Parteiinterne Konflikte
Berlin vor der Wahl: SPD demontiert Spitzenpersonal - Kreuzberger Abgeordneter verlässt Grüne
In Berlin beginnen die Parteien bereits, sich für die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2026 zu positionieren – doch interne Konflikte überschatten den Auftakt. Während SPD-Bezirksbürgermeister Martin Hikel seinen Rückzug erklärt und Franziska Giffey um ein Direktmandat kämpfen muss, verlässt Grünen-Urgestein Turgut Altuğ nach scharfer Kritik an seiner Partei Fraktion und Partei.

Die Fahne mit dem Wappen von Berlin vor dem Abgeordnetenhaus.
Foto: Monika Skolimowska/dpa
In Kürze:
- SPD-Bezirksbürgermeister Martin Hikel tritt nach schlechtem Ergebnis nicht mehr an.
- Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey kann nur noch über ein Direktmandat zurück ins Abgeordnetenhaus.
- Grünen-Abgeordneter Turgut Altuğ verlässt Partei und Fraktion nach scharfer Kritik an der „Identitätspolitik“.
- CDU-Politiker Timur Husein gerät nach Äußerungen über Sinti und Roma in die Kritik.
In knapp zehn Monaten wählt die Bundeshauptstadt Berlin ein neues Landesparlament. Der Urnengang findet damit nur knapp dreieinhalb Jahre nach der vom Berliner Verfassungsgerichtshof angeordneten Wiederholungswahl des 19. Abgeordnetenhauses im Februar 2023 statt.
Schon jetzt wirft die Wahl ihre Schatten voraus. In der SPD wird Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Sein Ergebnis von 68,5 Prozent der Stimmen bei der Nominierungsversammlung bewertete er als Misstrauensvotum. Hikel kündigte an, für eine erneute Kandidatur nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Seit 2024 ist der 39-Jährige zusammen mit Nicola Böcker-Giannini auch Co-Vorsitzender der Landes-SPD. In dieses Amt wurde er mit 65,5 Prozent der Stimmen gewählt.
Parteipromis der SPD Berlin auf Nominierungsversammlung abgestraft
Auch Hikels Vorgängerin, die frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, sah sich im Rennen um einen sicheren Listenplatz in Neukölln ausgebootet. Sie hat jedoch noch die Möglichkeit, im Wahlbezirk Rudow über ein Direktmandat erneut ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.
Hatte Giffey bei der später annullierten Abgeordnetenhauswahl 2021 den Wahlkreis noch mit 13 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen, lag ihr CDU-Rivale Olaf Schenk 2023 mit mehr als 15 Punkten voran. Bis zur Wiederholungswahl 2023 war Giffey als regierende Bürgermeisterin im Amt. Seither fungiert sie als Wirtschaftssenatorin im Senat unter Kai Wegner (CDU).
Neuköllns Integrationsbeauftragte Güner Balci wirft in einem „Spiegel“-Interview „Islamisten und Aktivisten“ vor, die Partei „unterwandert“ und Hikel gezielt geschwächt zu haben. Diese hätten ihm seinen Einsatz gegen sogenannte Clankriminalität und gegen antisemitische Tendenzen übel genommen. Der Neuköllner SPD-Kreisvorsitzende Joachim Rahmann hingegen erklärte, dass auch andere Kandidaten bei der Nominierungsversammlung keine höheren Prozentanteile bekommen hätten. Die Kritik an Hinkel habe nicht mit seiner Sicherheitspolitik zu tun gehabt, sondern mit seiner medialen Schwerpunktsetzung.
Altuğ wirft Grünen Ferne von Lebensrealität und autoritäre Tendenzen vor
Auch die Berliner Grünen haben im Vorfeld des Wahlkampfs zum Abgeordnetenhaus mit innerparteilichen Konflikten zu kämpfen. Turgut Altuğ, der seit 2011 als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg 3 repräsentiert, hat seinen Austritt aus der Fraktion und Partei erklärt.
