Putin-Gegner Nawalny ein Jahr in Haft: Der Kampf geht weiter

Der bei einem Nervengift-Anschlag fast getötete Kremlkritiker Nawalny kehrte vor einem Jahr nach Russland zurück und landete prompt in Haft. Im Straflager kämpft er weiter gegen das "korrupte Regime".
Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, ist während einer Gerichtsverhandlung per Video aus einem Gefängnis zugeschaltet.
Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, ist während einer Gerichtsverhandlung per Video aus einem Gefängnis zugeschaltet.Foto: Evgeny Feldman/Meduza/AP/dpa
Epoch Times17. Januar 2022

Alexej Nawalny zeigt sich auch ein Jahr nach seiner vom Westen scharf verurteilten Festnahme auf einem Moskauer Flughafen ungebrochen und kämpferisch.

Bei Instagram kommuniziert der bekannteste Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus dem Straflager – über Botschaften, die er Anwälten und Besuchern mitgibt – mit der Außenwelt. So lästert der 45-Jährige etwa über Moskaus Forderungen an die Nato, sie möge ihre Osterweiterung einstellen und abrüsten, weil sich Russland in seiner Sicherheit bedroht sehe. Dabei würden sich doch gerade die Propagandisten des Kreml selbst ein schönes Leben machen in den Nato-Mitgliedsstaaten.

Nawalny kritisiert die „Doppelzüngigkeit“ russischer Politiker und Meinungsmacher, die zuhause Patriotismus predigten. In Wahrheit seien sie korrupt und bereicherten sich. Sie nutzen demnach Bankkonten und kaufen Grundstücke im Westen, lassen ihre Kinder dort ausbilden und genießen insgesamt liberale Gesellschaften in vollen Zügen, während sie in der Heimat Freiheiten zunehmend einschränkten. Seit langem fordern der Oppositionelle und seine inzwischen im Ausland aktiven Mitstreiter vom Westen, gegen diese Russen Sanktionen zu verhängen – auch gegen die Oligarchen, die das „System Putin“ stützten.

Beispiellose Repressionswelle

Aus dem Straflager musste Nawalny zusehen, wie seine über Jahre aufgebaute Anti-Korruptions-Organisation in einer beispiellosen Repressionswelle von den russischen Behörden zerschlagen wurde. Die Internetseiten Nawalnys sind in Russland blockiert. Seine Mitstreiter von einst werden vom Kreml als „Extremisten“ und „Terroristen“ gebrandmarkt.

Auch Putin behauptete erst unlängst wieder, diese Kräfte versuchten, Russland von innen zu zersetzen. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch meinte dazu, dass Putin selbst das Land zerstöre – durch sein „korruptes Regime“ und Machtmissbrauch. Sie bezeichnete den Kremlchef zudem als „Feigling“ und „Mörder“.

Putin nutzte seinen Auftritt bei der Jahrespressekonferenz im Dezember auch dazu, um einmal mehr Vorwürfe wegzuwischen, er habe seinen schärfsten Widersacher im August 2020 vergiften lassen. Der Westen habe bisher keinen Beleg für dessen „angebliche Vergiftung“ mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vorgelegt. „Nichts. Null“, sagte Putin, der Nawalny nie beim Namen nennt. Mehrere Labors, darunter eins der Bundeswehr, hatten nach offiziellen Angaben die Vergiftung allerdings nachgewiesen.

Anders als Nawalny haben zahlreiche Kritiker Putins Attentate nicht überlebt. Der Oppositionsführer wirft einem unter Putins Befehl agierenden Kommando des Inlandsgeheimdienstes FSB vor, ihm das Gift im August 2020 bei einem Aufenthalt in Sibirien verabreicht zu haben. Nawalny brach damals im Flugzeug zusammen. Der Pilot brachte die Maschine in Omsk auf den Boden. Dort wurde der prominente Oppositionelle von Rettungskräften und in einer Klinik behandelt, bevor eine Sondermaschine aus Deutschland ihn abholte. Sie brachte ihn nach Berlin zur rettenden Behandlung in die Charité.

Russland unbeeindruckt von Sanktionen

Nawalny machte die Namen der mutmaßlichen FSB-Attentäter öffentlich, recherchierte mit Hilfe von Investigativjournalisten selbst das Verbrechen. Das russische Justiz hingegen lehnt es bis heute ab, ein Ermittlungsverfahren in dem Fall einzuleiten. Auch Sanktionen des Westens beeindrucken Russland nicht. Dabei hatte die Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Nawalny auch in der Charité besuchte, stets betont, dass sie Russland in der Verantwortung sehe, den Mordanschlag aufzuklären.

Auch für die neue Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dürfte der Fall Nawalny an diesem Dienstag bei ihrem ersten persönlichen Treffen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau ein Thema sein. Ihr Besuch fällt just mit dem Jahrestag von Nawalnys Rückkehr und mit seiner Festnahme zusammen. Gehen dürfte es dabei auch um die international weiter lauten Forderungen nach der Freilassung des politischen Gefangenen. „Freiheit für Nawalny“, forderte zum Jahrestag auch Finanzminister Christian Lindner. „Er ist ein unbeugsamer Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, schrieb der FDP-Politiker bei Twitter.

Die Bilder von Nawalnys Festnahme auf einem Moskauer Flughafen gingen vor einem Jahr, am 17. Januar, um die Welt. Die Maschine war im Landeanflug, als russische Behörden sie angesichts von Tausenden Anhängern des Putin-Gegners in Moskau auf einen anderen Hauptstadt-Airport umleiten ließen, um Nawalny keine Bühne zu geben. Dass der Politiker dann mehrere Jahre in Haft kam, weil er Meldeauflagen in einem anderen Strafverfahren nicht erfüllt haben soll, ist international als politisch motivierte Justizwillkür verurteilt worden.

Menschenrechtspreis für Nawalny

Im ersten Jahr seiner Haft hat Nawalny mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den nach dem russischen Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow benannten Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments. Aus der Haft in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau heraus hat er zudem auf Folter und andere Missstände im Straflager-System hingewiesen. Der Familienvater beschreibt bei Instagram auch seine Gefangenenarbeit in einer Nähwerkstatt.

Und gerade erst bedankte er sich dafür, dass der US-Sender CNN bald den Doku-Thriller „Nawalny“ des Filmemachers Daniel Roher ausstrahlen wolle. Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow meinte dazu: „Und Putin wird dann sehr bereuen, dass er vor anderthalb Jahren den Befehl zur Vergiftung Nawalnys und vor einem Jahr den Befehl zu seiner Inhaftierung gegeben hat.“ Ein Millionenpublikum werde den Streifen sehen. Ein Sendedatum gibt es aber noch nicht. (dpa/oz)



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