OECD legt aktuelle Zahlen vor
Weniger Geld für weltweite Entwicklungshilfe: WHO fürchtet fatale Auswirkungen
Die öffentliche Entwicklungshilfe ist in vielen Ländern auf dem Rückzug. Auch Deutschland zahlte 2024 weniger. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus fürchtet fatale Auswirkungen, sieht aber auch Chancen für mehr Eigenständigkeit.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ihren Hauptsitz in Genf und unterhält weltweit Büros.
Foto: Fabrice Coffrini/AFP via Getty Images
Die Kürzungen der öffentlichen Entwicklungshilfe bringen die weltweite Entwicklungshilfe offenbar in Schwierigkeiten. Jedenfalls warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor Unterbrechungen der Gesundheitsdienste, die 70 Prozent ihrer Länderbüros gemeldet haben. Die Entwicklung sei eine Folge „plötzlicher Aussetzungen und Kürzungen der öffentlichen Entwicklungshilfe“. Es bestehe Grund zur Besorgnis, sagt WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er fürchtet massive Auswirkungen auf Gesundheitssysteme weltweit und fordert eine internationale Reaktion.
Wohlstand und Wirtschaft fördern
Die öffentliche Entwicklungshilfe (Official Development Assistance, ODA) ist eine staatliche Hilfe. Mithilfe der Gelder sollen die wirtschaftliche Entwicklung und der Wohlstand in den Entwicklungsländern gefördert werden. ODA ist die wichtigste Finanzierungsquelle für die Entwicklungshilfe, seit sie der Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 1969 als „Goldstandard“ für Auslandshilfe angenommen hat. Ein Teil der Mittel fließt an die WHO.
Die Vereinten Nationen (UN) hatten 1970 auf einer Generalversammlung festgelegt, dass jedes Land 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für ODA ausgibt. Die Organisation hat diesen Anteil in der Folge mehrfach bestätigt, zuletzt im Jahr 2015 im Rahmen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Anlässlich des 50. Jahrestages der Vereinbarung fiel die Bilanz jedoch ernüchternd aus. Denn kaum ein Land erreichte die 0,7 Prozent, kritisiert der Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen (VENRO).
Laut einer Erhebung der OECD waren es 2023 nur fünf Länder, die diese Quote überschritten. Neben Norwegen, Dänemark, Schweden und Luxemburg war Deutschland mit 0,82 Prozent dabei und war damit das zweitgrößte Geberland mit 37,5 Milliarden US-Dollar (derzeit rund 33,3 Milliarden Euro, damals rund 35 Milliarden Euro) Steuergeldern für ODA. An der Spitze rangierten 2023 zwar die USA mit 64,69 Milliarden US-Dollar, doch machte das nur 0,24 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus.
Der in der Statistik aufgeführte deutsche Beitrag deckt sich mit den Angaben der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion vom Dezember 2024. Demnach waren es 2023 rund 35 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor waren es der Antwort zufolge 33,9 Milliarden Euro.
Deutschland verpasst 2024 die Vorgabe
Vergangene Woche hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) die Zahlen für 2024 veröffentlicht. Auf Anfrage von Epoch Times teilt das Ministerium mit, dass Deutschland die Schwelle von 0,7 Prozent erstmals seit 2020 verfehlt hat. Nach vorläufigen Berechnungen der OECD waren es exakt 0,67 Prozent. Die deutschen Entwicklungsleistungen betrugen mit rund 30 Milliarden Euro etwa 5 Milliarden Euro weniger als 2023. Ohne Berücksichtigung der Flüchtlingskosten im Inland läge die deutsche ODA-Quote bei 0,54 Prozent. Die endgültigen Zahlen für 2024 wird die OECD voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlichen, so das BMZ in seiner Mitteilung.
Größter Geldgeber waren erneut die USA. In Europa liegt Deutschland weiter auf Rang fünf hinter Norwegen (1,02 Prozent), Luxemburg (1,00 Prozent), Schweden (0,79 Prozent) und Dänemark (0,71 Prozent).
