Bundesverfassungsgericht: Meinungsfreiheit darf durch Jugendschutz nicht unzulässig eingeschränkt werden

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei auch dann zu berücksichtigen, wenn es nicht um die Äußerung selbst, sondern um deren Bewertung als "jugendgefährdend" geht.
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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Symbolbild)Foto: iStock
Epoch Times11. Oktober 2019

Der Jugendschutz darf nicht zur Sanktionierung von Meinungsäußerungen genutzt werden. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss zugunsten der rechtsextremen NPD. Danach muss der NPD-Landesverband Berlin wohl keinen Jugendschutzbeauftragten benennen. (Az: 1 BvR 811/17)

Hintergrund sind grob herabsetzende Kommentare gegenüber Flüchtlingen auf der allgemein zugänglichen Facebook-Seite des Berliner NPD-Landesverbands. Zwei Artikel aus 2014 und 2016 sowie die dazu verfassten Kommentare veranlassten die Landesmedienanstalt, eine Geldbuße in Höhe von 1300 Euro festzusetzen. Der NPD-Landesverband verbreite geschäftsmäßig jugendgefährdende Angebote. Deswegen habe er einen Jugendschutzbeauftragten bestellen müssen, was er aber versäumt habe.

Das Amtsgericht Tiergarten und auch das Kammergericht Berlin wiesen die Klage der NPD ab. Die Jugendgefährdung folge schon aus den grob vereinfachten Darstellungen, Slogans und Kommentaren. Diese seien geeignet, zur undifferenzierten Ablehnung ganzer Bevölkerungsgruppen und zu aggressiver Feindseligkeit gegenüber religiösen und ethnischen Minderheiten beizutragen. Daher habe der NPD-Landesverband einen Jugendschutzbeauftragten bestellen müssen.

Doch dies trägt der Meinungsfreiheit nicht ausreichend Rechnung, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Dieses Grundrecht sei auch dann zu berücksichtigen, wenn es nicht um die Äußerung selbst, sondern um deren Bewertung als „jugendgefährdend“ geht. Denn die bußgeldbewehrte Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten könne die freie Meinungsäußerung erschweren.

Zum konkreten Fall betonten die Karlsruher Richter, auch „hetzerische und möglicherweise offen rassistische“ Meinungsäußerungen seien nicht von vornherein vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausgeschlossen. Dies gelte zwar nicht uneingeschränkt, es sei daher aber immer eine Abwägung aller Interessen notwendig.

Hier habe das Amtsgericht die Äußerungen auf der NPD-Facebook-Seite nur pauschal als jugendgefährdend eingestuft, ohne konkret auf einzelne Kommentare einzugehen und ohne die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen.

Der Zwang, einen Jugendschutzbeauftragten zu bestellen, habe für den Betreiber einer Internetseite erhebliches Gewicht, betonte das Bundesverfassungsgericht. Auch damit habe sich das Amtsgericht nicht auseinandergesetzt. Nach diesen Maßgaben soll das Amtsgericht Tiergarten nun neu über das Bußgeld entscheiden.(afp)

 



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