannes Paul II. zum Kardinal. Schon bald galt er als „papabile“, als Kandidat fürs allerhöchste Amt. 2005 unterlag er im Konklave noch deutlich gegen Ratzinger. Als er acht Jahre später doch gewählt wurde, witzelte er über seine Herkunft vom anderen „Ende der Welt“. Darin steckte aber auch Programm.

Ein Papst als Grenzgänger

Diesen Papst zog es an Grenzen, geografisch und gesellschaftlich. Die allererste Reise führte ihn auf die Mittelmeerinsel Lampedusa, Schicksalsort Zehntausender Flüchtlinge aus Afrika. Von der griechischen Insel Lesbos nahm er zwölf Flüchtlinge aus Syrien mit nach Rom. In Mosambik spendete er Aids-Kranken Trost. Er flog nach Myanmar, wo Hunderttausende Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya aus dem Land getrieben wurden.
In Abu Dhabi unterzeichnete er eine Erklärung über die „Brüderlichkeit aller Menschen“ über alle Religionen hinweg. Der Kernsatz: „Der Pluralismus und die Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache entsprechen einem weisen Willen, mit dem Gott die Menschen erschaffen hat.“ Seine letzte große Reise, die längste auch, führte ihn im Herbst 2024 bis nach Papua-Neuguinea, einem der ärmsten Länder der Welt.
Dass Franziskus in seiner Zeit als Papst nie nach Deutschland kam, lässt sich vielleicht mit seinem Scheitern in den 1980ern erklären. Dass er in mehr als zehn Jahren nie in seine Heimat fuhr, blieb jedoch für viele ein Rätsel. Vor allem in den letzten Monaten, als es ihm zusehends schlechter ging, wurde über eine baldige Reise nach Argentinien spekuliert. Der jetzige Präsident Javier Milei sprach zwar eine Einladung aus, obwohl er ihn früher als Kommunisten bezeichnet hatte. Daraus wurde aber nichts mehr.

Marxismus-Vorwürfe: Papst verteidigte sich

Franziskus war ein sehr politischer Papst, weit über die amtsüblichen Mahnungen zum Frieden hinaus. Einer seiner Leitsätze: „Es wird nie einen wahren Frieden geben, wenn wir nicht in der Lage sind, ein gerechteres Wirtschaftssystem aufzubauen.“ Manche Kritiker warfen ihm vor, marxistisches Gedankengut zu vertreten.
Gegen diese Vorwürfe wehrte sich Franziskus. In einem Interview sagte er: „Wenn ich das Evangelium rein soziologisch betrachte, ja, dann bin ich Kommunist, und Jesus ist es auch. Hinter diesen Seligpreisungen und Matthäus 25 verbirgt sich eine Botschaft Jesu, nämlich Christsein. Die Kommunisten haben einige unserer christlichen Werte gestohlen.“
Für ihn hätten Christen, Sozialisten, Marxisten und Kommunisten einen gemeinsamen Auftrag. Sie sollten sich für eine bessere Welt einsetzen, in der Ideale wie Freiheit, Gleichheit, Würde und Brüderlichkeit zentrale Werte seien. Papst Franziskus forderte, dass Systeme der Ungleichheit grundlegend überdacht werden müssen. Dazu gehöre auch ein „radikaler Perspektivwechsel bei der Aufteilung von Herausforderungen und Ressourcen zwischen Menschen und Völkern“.

Politiker auf dem Stuhl Petri

Franziskus wandte sich auch mit Reden an die Europäische Union, das Weltwirtschaftsforum sowie an die G7- und G20-Gipfel. Dabei sprach er Themen wie Migration, Umweltschutz und Künstliche Intelligenz an. Zudem veranstaltete er einen eigenen Klimagipfel und engagierte sich diplomatisch – etwa in den Gesprächen zwischen den USA und Kuba.
Die Ermordung von Armeniern im Osmanischen Reich nannte er Völkermord, was ihm Ärger mit der Türkei einbrachte. Auch den Vereinten Nationen redete er ins Gewissen. Immer wieder versuchte Franziskus, in Kriegen und Bürgerkriegen zu vermitteln: manchmal mit Erfolg wie in Kolumbien, aber meist bekam er die Grenzen der vatikanischen Diplomatie aufgezeigt. Als er den Ukrainern im Frühjahr 2024 nahelegte, vor Russlands Truppen die weiße Fahne zu hissen, schüttelten viele den Kopf.
Auch sein Abkommen mit der Kommunistischen Partei Chinas stieß auf Kritik. Es erlaubt der chinesischen Regierung mitzubestimmen, wer in China zum Bischof ernannt wird – ein deutlicher Gegensatz zur Haltung seines Vorgängers Papst Johannes Paul II., der die Kirche als Bollwerk gegen den atheistischen Kommunismus verstand, besonders in Europa.

Krisen und Konflikte in der Kirche

Franziskus hatte aber auch mit Krisen und Konflikten in der Kirche zu tun. Bei seiner Wahl waren die Missbrauchsskandale in vielen Bistümern, über Jahrzehnte hinweg vertuscht, ein großes Thema.
Er baute die innerkirchlichen Strukturen um, holte Frauen in die Leitungsebene und verordnete dem Vatikan mehr Transparenz bei Finanzgeschäften. Viele in der Kurie verloren an Macht.
Kritik gab es auch für seine Einschränkungen der traditionellen lateinischen Messe, die vor allem unter jungen konservativen Gläubigen wieder an Beliebtheit gewonnen hatte. Er stellte sich damit bewusst gegen das, was er als „Rückschrittlichkeit“ empfand.

Franziskus betonte aber immer auch, dass bestimmte Grundsätze der Kirche unveränderbar seien: etwa die Bedeutung der Sakramente, die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau, das ausschließlich männliche Priestertum und die Pflicht der Katholiken, sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einzusetzen.

Mit dem Tod von Franziskus hat die sogenannte Sedisvakanz nun begonnen, das bedeutet leerer Stuhl. Das Konklave beginnt 15 bis 20 Tage nach Eintritt der Sedisvakanz mit einer Messe im Petersdom. Anschließend ziehen die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle. Wahlberechtigt im Konklave sind 135 Kardinäle. Es gibt weitere 117 wegen ihres Alters nicht wahlberechtigte Kardinäle – sie sind über 80 Jahre alt.
Mit seinen Personalentscheidungen nahm Franziskus im Laufe der Jahre großen Einfluss auf das Gremium der Kardinäle, die nun den nächsten Papst wählen werden. Bei Neuernennungen ignorierte er vielfach Bischöfe aus früheren Machtzentren der Kirche in Europa. Lieber berief er Geistliche aus weit entfernten Regionen. Manche sagen: vom anderen Ende der Welt. (dpa/afp/Red)

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