Logo Epoch Times
Tradition trifft Qualität

Made in Germany seit 1881: Schminckes Weg zur globalen Premiummarke

Wie eine kleine Düsseldorfer Farbenmanufaktur mit handwerklicher Konsequenz und klarer Strategie über 140 Jahre hinweg Bestand hat – und zur stillen Ikone unter Künstlern weltweit wurde.

top-article-image

Industrielle Kontinuität am Rhein: Düsseldorf als Chemiestandort – hier das BASF-Werk, fotografiert im September 2025.

Foto: Christopher Neundorf / POOL / AFP via Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 9 Min.


In Kürze

  • Seit mehr als 140 Jahren behauptet die Marke Schmincke ihre bewusst gewählte Nische – und genießt dafür international einen außergewöhnlichen Ruf.
  • Das Unternehmen ist bis heute familiengeprägt: im Besitz der vierten Generation, ergänzt durch Anteile, die schrittweise in eine Stiftung übergehen.
  • Die Manufaktur produziert vollständig in Deutschland; über 50 Prozent der Farben gehen in den Export.
  • Ein Geschäftsmodell, das einst als „ehrbares Unternehmertum“ galt, wirkt heute beinahe romantisch – und steht zugleich für ein solides, langfristig erfolgreiches Business.

 
Als der Hamburger Maler Ernst Scharstein 1904 sein kleines Ölbild „Blankenese, Elbstrand“ signierte, vermerkte er auf der Rückseite unscheinbar: „Farbe Mussini (von Schmincke)“. Mehr als eine technische Notiz war das damals nicht. Rückblickend zählt sie jedoch zu den frühesten Belegen für die junge Düsseldorfer Manufaktur. Über ein Jahrhundert später gehören Mussini-Harzölfarben noch immer zu den renommiertesten und hochpreisigsten Künstlerölfarben im Premiumsegment.

Das Geschäftsmodell der Nische

Die Geschichte des Hauses hatte zu diesem Zeitpunkt gerade erst begonnen. Die Farbenchemiker Hermann Schmincke und Josef Horadam rekonstruierten Ende des 19. Jahrhunderts historische Harz-Öl-Rezepturen aus Renaissance und Barock – Farben, angereichert mit natürlichen Harzen wie Dammar, die außergewöhnliche Brillanz und Haltbarkeit boten, nach der Erfindung der Farbtube 1841 jedoch in Vergessenheit geraten waren.
Während die industrielle Farbfertigung rasant wuchs – die Vorläufer von Hoechst, Bayer und BASF entstanden in den 1860er-Jahren –, bildete sich im Umfeld der Düsseldorfer Kunstakademie ein Nischenmarkt für hochwertige Künstlerfarben. Schmincke erkannte das Potenzial und gründete 1881 seine Manufaktur.

Schmincke-Farbkasten mit Aquarellfarben in halben Näpfen, um 1935. Historisches Set aus der frühen Produktgeschichte des Unternehmens.

Mit den Mussini-Farben, benannt nach dem italienischen Maler Cesare Mussini, gelang der Durchbruch. Horadams patentierte Aquarellrezeptur wurde bald zum zweiten Standbein – bis heute nahezu unverändert gefertigt. Von Anfang an richtete sich das Sortiment an professionelle Anwender: Künstler, Restauratoren, Kunstakademien.
Das Geschäftsmodell war für die Zeit ungewöhnlich klar: kein Massenmarkt, kein Preiswettbewerb, sondern Präzision, Pigmenttreue und maximale Kontrolle über Rohstoffe und Prozesse. Aus einem kleinen Labor wurde ein weltweit anerkannter Hersteller – ohne die handwerkliche Basis aufzugeben. Der Name Schmincke steht heute für langlebige, lichtechte Premiumfarben, basierend auf natürlichen Pigmenten und historisch bewährten Rezepturen.

Die Strategie der Beständigkeit

Früh legte Schmincke eine Linie fest, die bis heute Bestand hat: Konzentration auf hochwertige Künstlerfarben, hohe Fertigungstiefe und Vertrieb über spezialisierte Händler. Die Firmenchronik „Farben für die Kunst“ belegt Exportaktivitäten bereits vor dem Ersten Weltkrieg.
Auslandsniederlassungen gab es bewusst nicht; Schmincke arbeitete mit Agenturen und Fachhändlern. Dieses Modell erwies sich gerade in geopolitisch unsicheren Zeiten als widerstandsfähig – mangels ausländischer Produktionsstätten, die hätten enteignet oder stillgelegt werden können.
Zwei Weltkriege führten zu Stillstand und Rohstoffknappheit, änderten die strategische Grundlinie aber nicht. Nach 1945 setzte Schmincke auf Spitzenqualität: Mussini-Harzölfarben, Horadam-Aquarellfarben, Pastelle sowie hochwertige Tempera- und Gouachefarben. Parallel entstand mit „Norma“ ein Sortiment im mittleren Preisbereich. In den Massenmarkt – Baumärkte, Discounter, Kaufhäuser – drang man bewusst nicht vor. Die Bindung an den Fachhandel verhinderte Preiserosion und schützte das Markenbild.
In den 1970er- bis 1990er-Jahren modernisierte Schmincke zentrale Linien, entwickelte „Norma“ zur professionellen Serie weiter, ergänzte neue Pigmente im Aquarellbereich und erschloss mit PRIMAcryl den Markt für hochwertige Acrylfarben. Innovation blieb stets eng an die Kernkompetenz gebunden.
Gleichzeitig schärfte Schmincke seine Fokussierung: Aufgabe der Grafiksparte, später auch des Handelswarengeschäfts. Kurzfristige Trends ließ man bewusst links liegen. Während Mitbewerber Teile der Produktion ins Ausland verlagerten oder stärker auf Handelswaren setzten, blieb Schmincke bei hoher Fertigungstiefe – und wurde weniger anfällig für Rohstoffschwankungen und volatile Lieferketten. Die Branche konsolidierte, Traditionsmarken wurden verkauft oder integriert – Schmincke blieb eigenständig.
Das Modell erwies sich als krisenfest: Die Rezessionen der 1980er, die Finanzkrise 2008 und selbst die Corona-Jahre trafen das Unternehmen vergleichsweise mild. Die hohe Fertigungstiefe und die Nähe zur professionellen wie semiprofessionellen Kundschaft stabilisierten Nachfrage und Prozesse. Die Premiumnische bot weniger Volumen, aber höhere Margen und eine robuste Nachfragebasis – ökonomisch ein Vorteil.
„Meliora Cogito“ – Das Gründer-Motto als DNA
„Ich trachte nach dem Besseren.
 (Eingraviert in jede Tube seit 1881)