In einer Erklärung auf seiner eigenen Website warf er seiner bisherigen Partei vor, sich „immer weiter von der Lebensrealität vieler Berlinerinnen und Berliner“ zu entfernen. Bei den Grünen in Berlin dominiere „die sogenannte Identitätspolitik zunehmend die Arbeit in der Grünen Fraktion und Partei“. Eine große Mehrheit der Partei lebe in ihrer eigenen „Bubble“.
Während die Partei ihre ursprünglichen Kernthemen vernachlässige, agiere die derzeitige Fraktionsführung „meines Erachtens mit autoritärer Hand“. Die Abgeordnetenhausfraktion der Grünen wird derzeit von Bettina Jarasch und Werner Graf geführt. Die vergangenen beiden Wechsel an der Fraktionsspitze hätten den Raum für offene Debatten „immer weiter verengt, hin zu einem Einheitsbrei an Meinungen, mit kaum Platz für Widerspruch oder Rückgrat“.
Die Linke in Berlin habe dem Verkauf kommunaler Wohnungen zu Schleuderpreisen zugestimmt
Altuğ warf den Grünen in Berlin außerdem eine immer stärkere Annäherung an die Linkspartei vor. Diese halte er für „problematisch“. Sie zeige sich in gemeinsamen Anträgen und Initiativen im Parlament. So habe die grüne Fraktion einen Gesetzentwurf der Linken zur Kleingartenflächensicherung unterstützt, obwohl ein externes Rechtsgutachten diesen gravierenden fachlichen Mangel und Verstöße gegen das Grundgesetz attestiert hätte.
Zudem übernehme die Linke keine Verantwortung für frühere Fehlentscheidungen. So fordere diese jetzt die Verstaatlichung von Wohnraum. In ihrer Regierungszeit von 2001 bis 2011 habe die damalige PDS und spätere Linkspartei jedoch selbst zur Wohnungskrise beigetragen. Sie habe unter anderem die damalige Privatisierung unterstützt, um Haushaltslöcher zu stopfen:
„Unter dem damaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin und dem Wirtschaftssenator Harald Wolf wurden die Immobilien auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen verkauft.“
Später habe der rot-rot-grüne Senat Teile der zuvor verkauften Wohnungen zu deutlich höheren Preisen zurückkaufen müssen. Der Grünen-Abgeordnete erklärte zudem, die Annäherung der Fraktion an die Linken sei auch deshalb ein Problem, weil diese „Antisemitismus in den eigenen Reihen kaum bekämpft“.
Unter Beschuss stehender CDU-Politiker lädt Altuğ in der Abgeordnetenhaus-Fraktion ein
Altuğ, der bisher Sprecher für Naturschutz, Umwelt- und Naturbildung sowie Ernährung und Landwirtschaft in seiner Fraktion war, will sich nach eigenen Angaben um Aufnahme in eine andere Fraktion bemühen. Als Fraktionsloser könne er zu wenig bewegen. Infrage kämen SPD oder CDU. Auf X nannte der Unionspolitiker Timur Husein Altuğ einen „Ehrenmann“ und lud ihn ein, sich der Fraktion anzuschließen.
Husein steht nach einem gegen die Politik der linken Spitzenkandidatin Elif Eralp gerichteten Beitrag auf X selbst unter Druck. Er hatte in dem Text die Community der Sinti und Roma erwähnt und in Klammern eine als herabwürdigend angesehene Fremdbezeichnung dieser Menschen gesetzt. Der Grünen-Abgeordnete Vasili Franco warf Husein auf Bluesky vor, dieser habe „kein Problem mit NS-Vokabular“ und träume von Massenabschiebungen.
Husein wies dies zurück und begründete seine Verwendung des als anstößig geltenden Begriffes damit, dass viele Menschen „nicht wissen, was Sinti und Roma sind“. Außerdem werde „der Begriff in der Klammer oft als Eigenbezeichnung verwendet“.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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