Von den rund 30 Milliarden Euro an Entwicklungsleistungen kamen rund 36 Prozent aus dem Haushalt des BMZ. Das Ministerium investiert die Mittel in globale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Armut, Hunger oder Klimawandel. Auch aus den Etats des Auswärtigen Amtes (13 Prozent, u. a. humanitäre Hilfe), des Bundeswirtschaftsministeriums (2,5 Prozent) und sonstiger Ministerien (9 Prozent) kamen im vergangenen Jahr relevante Anteile an der deutschen ODA. Der deutsche Anteil an den Entwicklungsleistungen der Europäischen Union wiederum macht 14 Prozent der deutschen ODA aus.
So entfielen knapp 20 Prozent der Leistungen auf Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland. Diese zählen gemäß den international vereinbarten Berechnungsmethoden im ersten Jahr nach Ankunft zu den Entwicklungsleistungen. Insgesamt sind diese Kosten laut 2024 um rund 1 Milliarde Euro auf rund 5,8 Milliarden Euro gesunken. Sie seien damit neben den zurückgegangenen Mitteln aus dem Bundeshaushalt ein weiterer wesentlicher Faktor hinter den gesunkenen Entwicklungsleistungen. Ohne Berücksichtigung der Flüchtlingskosten im Inland läge die deutsche ODA-Quote bei 0,54 Prozent.
Weniger Geld, zahlreiche Einschränkungen
Neben den ODA-Leistungen für die Flüchtlingshilfe gibt es weitere Projekte, die finanziert werden dürfen, wie ein Leitfaden des BMZ erläutert. Auch die Finanzierung für Forschungsarbeiten, die für die Probleme von Entwicklungsländern relevant sind, fällt in den Leistungskatalog. Unter bestimmten Voraussetzungen gilt das auch für Polizeiarbeit sowie soziale und künstlerische Projekte. Ausgeschlossen sind militärische Ausgaben, Kosten für die Terrorismusbekämpfung oder die Friedenssicherung.
In einer 2023 veröffentlichten Prognose bis 2025 sprach VENRO von einem „historischen Einbruch“ bei der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe. Die Organisation sagte ein Absinken der Beiträge von 6,6 Milliarden auf 0,65 Prozent voraus – etwas mehr, als nun von der OECD errechnet.
Angesichts der generell sinkenden Beiträge arbeiten laut WHO viele ihrer Länderbüros an Strategien, um Lücken zu schließen. Dies zeige eine Umfrage unter 108 Büros im März und April dieses Jahres. So versuchen sie, die Finanzierung aus inländischen und alternativen externen Quellen zu erhöhen oder umzuverteilen. Doch gab etwa ein Viertel der WHO-Niederlassungen an, dass sich die Haushaltskürzungen bereits in höheren Zuzahlungen niederschlagen.
Besonders betroffen seien Informationssysteme. So sei in 40 Prozent der Länder die Erfassung „wichtiger Gesundheitsdaten“ gestört. Arbeits- und Ausbildungsplätze gingen verloren, die Versorgung von Medikamenten sei eingeschränkt. So seien die Ausmaße der Unterbrechungen der Dienste „vergleichbar mit denen, die während der Spitzenzeiten der COVID-19-Pandemie in einigen Umgebungen beobachtet wurden“, heißt es in der WHO-Mitteilung weiter.
Das Ergebnis der Umfrage zeichne ein fatales Bild von den Auswirkungen „der plötzlichen und ungeplanten Kürzungen der Entwicklungshilfe auf die Gesundheit von Millionen Menschen“, resümiert WHO-Chef Tedros. Sie beschleunigten aber auch „den Übergang von der Abhängigkeit von der Entwicklungshilfe zu einer nachhaltigeren Eigenständigkeit, die auf einheimischen Ressourcen beruht“.
Nach einem zweijährigen Volontariat arbeitet Oliver Signus seit mehr als 30 Jahren als Redakteur. Seit 2022 schreibt er für Epoch Times. Dabei ist die vielschichtige, abwechslungsreiche Arbeit das tägliche Salz in der Suppe. Als Schwerpunkte haben sich die brisanten Themen unserer Zeit wie das World Economic Forum (WEF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herauskristallisiert.
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