Der hohe Preis einer eigenen Meinung

„In den Schulen spiegelt sich die Situation der Gesellschaft“, sagt der NUN beurlaubte Studienrat Paul Michaelis. Er hatte Maßnahmen umzusetzen, deren Nutzen er im Verhältnis zu den Flurschäden nur schwer nachvollziehen konnte.
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Das neue Schuljahr beginnt in einigen Bundesländern mit Maskenpflicht.Foto: iStock
Von 5. September 2021

Paul Michaelis, Studienrat an einem Gymnasium in Rheinland-Pfalz, hatte auf der Kasseler Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen im vergangenen März ein kurzes Fernsehinterview gegeben. Darin hatte der Erdkunde- und Biologielehrer gesagt, dass er auch für seine Schüler demonstrierte – mit dem Ziel, dass die Angst voreinander nicht alles bestimmen solle. An dem Gymnasium schlug dies hohe Wellen. Die Reaktionen reichten von völligem Unverständnis bis hin zu – einigen – Sympathiebekundungen.

Ende Juli hat sich Michaelis freiwillig von seiner Schule beurlauben lassen. In seinem bewegenden Abschiedsbrief schrieb er: „Wie lange das sein wird und ob ich wieder an dieses ehrwürdige Gymnasium zurückkommen werde, weiß ich noch nicht. Vermutlich eher nicht.“

Epoch Times: Sie sind Lehrer mit Herz und Leidenschaft. Wann haben Sie Ihren Beruf erstmals infrage gestellt?

Paul Michaelis: Dass ich Zweifel an meinem Beruf oder besser meiner Rolle als Lehrer bekommen habe, fing eigentlich direkt nach dem ersten Lockdown an. Ich hatte Maßnahmen umzusetzen, deren Nutzen ich im Verhältnis zu den Flurschäden nur schwer nachvollziehen konnte. Als ich gemerkt habe, dass ich auf vielleicht unbequeme Fragen politische Konsequenzen als Antwort bekam, wurde mir dann recht deutlich, dass ich das Ganze so nicht weiter mittragen kann. 

ET: Worunter litten Sie am meisten – und was war letztlich der ultimative Anlass, der Sie zum Aussteig bewogen hat?

Michaelis: Letzten Endes war es die Erkenntnis, dass hier politische Vorgaben umgesetzt und über Dienstanweisungen an „unbequeme“ Kollegen weitergegeben werden sollen. Dazu gehört ein thematischer Corona-Maulkorb für den Unterricht, obwohl hier ausschließlich offizielle und unstrittige Zahlen, wie etwa vom RKI, oder Filmproduktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verwendet wurden, die nach meinem Verständnis keinen Anlass für eine angeordnete Beschneidung der Lehrfreiheit rechtfertigen. 

Auf mein dem ‚Hessischen Rundfunk‘ gegebenes kurzes Fernsehstatement hin hatte sich der Schulelternbeirat in seiner Stellungnahme dafür ausgesprochen, dass dieses kurze Interview unter freiem Himmel ohne Mundschutz für mich als Lehrer und Privatperson ja ein Unding sei. Dies war für mich auch ein deutliches Zeichen dafür, dass ich unter diesen haltlosen Vorwürfen oder fast schon ideologischen Ansprüchen nur schwerlich noch frei arbeiten konnte.

ET: Wie haben Ihre Kollegen und die Schüler auf Ihre freiwillige Beurlaubung vom Schuldienst reagiert?

Michaelis: Von weniger als einer Handvoll Kollegen kamen liebe Antwortmails auf meinen Abschiedsbrief, worüber ich mich über jede sehr gefreut habe. Natürlich ist das bei rund 130 Kollegen an einer Schule, an der man sich gut integriert gefühlt hat, doch recht wenig. Vielleicht ist auch schlicht die Kontaktaufnahme im Nachhinein etwas erschwert, da mir etwa 10 Minuten nach Absenden meines Abschiedsbriefs mein Schulaccount gesperrt wurde. Und das, obwohl ich den Brief von meiner privaten E-Mail-Adresse geschickt habe. 

ET: Wie wollten Sie verängstigten Schülern die Angst vor einer möglichen Infektion nehmen? Wie weit durften Sie dabei überhaupt gehen?

Michaelis: Für mich als Lehrer mit naturwissenschaftlicher Ausbildung ist es sehr wichtig, den Schülern ein reelles, nachvollziehbares Bild der Pandemie zu vermitteln und die Schüler anhand der offiziellen Zahlen zu informieren. 

Dies sind eben die Zahlen oder Berichte des RKI, die man natürlich erst einmal finden und lesen können muss. Kein Schüler, auch keiner aus dem Leistungskurs Biologie, kannte die Website des RKI. Ich habe bislang an meiner Schule auch keinen Kollegen in Erfahrung bringen können, der sich RKI-Seiten mit Schülern angeschaut hat.

Ich habe auch in jeder Lerngruppe das Schülerwissen abgefragt, was die Schüler zum Beispiel denken, wie hoch das durchschnittliche Sterbealter von positiv getesteten Corona-Toten sei. Dabei war ich überrascht, dass die Schüler durchweg davon ausgegangen sind, dass sich dieses Alter zwischen 40 und 60 Jahren bewegt, und sie machten große Augen, als wir dann nachlesen konnten, dass dieses im RKI-Bericht mit 82 Jahren im Median angeben wurde. Nach meiner Wahrnehmung hatte diese Art der Auseinandersetzung mit dem Thema eine positive Wirkung auf die Schüler, die ihnen etwas die Angst genommen hat.

