Selenskyj vor US-Kongress in Washington: „Euer Geld ist kein Almosen“

Bei seinem Besuch in Washington forderte der ukrainische Präsident Selenskyj erneut Geld und Waffen. Diese seien „eine Investition in globale Sicherheit“.
Selenskyj überreichte dem Kongress eine ukrainische Flagge, die von den Frontsoldaten in Bachmut signiert wurde.
Selenskyj überreichte dem Kongress eine ukrainische Flagge, die von den Frontsoldaten in Bachmut signiert wurde.Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa
Von 22. Dezember 2022

Bei seinem Besuch am Mittwoch (21.12.) in Washington hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem US-Kongress gesprochen. Dabei erneuerte er seine Forderung nach mehr Geld und Waffen für sein Land, das sich seit Februar im Krieg mit Russland befindet.

Es war die erste Auslandsreise Selenskyjs seit Beginn der russischen Militäroperation. Im Vorfeld hatte die Regierung Biden ein Militärhilfepaket für die Ukraine im Umfang von 1,8 Milliarden US-Dollar angekündigt. Erstmals sollte dieses auch ein „Patriot“-Luftabwehrsystem umfassen.

Der Kongress wird in dieser Woche auch über ein neues Ausgabenpaket für die Ukraine abstimmen. In diesem Omnibus-Gesetz, das Ausgaben in Höhe von rund 1,7 Billionen US-Dollar umfasst, sollen auch etwa 45 Milliarden US-Dollar für Kiew enthalten sein. Im Jahr 2022 haben die USA der Ukraine bislang Hilfsgelder in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt, davon 21,9 Milliarden für militärische Zwecke.

Selenskyj: Ukraine geht „in verantwortungsvollster Weise“ mit Zuwendungen um

Gut angelegtes Geld, findet Selenskyj. Er erklärte im Kongress, die Mittel aus den USA seien „kein Almosen, sondern eine Investition in globale Sicherheit und Demokratie“. Die Ukraine gehe mit ihnen „in verantwortungsvollster Weise um“. Aber die Abgeordneten könnten „unseren Sieg beschleunigen“. Es läge in ihrer Macht, all jene „zur Rechenschaft zu ziehen“, die „diesen unprovozierten und kriminellen Krieg“ begonnen hätten.

Der „Sieg über den Kreml auf dem Schlachtfeld“, der jenem „im Kampf um die Herzen der Welt“ folgen möge, könne „nicht eingefroren oder verschoben werden“, so Selenskyj. Das nächste Jahr werde „den Wendepunkt im Krieg“ markieren. Die Welt sei zu sehr miteinander verwoben und wechselseitig abhängig, um sich sicher fühlen zu können.

Russland habe zudem einen Verbündeten im Iran gefunden, dessen Drohnen „eine Bedrohung für unsere kritische Infrastruktur“ geworden seien. Die ukrainische Armee bleibe stark, auch wenn Russland ein „signifikantes Übergewicht“ in Bereichen wie Artillerie, Munition, Raketen und Flugzeuge aufweise.

Einige Abgeordnete quittieren Ausführungen mit Gelächter

Gelächter unter einigen Abgeordneten löste zum einen die Aussage Selenskyjs aus, die lautete:

Wir haben Artillerie. Ich danke Ihnen. Wir haben sie. Ist das genug? Ehrlich gesagt, nicht wirklich.“

Zum anderen löste der ukrainische Präsident eine ähnliche Reaktion aus, als er erklärte, die Ukraine habe „niemals amerikanische Soldaten gebeten, den Krieg gegen Russland zu führen“, und dass ukrainische Soldaten „amerikanische Panzer und Flugzeuge selbst richtig bedienen können“.

Zum Abschluss seiner Rede betonte Selenskyj die Bedeutung der Finanzhilfe für die Ukraine. Er würdigte die Regierung Biden für die Finanzpakete, die sie dem Land bereits zur Verfügung gestellt habe. Außerdem dankte er im Voraus für zusätzliche Pakete, die der Gesetzgeber in naher Zukunft verabschieden könnte.

Der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und Vizepräsidentin Kamala Harris überreichte er eine von ukrainischen Soldaten unterzeichnete Flagge.

Selenskyj will Putin 2019 diplomatische Lösung angeboten haben

In der anschließenden Pressekonferenz unterstrich US-Präsident Joe Biden, man werde „alles in unser Macht Stehende“ unternehmen, um „einen Erfolg Putins“ zu verhindern:

Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist, damit Kiew sich weiterhin verteidigen kann und zu gegebener Zeit am Verhandlungstisch eine möglichst starke Position einnimmt.“

Selenskyj erklärte gegenüber Reportern, er habe dem russischen Präsidenten seit seinem Amtsantritt eine diplomatische Lösung des Konflikts in Aussicht gestellt. Im Gegenzug solle Russland auf eine umfassende Invasion verzichten.

