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plus-iconIm Koalitionsvertrag festgeschrieben

„Demokratie leben!“ geht weiter – Kritik bleibt

Während Friedrich Merz noch vor wenigen Wochen die politische Neutralität von staatlich finanzierten Organisationen hinterfragte, wurde die weitere Millionen-Förderung von „Demokratie leben!“ jetzt im Koalitionsvertrag zwischen Unionsfraktion und SPD festgeschrieben. Fragen nach Wirksamkeit, Neutralität und Kontrolle bleiben weiter offen.

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Seit über 25 Jahren fördert der Bund Projekte „gegen rechts“. Jetzt wird erneut investiert.

Foto: CHRISTIAN MANG/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 9 Min.

„Die Finanzierung des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ ist vorerst gesichert. Zumindest gibt der am 9. April vorgestellte Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD Anlass zu Optimismus“, so das Berliner Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf auf dem Stadtportal „Berlin.de“ und zitiert aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag.
„Die Unterstützung von Projekten zur demokratischen Teilhabe durch das Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ setzen wir fort“, schreiben die Koalitionäre in spe unter der Rubrik „Demokratiebildung und demokratische Teilhabe“, nachzulesen auf Seite 104.

Im Koalitionsvertrag festgeschrieben

Seit Januar läuft die dritte Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auf lokaler Ebene, zum Beispiel in Berlin Steglitz-Zehlendorf, läuft dies folgendermaßen ab: Bis zum 25. April können Privatpersonen und gemeinnützige Träger im Bezirk, die Ideen haben, „wie dein Kiez bunter und weltoffener gemacht werden kann“, Förderung beantragen und bis zu 5.000 Euro erhalten.
Der Aufruf wurde vom Beauftragten gegen Antisemitismus des Bezirks verfasst. Daher ist die Ausrichtung der Kleinprojekte klar vorgegeben: „Als eines der Ziele wird ausdrücklich die Bekämpfung des Antisemitismus genannt, etwa durch die Förderung von Medienkompetenz und die Aufklärung über Verschwörungserzählungen.“
Solche Beträge sind nur ein kleiner Teil der Millionenbeträge, die die Regierung Jahr für Jahr in Programme wie „Demokratie leben!“ steckt und die sich inzwischen zu mehreren Milliarden summiert haben.
Über die Fortführung des umstrittenen Förderprogramms „Demokratie leben!“ heißt es weiter im Koalitionsvertrag:
„Wir werden eine unabhängige Überprüfung dieses Programms in Bezug auf Zielerreichung und Wirkung veranlassen. Auf Basis der Ergebnisse prüfen wir weitere Maßnahmen für rechtssichere, altersunabhängige Arbeit gegen Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wir stellen weiterhin die Verfassungstreue geförderter Projekte sicher.“
Das unscheinbare Wort „altersunabhängig“ sei dabei von besonderer Bedeutung, ordnet der ehemalige Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im früheren Stasi-Gefängnis, Hubertus Knabe, den Passus in einem Beitrag auf seiner Website ein.
Laut den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages widerspreche das Förderprogramm nämlich der Verfassung, da der Bund nur für Fragen zuständig sei, deren Regelung nicht durch die Länder möglich sei. „Eine Ausnahme gelte lediglich für die politische Bildung Jugendlicher – doch genau diese Beschränkung wollen Union und SPD nun aufheben“, schreibt Knabe.
Der hatte sich in einem „Focus“-Gastbeitrag „Demokratie leben!“ etwas genauer unter die Lupe genommen, wohin die Steuermillionen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) verteilt werden.
Dabei zeige sich, dass insgesamt das meiste Geld in Projekte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus fließe. Allein im Jahr 2021 standen für verschiedene Förderungen in diesem Bereich 22,6 Millionen auf der Rechnung, davon waren nur 1,3 Millionen für den Kampf gegen Linksextremismus. Und das, „obwohl die Zahl linker und rechter Extremisten in Deutschland etwa gleich hoch ist“, so Knabe.

Kritik vom Rechnungshof: Fehlende Kontrolle und Transparenz

Diese Schlagseite nach links war es aber nicht, womit das Projekt „Demokratie leben!“ immer wieder für Kritik sorgte. Im November 2022 rügte der Bundesrechnungshof, bereits zum zweiten Mal nach 2019, in seinem Prüfbericht „Förderung von Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie im Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘“ fehlende Transparenz bei der Vergabe und andere Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung von Projekten bis zur korrekten Abrechnung.
Bei einem Fünftel der geprüften Projekte stellte sich heraus, dass der Eigenanteil erlassen worden war. Auch eine wirkliche Erfolgskontrolle gebe es nicht. Über ein Drittel der Mittelempfänger hat laut dem Bericht nicht fristgerecht nachgewiesen, wofür das Geld verwendet wurde. Aber auch Nachlässigkeit auf der Seite der Regierung stellte der Bundesrechnungshof fest: Zwei Drittel der Nachweise seien nicht innerhalb der vorgeschriebenen drei Monate überprüft worden.
Abgesehen von der Kontrolle der Vergabe und Verwendung der bereitgestellten Steuergelder ist aber die fehlende Möglichkeit einer generellen Erfolgskontrolle ein übergeordnetes Problem. Dieses wurde bereits in vorherigen Prüfberichten des Bundesrechnungshofes bemängelt, aber nie behoben.
Der Rechnungshof hatte moniert, dass die Förderziele in der Richtlinie zu vage und von daher nicht messbar seien. Eine sachgerechte Zielerreichungskontrolle sei überhaupt nicht möglich, so der Rechnungshof, da konkrete und mit geeigneten Indikatoren unterlegte Ziele sowie ein dokumentierter Ausgangszustand fehlten. Epoch Times berichtete.

