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plus-iconTausende Kinder auch aus China

Schwedische Ministerin zu Regierungsbericht über „gestohlene“ Adoptivkinder

Es kommt dem Kinderhandel gleich, was eine Regierungskommission in Schweden bei der Untersuchung internationaler Adoptionen in dem skandinavischen Land herausfand. Doch nicht nur Schweden hat solche Probleme.

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Kindergartengruppe in Stockholm, Schweden. (Symbolbild)

Foto: iStock/Alexander Farnsworth

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Lesedauer: 8 Min.

In Schweden findet gerade ein Umdenken statt, wenn es um die Praxis der internationalen Adoptionen geht. Eine Regierungsstudie legt nahe, diese komplett einzustellen. Der Grund: Über Jahrzehnte hinweg soll es illegale Adoptionen im Stil von Kinderhandel gegeben haben und schwedischen Behörden und Adoptionsagenturen werden Versäumnisse vorgeworfen.

Sozialministerin spricht von „erschreckenden Fällen“

Eine Untersuchung der schwedischen Regierung sollte Klarheit bringen. Der Abschlussbericht der 2021 begonnenen Untersuchung wurde am 2. Juni veröffentlicht.
Auf einer Pressekonferenz am selben Tag in Stockholm bestätigte die schwedische Sozialministerin Camilla Waltersson Grönvall gegenüber der schwedischsprachigen Epoch Times:
„[Es gibt] erschreckende Fälle von unzureichenden Hintergrundinformationen und sogar Kinder, die einfach ihren Eltern gestohlen wurden.“
Doch wie konnte es dazu kommen? Laut der Ministerin sei der Grund offenbar das „überzogene Vertrauen in die Regierungen der Herkunftsländer der nach Schweden adoptierten Kinder“. Doch es handele sich keineswegs um bedauerliche Einzelfälle. Die Regierungskommission fand Fälle in allen Jahrzehnten zwischen den 1970er- und den 2000er-Jahren. Ein Land stach besonders hervor: China.

Die schwedische Ministerin für Soziales, Camilla Waltersson Grönvall, spricht während der Eröffnung der ersten globalen Ministerkonferenz zur Beendigung von Gewalt gegen Kinder am 7. November 2024 in Bogotá, Kolumbien.

Foto: Raul Arboleda/AFP via Getty Images

Chinas „verlassene“ Kinder

In dem Untersuchungsbericht wurde erklärt, dass schwedische Adoptionsorganisationen „große Risiken“ eingegangen seien, als sie in China tätig waren. China sei „über den gesamten Zeitraum hinweg ein geschlossenes Land mit sehr begrenzten Möglichkeiten zur Transparenz“ gewesen, hieß es.
Es sei schwierig bis unmöglich gewesen, zu beurteilen, ob die Adoptionen dort überhaupt im Interesse der Kinder gewesen seien. Alle adoptierten Kinder seien ausnahmslos als „verlassen“ beschrieben worden und ihnen fehlte jede Vorgeschichte. Insgesamt seien bis heute fast 4.300 Adoptionen aus China nach Schweden durchgeführt worden – 3.200 davon in den Jahren von 2000 bis 2010. Damit wurde der Einparteienstaat zum viertgrößten Herkunftsland für Adoptionen in dem skandinavischen Land.

Fehlende Transparenz – aber „Kopfgeld“ bis 5.000 US-Dollar

Interessanterweise ist China eines der wenigen Länder, die Adoption von Kleinkindern auch durch alleinstehende Adoptiveltern genehmigen.
Die schwedischen Adoptivfirmen hatten es dem Bericht nach allerdings versäumt, sicherzustellen, dass die Kinder über ordnungsgemäße Kanäle zur Adoption freigegeben wurden und dies im besten Interesse der Kinder war. In vielen Fällen hätten unterschriebene Dokumente der leiblichen Eltern gefehlt, auch wenn diese bekannt waren. Oft fehlten auch in den Akten kritische Details, um die Herkunft der Kinder zu verstehen.
Die schwedische Studie hat auch ergeben, dass möglicherweise es eine Rolle gespielt habe, dass die chinesischen Waisenhäuser von finanziellen Anreizen abhängig waren, da sie bis zu 5.000 US-Dollar pro für die internationale Adoption freigegebenen Kinder erhielten.