Russland hat diese Darstellung mehrfach als unzutreffend bezeichnet. In Moskau verweist man darauf, dass Selenskyj trotz Drei-Viertel-Mehrheit bei der Präsidentenwahl keine Anstalten gemacht habe, das Minsker Abkommen umzusetzen. Stattdessen habe die Ukraine den Druck auf die ethnisch mehrheitlich russische Bevölkerung verschärft und diese von elementaren Versorgungsgütern abgeschnitten.

In Moskau ging man davon aus, dass Angst vor den Nationalisten der Hauptgrund dafür gewesen sei, dass Kiew die Abkommen von 2015 nie umsetzte. Der frühere Präsident Petro Poroschenko äußerte später, der Minsker Prozess sei lediglich eine Hinhaltetaktik gewesen, um gegenüber Russland Zeit zu gewinnen. In der Zwischenzeit habe der Westen die Ukraine militärisch aufrüsten können.

Die frühere deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte diese Darstellung jüngst bestätigt. In den Jahren zuvor hatten Kiew und der Westen Russland für das Scheitern des Abkommens verantwortlich gemacht und dies als Begründung für verlängerte Sanktionen benannt.

Ukraine macht Waffenruhe von Erfüllung von Maximalforderungen abhängig

Selenskyj erklärte gegenüber Reportern, es gehe für die Ukraine in diesem Winter „ums Überleben“. Gleichzeitig hält das Land an seinen Maximalforderungen für einen aus seiner Sicht „gerechten Frieden“ fest.

Auf die Frage eines Reporters, was die Ukraine darunter verstehe, antwortete Selenskyj, dieser beinhalte „keinen Kompromiss bezüglich Souveränität, Freiheit und territorialer Integrität“. Dies schließt nach ukrainischen Vorstellungen auch die seit 2014 in den russischen Staatsverband eingegliederte Halbinsel Krim ein. Außerdem forderte Selenskyj Entschädigung von Russland für die entstandenen Kriegsschäden.

Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtet, hat auch der ukrainische General Olexij Hromow einer Waffenruhe eine Absage erteilt. Einen Waffenstillstand von ukrainischer Seite werde es erst geben, wenn „kein Besatzer mehr auf unserem Boden ist“. Auch der Kreml hatte zuvor erklärt, derzeit keine Möglichkeit für ein Ende der Kampfhandlungen zu sehen.

Republikaner werden mehrheitlich für Hilfspaket stimmen

In den Reihen der Republikaner gibt es unterdessen einige kritische Stimmen mit Blick auf die Bewilligung des anstehenden Hilfspakets für die Ukraine. Der Kongressabgeordnete Matt Rosendale (Montana) schrieb auf Twitter:

Wie können wir zusätzliche 47 Milliarden Dollar für die Sicherheit in die Ukraine schicken, während Terroristen, Drogen und Kriminelle unsere südliche Grenze überfluten?“

Sein Kollege Andrew Clyde aus Georgia äußerte:

Die USA sollten keinen weiteren Cent in die Ukraine schicken, ohne eine vollständige Prüfung der bereits geleisteten Hilfe.“

Eine Mehrheit der republikanischen Abgeordneten wird die Hilfsmaßnahme dennoch unterstützen. Der Republikaner-Sprecher im Senat, Mitch McConnell, erklärte in einem Briefing:

Die Unterstützung der Ukrainer im Kampf gegen die Russen hat für die meisten Republikaner derzeit oberste Priorität. So sehen wir die Herausforderungen, mit denen das Land im Moment konfrontiert ist.“

Weber: Selenskyj in den USA ist „Weckruf für Europa“

In Brüssel rief unterdessen der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, zu einem „Winter der Solidarität“ mit der Ukraine auf. Die EU müsse sich jetzt auf die nächste Phase des „russischen Angriffskriegs“ vorbereiten und die Ukraine auch mit Panzerlieferungen unterstützen, erklärte er im „Handelsblatt“.

Man sei „leider in der militärischen Logik“, und diese verlange, „die Ukraine entsprechend aufzurüsten“, so der CSU-Politiker.

Er habe sich, äußerte Weber angesichts des Selenskyj-Besuchs in den USA, „sicher gewünscht“, dass dessen erste Auslandsreise nach Kriegsbeginn in die EU führe. Er habe aber „volles Verständnis“ dafür, dass Selenskyj Washington gewählt habe. Für die Europäer sei dieser Besuch „ein erneuter Weckruf, endlich militärisch ernsthaft auf die Beine zu kommen“.



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