Fast 1,6 Milliarden für den „Kampf gegen rechts“

Die Bundesregierung hat von 1998 bis 2023 fast 1,6 Milliarden Euro für den „Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Anti-Schwarzen-Rassismus, Queerfeindlichkeit, Antifeminismus sowie alle anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ ausgegeben. Das hat die Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD vom Oktober 2023 aufgezeigt.
Matthias Moosdorf und weitere AfD-Bundestagsabgeordnete wollten angesichts der unübersichtlichen Vielzahl an Fördertöpfen und begünstigten Projekten, Stiftungen, Vereinen und anderen Organisationen von der Bundesregierung wissen, wie viel Geld seit der Regierung Schröder insgesamt für den „Kampf gegen rechts“ und ähnliche Ziele ausgegeben wurde und wie sich die Ausgaben im Laufe der Zeit entwickelt hätten.
Heraus kam bei der Antwort aber nicht nur die Summe von insgesamt über 1,5 Milliarden Euro für diesen Zeitraum, sondern auch, dass nicht etwa Rechnungshöfe oder Betriebsprüfer die Zahlungen evaluieren, sondern diese ausschließlich von anderen staatlich finanzierten Organisationen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. „Demokratie leben!“ wurde ausschließlich vom Deutschen Jugendinstitut evaluiert.

Immer mehr Geld seit 2015

Während im Jahr 2015 die jährlichen Mittel für das damals neu aufgesetzte Programm „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums noch 40,5 Millionen Euro ausmachten, hatte sich die Fördersumme im Jahr 2020 mit 115,5 Millionen fast verdreifacht und sich 2021 bereits mit 150,5 Millionen Euro mehr als vervierfacht.
Die dritte Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ läuft von 2025 bis 2032 mit einem jährlichen Budget von 182 Millionen Euro und ist damit „das größte Präventionsprogramm des Bundes“.
Während „Demokratie leben!“ Eingang in den neuen Koalitionsvertrag gefunden hat und es somit gesichert scheint, dass das Bundesprogramm fortgesetzt wird, scheint damit auch die Union einen Kurswechsel hingelegt zu haben. Denn noch wenige Wochen zuvor hatte Friedrich Merz und seine Unionsfraktion das Programm zur Debatte gestellt.
Anlass dafür waren deutschlandweite Proteste ab Anfang des Jahres gegen Merz und seine Partei. Vor der Parteizentrale der CDU, dem Konrad-Adenauer-Haus, protestierten in den Wochen vor der Bundestagswahl Tausende gegen eine jegliche Zusammenarbeit mit der AfD. Der Protest vom 2. Februar etwa stand unter dem Motto „Aufstand der Anständigen – Demo für die Brandmauer“, unter den Demonstranten waren auch die SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken.

Politische Neutralität staatlich finanzierter Organisationen

In einer Kleinen Anfrage mit 551 Fragen von Ende Februar wollte die Unionsfraktion nach den gegen sie gewendeten Protesten wissen, ob sich vom Staat geförderte Organisationen, die für den Kampf gegen rechts demonstrieren, parteipolitisch neutral verhalten. Mit Blick auf die Anti-CDU-Proteste wurde das bezweifelt, beispielhaft wurde hier das Programm „Demokratie leben!“ genannt, das einige an den Anti-CDU-Demos beteiligte Organisationen finanziell förderte.
Die Bundesregierung wies in ihrer 83-seitigen Antwort die Kritik zurück mit der Argumentation, dass alle geförderten Projekte den Vorgaben des Zuwendungsrechts unterlägen und vor Bewilligung geprüft würden; und dass auch der Staat die Aufgabe habe, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Über diese Frage einer aktiven Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements habe es immer einen parteiübergreifenden Konsens gegeben – inklusive der Union.
Dieser von der Bundesregierung benannte parteiübergreifende Konsens, vorwiegend linke Organisationen und Projekte im „Kampf gegen rechts“ mit Steuermitteln zu finanzieren, scheint nach dem kurzen Ausreißer der Kleinen Anfrage der CDU mit der Aufnahme in den Koalitionsvertrag wiederhergestellt. Allein die Anfrage von der Union war bei Grünen, Linken und auch bei der SPD scharf kritisiert worden. Letztere hatte nachfolgend mit der Union über eine Koalition verhandelt und im Koalitionsvertrag die Weiterführung von „Demokratie leben!“ – einvernehmlich mit der  Union – festgeschrieben.
Lydia Roeber hat sich schon ihr Studium an der FU Berlin mit Texten verdient und lange als Fernsehjournalistin gearbeitet. Früher als Reisejournalistin tätig, nimmt sie sich heute bevorzugt die drängenden gesellschaftlichen Themen bei der Epoch Times vor – von Transhumanismus über digitale Kontrolle bis zum Bildungsnotstand.

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