60-Jährige sitzt im Gefängnis wegen Widerstandes bei Maskenkontrolle

Karl Lauterbach erklärte bei Markus Lanz am 9. Februar, dass „diese Regeln draußen“ Schwachsinn gewesen sind. Währenddessen sitzt die 60-jährige Sabine W. wegen Angriff und Widerstand gegen Amtsträger während einer Maskenkontrolle im Freien im Frauengefängnis. Ohne gerichtliche Anhörung.
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Die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Berlin-Lichtenberg.Foto: Erik Rusch / Epoch Times
Von 16. März 2023

Nur einen Steinwurf von der ehemaligen Stasi-Hauptzentrale entfernt, nahe der U-Bahnstation U5 Magdalenenstraße, befindet sich in Berlin-Lichtenberg die Justizvollzugsanstalt für Frauen. Es ist ein neoklassizistischer, in seiner Sachlichkeit unscheinbarer ockerfarbener Bau mit rotem Dach, wenn da nicht die vielen vergitterten Fenster wären. Zu DDR-Zeiten war es das Untersuchungsgefängnis der Stasi.

Neben prominenten Insassen wie der Richterin und früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Malsack-Winkemann, die sich hier in Untersuchungshaft befindet, sind hier in der Alfredstraße 11 auch viele für die Öffentlichkeit unbekannte Frauen eingesperrt.

Wie zum Beispiel Sabine W. (60), die seit dem 3. Februar in einer Einzelzelle von acht Quadratmetern eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt. Sie stellte sich selbst. Doch warum ist sie überhaupt dort?

Maskentragepflicht in Einkaufsstraßen

Alles begann am Sonnabendmittag, den 26. Oktober 2020 in der Schloßstraße – einer beliebten Einkaufsmeile in Berlin-Steglitz. Hier fiel die 60-Jährige zwei Mitarbeitern des Ordnungsamts in der Nähe des Hermann-Ehlers-Platzes auf. Sie war ohne einen Mund-Nasen-Schutz auf der Straße unterwegs.

Zwei Tage zuvor trat die achte Änderung zur SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung in Berlin in Kraft. Seitdem galt eine Maskenpflicht auf Märkten, in Warteschlangen und in den zehn Berliner Einkaufsstraßen. So auch in der Schloßstraße, in der Sabine W. gerade zu Fuß einbog.

Zwei städtische Ordnungskräfte sahen, dass sie keine Maske trug und sprachen sie an. Sie zeigte sich – laut Ermittlungsakte – uneinsichtig und verweigerte das Anlegen einer entsprechenden Maske. Als die Mitarbeiter des Ordnungsamts die Ordnungswidrigkeit schließlich ahnden wollten, verweigerte sie die Herausgabe Ihrer Personalien und setzte ihren Weg fort, heißt es dort.

Auch nach mehrmaliger Aufforderung, stehen zu bleiben, setzte sie ihren Weg weiter fort. Als sich die beiden Mitarbeiter des Ordnungsamtes dann in den Weg stellten, soll Sabine W. eine der beiden mit der Schulter angerempelt haben, um weitergehen zu können.

Daraufhin soll diese dann versucht haben, Sabine W. an den Armen festzuhalten. Doch Sabine W. habe sich immer wieder losgerissen, um sich der Maßnahme zu entziehen.

Ordnungsamtsmitarbeiterin hielt Sabine W. fest

Das Gerangel soll noch weiter gegangen sein: Sabine W. soll sich dann mit Ihrem Oberkörper gegen den Oberkörper der Ordnungsamtsmitarbeiterin gestemmt haben, um das Festhalten zu verhindern. Hierbei habe sie auch mit ihren Armen und ihrer Faust gegen die Oberarme und den Schulterbereich der Ordnungsamtsmitarbeiterin gedrückt.

Dadurch soll die Mitarbeiterin Prellungen im Bereich der Oberarme und des Schulterbereichs erlitt haben, heißt es in der Ermittlungsakte. Dies wäre von der Angeschuldigten „zumindest billigend in Kauf genommen worden“, wird hier geschlussfolgert.

In dem der Ermittlungsakte beiliegenden ärztlichen Gutachten bescheinigt der Arzt rund vier Stunden nach dem Vorfall einen Druckschmerz beim Abtasten an beiden Schultern bei der Ordnungskraft, die Sabine W. festhielt. Sichtbare Prellmarken stellte er nicht fest und attestierte die Arbeitsfähigkeit bei der Amtsträgerin.