Kleine Kinder in China. (Symbolbild)

Foto: iStock/tunart

Nur wenige bestätigte Fälle von Kinderhandel

Zudem hatten Behörden in China – dem Bericht nach – bestätigt, dass in vier Fällen der Adoptionen nach Schweden eine Verbindung mit dem 2005 aufgedeckten „systematischen Kinderhandel in der Provinz Hunan“ bestanden habe. Doch möglicherweise war das nicht alles. Denn in dem Bericht heißt es weiter: „Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass weitere schwedische Adoptionen vom Kinderhandel in China betroffen sind.“
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der schwedische Staat darin versagt hatte, „die Rechte von Kindern im Rahmen von internationalen Adoptionen zu schützen“. Das Fazit: „Das bedeutet, dass der Staat Verantwortung für das Geschehene übernehmen und Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass es sich nicht wiederholt.“
Der Bericht empfiehlt zudem eine Entschuldigung der Behörden bei den adoptierten Personen und deren Familien und eine finanzielle Unterstützung, um in ihr Ursprungsland zu reisen.

Schweden: Rund 60.000 Adoptionen aus dem Ausland

Die Geschichte der internationalen Adoptionen nach Schweden begann in den 1950er-Jahren mit Kindern aus Südkorea. Später kamen Kinder auch aus Ländern wie China, Chile, Äthiopien, Indien, Sri Lanka und Thailand.
Der Höhepunkt dieser Welle war Mitte der 1970er- bis in die 1980er-Jahre – Anfang der 2000er-Jahre begannen die Zahlen dann stetig zu sinken. Laut Human Rights Watch beträgt die Gesamtzahl der nach Schweden adoptierten Kinder rund 60.000.
Doch die große Frage ist: Ging dabei alles mit rechten Dingen zu?

Menschen in Stockholm. (Symbolbild)

Foto: iStock/Alexander Shapovalovƒ

Gestohlene Kinder kamen auch in die Niederlande

Neben der Empfehlung in dem schwedischen Bericht, ganz auf Auslandsadoptionen zu verzichten, schieben auch andere europäische Länder den internationalen Adoptionen mittlerweile einen Riegel vor, wie die englischsprachige Epoch Times berichtet.
Die Niederlande kündigten im Dezember 2024 an, ihre internationalen Adoptionen in den nächsten sechs Jahren auslaufen zu lassen. Auch hier hatte ein offizieller Bericht zu einem Umdenken geführt. Die Untersuchung aus dem Jahr 2021 belegte bis zurück in die 1960er-Jahre, dass Kinder in vielen Fällen ihren leiblichen Eltern gestohlen oder abgekauft worden waren.

Schweiz beendet, Deutschland kontrolliert

Auch die Schweiz hegt inzwischen Bedenken gegen die Praktik und erklärte im Januar, diese für sich beenden zu wollen.
In Deutschland sind unbegleitete internationale Adoptionen seit 2021 durch eine Änderung des Adoptionshilfegesetzes verboten. Ausländische Adoptionen müssen ein spezielles Anerkennungsverfahren durchlaufen, um die Kinder zu schützen.

Adoptionskinderhandel schon lange ein Problem

Das Thema ist nicht ganz neu. Bereits 1996 veröffentlichte das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes eine Studie mit dem Namen „Ein Kind um jeden Preis? Eine Studie zum Adoptionskinderhandel“. Darin wurde die Problematik des Kinderhandels im Zusammenhang mit internationalen Adoptionen beleuchtet. Die Studie verwies auf rechtliche Grauzonen und unzureichende gesetzliche Regelungen. Im Nachwort hieß es unter anderem: „Wer das 1986 erschienene schockierende Buch Rolf P. Bachs ‚Gekaufte Kinder, Babyhandel mit der Dritten Welt‘ mit der vorliegenden Studie vergleicht, wird bald feststellen, wie wenig sich im zurückliegenden Jahrzehnt tatsächlich zum Guten geändert hat.“

Gesetzlicher Kinderraub in der DDR

Zu Zeiten der DDR gab es Zwangsadoption aus als politisch unzuverlässig geltenden Familien. Erst nach der Wiedervereinigung machte man sich an die Aufarbeitung dieser Geschehnisse im damaligen deutschen Nachbarstaat.
Eine entsprechende Studie zur Aufarbeitung durch das Deutsche Institut für Heimerziehungsforschung soll ab Jahresende 2025 verfügbar sein.
Steffen Munter – Journalist und Autor. Er schreibt mit gesundem Menschenverstand über deutsche und internationale Politik, China und gesellschaftliche Entwicklungen.

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