ET: Was glauben Sie, wie es in den Schulen weitergeht? 

Michaelis: Die Masken bleiben den Schülern und Kollegen, wenn es nach den Richtlinien des Bildungsministeriums geht, ja noch eine Weile erhalten. Zwar muss sich ein Geimpfter nicht mehr testen, aber die Maske soll er doch noch tragen. Solche eklatanten Logikprobleme werden nach meiner Einschätzung noch lange mitgetragen, wenn nicht ein Diskurs der gesamten Schulgemeinschaft einsetzt, was hier eigentlich noch sinnvoll oder nachvollziehbar ist. 

Die Schüler werden diesen Diskurs nicht anstoßen. Zu groß ist die Hoffnung auf Präsenzunterricht und einen einigermaßen gewohnten sozialen Austausch. 

Das große Lob für ein überwiegend sehr ‚selbstloses‘ und eben scheinbar ‚solidarisches‘ Erdulden der diversen Maßnahmen bei der gleichzeitigen Erfahrung des Entziehens jeglichen persönlichen Sozialkontakts während der Lockdowns hat nach meiner Meinung die Schüler so konditioniert, dass sie weiter alle Regeln unhinterfragt befolgen. 

Im Verhältnis zu dem Verlust vom Kontakt zu den Freunden und Mitschülern sind Tests, stundenlanges Maskentragen und Abstandhalten ja einigermaßen erträglich. Es ist in meinen Augen eine bedenkliche Form der Anpassung.

ET: Wie steht es um die Meinungsfreiheit an bundesdeutschen Schulen?

Michaelis: Nach meiner Wahrnehmung spiegelt sich in Schulen die Situation in der Gesellschaft wider. Offiziell werden alle Maßnahmen vorbildlich und vollumfänglich umgesetzt, hinter vorgehaltener Hand oder in unbeobachteten Momenten oder im Privatleben erkennen und nutzen viele die sich Ihnen noch bietenden Freiräume. 

Nur, ganz offen eingestehen würden viele dieses Messen mit zweierlei Maß nicht. Kritische Meinungen finden an Schulen wenig Gehör – wie eben draußen in der Gesellschaft oder in den Massenmedien auch.

ET: Ist die Spaltung der Gesellschaft wieder rückgängig zu machen? 

Michaelis: Ich würde mir eine offene, unvoreingenommenere Debatte wünschen, die nicht von einer einzigen, allgemein verordneten ‚Moral‘ überprägt ist. Dass eben auch bekannte wie unbekanntere Kritiker zu Wort kommen, und sie nicht von einer multimedialen und finanziell bestens organisierten PR-Maschinerie diffamiert, ausgegrenzt oder zensiert werden. Allein das Dulden dieser Zensur und Wahrheitsdiktion ist für mich unerträglich. 

Das kann nicht die Lösung sein, weil die Anzahl derer, die eben nicht mit der Corona-Politik einverstanden sind, größer ist, als dies mitunter gerne vermittelt wird. Nur sind diese in einer Demokratie eigentlich gleichberechtigten Stimmen eben häufig aus nachvollziehbaren Gründen und einem enormen medialen Druck sehr leise. 

Dies zu überwinden erscheint mir die größte Aufgabe. Auch, weil dann nach meiner Einschätzung viele, die sich weit aus dem Fenster gelehnt haben mit ihren ‚Einschätzungen‘ und dem ‚Nach‘-Richten von bestimmten Sachverhalten gewaltig zurückrudern oder zumindest Unvollständigkeit oder Fehler eingestehen müssten. 

ET: In welchem Bereich können Sie sich Ihre berufliche Zukunft vorstellen?

Michaelis: Das kann ich noch nicht sagen, vieles ist möglich.

ET: Ihr persönlicher Tipp: Wie geht die Bundestagswahl aus? 

Michaelis: Ich denke, dass es eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün geben wird. Zu bedeutsam sind den Menschen die Themen Klima und Zukunft und eine überwältigende Mehrheit scheint davon überzeugt, dass wenn wir das Spurengas CO2 nur anständig reduzieren, sich die meisten Probleme in Luft auflösen. 

Ich sehe beim Thema Klima ein ähnliches, fast ideologisch anmutendes Denkmuster, in dem ein komplexer Sachverhalt auf einen ‚Sündenbock‘ reduziert wird, und dessen Bekämpfung daher maximale Bedeutung haben muss. 

ET: Was möchten Sie Schülern – und ihren Eltern – mit auf den Weg geben, das Sie bislang nicht sagen durften?

Michaelis: Sie sollten sich nicht ausschließlich durch das Fernsehen oder generell Bilder berieseln lassen, und vorgeformte Meinungen damit stumpf übernehmen. 

Es kostet mitunter Zeit, sich selbst zu informieren, und es stellen sich dabei häufig weitere Fragen, die vielleicht auch unangenehm oder irritierend wirken. Aber ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Leute – Schüler wie deren Eltern – breiter informieren.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.



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