Sabine W. erlebte die Situation anders

Die Verurteilte schildert gegenüber Epoch Times die Situation anders. Nachdem die Ordnungsamtsmitarbeiter sie wegen der fehlenden Mund-Nasen-Bedeckung angesprochen haben, hätte sie erklärt, dass sie von einer Maskenpflicht nichts gelesen habe. Dabei habe sie in ihrer Tasche nach einer OP-Maske gekramt, um sie aufzusetzen.

Die Mitarbeiterin vom Ordnungsamt hätte sie währenddessen angeherrscht, ob sie kein Fernsehen schaue, dort würden alle Maßnahmen besprochen und bekannt gegeben werden. Direkt nachdem sie die Maske aufgesetzt habe, hätte sie sich zum Weitergehen von der Mitarbeiterin abgewendet und ihren Weg fortgesetzt.

Sie wäre dann masketragend von hinten gepackt und in einer nahestehenden Tür neben einer Bäckerei von den Ordnungsamtsmitarbeitern „eingeklemmt“ worden. Der Zeuge Manfred T. könne diesen Verlauf bestätigen, so die Verurteilte. Sie gab den Zeugen bei der Polizei an. In der Ermittlungsakte wird er als Zeuge nicht aufgeführt. Dort sind die Namen der beiden Ordnungskräfte und eines Polizeiobermeisters angegeben. Demzufolge ist davon auszugehen, dass er nicht befragt wurde.

Die von den Ordnungskräften herbeigerufenen Polizeibeamten nahmen schließlich die Personalien von Sabine W. auf und entließen sie dann.

Gezielten aktiven Widerstand gegen die Ordnungsmitarbeiterin bestreitet sie. Sie wäre überrascht und erschrocken von dem in ihren Augen durchgeführten Angriff der Ordnungskraft und hätte sich schützend nach vorne gebeugt und „eingeigelt“.

2.700 Euro Geldstrafe

Am 10.11.2020 erhielt sie ein Schreiben mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen zum Nichttragen einer Maske und der Möglichkeit zur Stellungnahme. Sie machte ausführliche Angaben dazu, wie dies aus ihrer Sicht abgelaufen sei. Daraufhin erhielt sie einen Bußgeldbescheid über 328,50 Euro.

Auf Nachfrage beim betreffenden Ordnungsamt, wie die Höhe solcher Bußgeldbescheid berechnet werde, habe man ihr erklärt, dass die Einstufung nach jeweiliger „Einsicht“ des Beschuldigten erfolge. Nach einem Einspruch durch die Beschuldigte und einer Anhörung vor dem Amtsgericht wurde das Bußgeld auf 150 Euro reduziert, das Sabine W. beglich.

Zudem erhielt sie etwas später vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf einen Zahlungsbescheid zu Lohnfortzahlungskosten im Krankheitsfall. Dabei ging es um die Ordnungsamtsmitarbeiterin, die sich bei ihrem Einsatz im Zusammenhang mit Susanne W. verletzt hätte und laut Schreiben des Bezirksamts daher „vom 27.10. bis zum 29.10.2020 krankheitsbedingt arbeitsunfähig war“. Die 60-Jährige sollte dafür 329,11 Euro überweisen.

Hilfesuchend suchte sie einen Polizeidienststelle auf, anstatt sich direkt an das Bezirksamt zu wenden, um weitere Informationen zu der Anschuldigung zu erhalten.

Dort hätten ihr die Beamten nach eigenen Angaben geraten, das Ordnungsgeld zu überweisen, da sie sonst einen negativen Eintrag bei der Schufa (Schutzgemeinschaft für das Kreditwesen) erhalten würde. „Unter Vorbehalt“ zahlte daraufhin die 60-Jährige den Betrag an das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, um weiteren Nachteilen zu entgehen.

Strafbefehl nicht erhalten

Am 09.01.2021 erhielt sie dann ein Schreiben der Berliner Polizei zu einer „schriftlichen Äußerung im Strafverfahren“. Offenbar wurde nach dem Vorfall in der Einkaufstraße am 26.10.2020 neben dem Bußgeldverfahren auch ein Strafverfahren gegen sie wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen und Körperverletzung zum Nachteil einer Ordnungsamtsmitarbeiterin“ eingeleitet.

Offenbar leitete es die Berliner Staatsanwaltschaft selbstständig ein und nicht die Ordnungsamtsmitarbeiterin. Dazu maß die Staatsanwaltschaft dem Strafverfahren ein „besonderes öffentliches Interesse“ bei.

Ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen ist eigentlich üblich, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, roh oder besonders leichtfertig oder aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat. Oder durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde. Oder die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Andererseits kann auch der Umstand beachtlich sein, dass der Verletzte auf Bestrafung keinen Wert legt.

Sabine W. erklärte in dem Anhörungsschreiben zum Strafverfahren, dass sie während des Gesprächs mit den ihr über den Weg laufenden Ordnungsamtsmitarbeitern eine Maske aufgesetzt hatte. „Dementsprechend gab es überhaupt keinen Widerstand.“

Statt ihr irgendeine Körperverletzung zu unterstellen, hätte ihr eher eine Beschwerde über das handgreifliche Verhalten der Ordnungsamtsangestellten beim zuständigen Bezirksamt zugestanden. Davon hätte sie jedoch abgelassen, da sie die Namen der Ordnungsamtsmitarbeiter nicht kannte und auch aus Verständnis für alle, die in diesen „COVID-Zeiten“ womöglich angespannt wären, schrieb sie.

Schließlich erhielt sie am 27.12.2021 ein Schreiben mit dem Vorwurf, sie habe einen Rechnungsbetrag über 2.786 Euro nicht gezahlt.

Durch Rücksprache mit dem zuständigen Amtsgericht Tiergarten erfuhr sie, dass es sich dabei um ein Vollstreckungsverfahren im Rahmen eines Strafbefehls handelte. Nach ihren Aussagen habe sie jedoch nie einen Strafbefehl erhalten.

Der Strafbefehl wurde zum 01.04.2021 ausgestellt und soll am 09.04.2021 an ihre Meldeanschrift zugestellt worden sein. Mit der Zustellung begann eine 14-tägige Einspruchsfrist, die nun natürlich abgelaufen war.

Strafbefehl: Tätlicher Angriff gegen Amtsträger

Im Strafbefehl wird ihr vorgeworfen, am 26. Oktober 2020

  1. einen Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angegriffen zu haben;
  2. einem Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet zu haben;
  3. eine andere Person körperlich misshandelt zu haben.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin wurde aufgrund der obengenannten Anschuldigungen gegen Sabine W. eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,00 Euro, also insgesamt 2.700 Euro festgesetzt. Dazu gab es den Hinweis: „Wenn die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, tritt an die Stelle eines Tagessatzes ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe.“

Über eine nun hinzugezogene Rechtsanwältin legte sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist aus dem Strafbefehl vom 01.04.2021 ein. Gleichzeitig legte sie Einspruch gegen den Strafbefehl ein.

Das Amtsgericht wies sowohl den Antrag als auch den Einspruch ab. Das Gericht berief sich dabei auf eine ordnungsgemäße Zustellung des Strafbefehls und einen jetzt zu spät eingegangenen Einspruch gegen den Strafbefehl.

„Es fehlt an der ordentlichen Glaubhaftmachung eines anzuerkennenden Wiedereinsetzungsgrundes“, so das Gericht. Durch eine Zustellungsurkunde sei eine ordnungsgemäße Zustellung des Strafbefehls in den Hausbriefkasten belegt. Der Beweis der Unrichtigkeit sei zwar zulässig, erfordere jedoch einen substantiierten Sachvortrag, der jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsachen ausschließe. „Die bloße Behauptung der Angeklagten ist nicht geeignet, die Richtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zu widerlegen.“

Dadurch kam es nicht zu der von Sabine W. angestrebten Hauptverhandlung mit einer gerichtlichen Anhörung im Strafverfahren gegen sie.

„Arbeit macht frei, hatten wir schon einmal!“

Im Januar 2022 erhielt sie dann ein Schreiben der Abteilung „Soziale Dienste der Justiz“. Hierin bot man Susanne W. an, die auferlegte Geldstrafe durch „freie Arbeit“ ableisten zu können. Vier Stunden Arbeit würden dabei einem Tagessatz gleichgesetzt. Das wären in ihrem Fall 360 abzuleistende Arbeitsstunden.

Die Steglitzerin lehnte dies nach eigenen Angaben mit dem Hinweise ab: „Arbeit macht frei, hatten wir schon einmal!“

Am 19. Januar erhielt die Berlinerin dann schriftlich die Aufforderung, die im Strafbefehl angegebene Summe zu begleichen oder sich spätestens zum 3. Februar im Frauengefängnis Berlin-Lichtenberg einzufinden. Hier könne sie die ausstehende Zahlung durch Inhaftierung ausgleichen. Gleichzeitig kündigte man an, dass, wenn sie auch dann nicht erscheine, ein Haftbefehl gegen sie erwirkt und vollstreckt werde.

Am 3. Februar trat sie die Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA für Frauen mit der Erklärung an, dass sie aus Protest und unter Androhung weiterer Maßnahmen gegen sie erscheine. Bis zum 4. Mai wird sie dort nun die Tage zählen und dann das Gefängnis schließlich wieder verlassen.



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