„Made in Germany“ – ohne Kompromiss

Schmincke ist einer der wenigen Hersteller, die vollständig in Deutschland produzieren – aus Überzeugung. Am Standort Erkrath entstehen sämtliche Produktlinien: 139 Horadam-Aquarellfarben, darunter 50 supergranulierende Töne, 108 Mussini-Ölfarben, 84 Norma-Farben, dazu PRIMAcryl, Gouachen, Temperafarben und Pastelle.
Die Fertigungstiefe ist außergewöhnlich: Harz-Öl-Verbindungen, Binder, Emulsionen und Gummiarabikum-Lösungen entstehen im eigenen Haus; Pigmente, Mahlprozesse und Abfüllung werden selbst kontrolliert. „Made in Germany“ ist hier kein Label, sondern operatives Prinzip.
International war Europa historisch Kernmarkt; die USA spielten schon früh eine bedeutende Rolle. Heute vertreibt Schmincke seine Produkte über Fachhändler und Distributoren in rund 65 Ländern – mit breit diversifizierter Exportstruktur und ohne Abhängigkeit von einzelnen Regionen. Für einen reinen Inlandsproduzenten ist diese globale Präsenz bemerkenswert – und ein Beleg für die Wirksamkeit des Qualitätsfokus.
Auch Zahlen und Auszeichnungen bestätigen dies: kontinuierliches Wachstum, hohe Eigenkapitalquote, Marken des Jahrhunderts 2024, Creative Impulse Award 2025.

140 Jahre Spannung einer ungewöhnlichen Familiengeschichte

Schmincke ist ein seltener Fall: ein Farbhersteller, dessen Entwicklung eng mit einer verzweigten Gründerfamilie, politischen Brüchen und technischer Beharrlichkeit verwoben ist.
Die Familien Schmincke, Horadam und Hesse verbanden sich durch zwei Ehen. In zweiter Generation führte Dr. Julius Hesse das Unternehmen ab 1918 – getragen vom finanziellen Rückhalt seiner Frau Gerta, einer jüdischen Bankierstochter.
Die NS-Zeit markierte einen massiven Einschnitt. Julius Hesse starb 1937, sein Sohn Ernst O. Hesse übernahm als „Halbjude“ zwischen Anpassungsdruck und Verfolgung. Seine Mutter entkam knapp der Deportation durch Flucht in die Schweiz, er selbst musste sich 1944 verstecken. Produktionsanlagen waren zerstört, Rohstoffe knapp. Der Wiederaufbau gelang auch dank eines zeitweisen Importgeschäfts.
Mit Wirtschaftswunder, Wiederbelebung des Kunstbetriebs und Produktinnovationen stabilisierte sich das Unternehmen. In den 1950ern beschäftigte Schmincke rund 120 Mitarbeiter, belieferte über 30 Länder und wuchs trotz Rohstoffknappheit. In den 1960ern kamen Acrylfarben hinzu; Schmincke beteiligte sich am HKS-Farbsystem.
1971 trat mit Peter Hesse die vierte Generation an – ein Marketingfachmann, der Schmincke international positionierte. Sortiment und Exportmärkte wuchsen; Europa blieb Kernmarkt, die USA und Australien gewannen an Bedeutung. Die Doppelspitze aus Chemiker-Vater und Marketing-Sohn prägte zwei stabile Jahrzehnte.
Ab Ende der 1990er-Jahre führten familienfremde Geschäftsführer das Unternehmen in eine neue Phase: Professionalisierung, technologische Modernisierung, Ausbau des Exportgeschäfts und Sortimentserweiterung – vor allem bei Acrylfarben. Der Exportanteil stieg auf über 50 Prozent.
Trotz Wandel blieb die Identität konstant: Konzentration auf hochwertige Künstlerfarben. Diese Klarheit trug das Unternehmen durch Kriege, Krisen und Generationswechsel.

Tradition in neuer Form – und ein Blick nach vorn

Schmincke ist ein Beispiel für ein Familienunternehmen, das seine Identität bewahrt und zugleich strukturell erneuert. Die Entscheidung, wesentliche Anteile künftig stiftungsgebunden zu halten, sichert den Markenkern – Unabhängigkeit, Qualität, Fertigung in Deutschland – über Generationen hinweg.
Professionelle Geschäftsführung und langfristige Eigentümerstruktur ergänzen sich: Die Marke bleibt ihren Werten verpflichtet, ohne sich dem Wandel zu verschließen. Ein Modell, das zeigt, wie ein Spezialanbieter auch in einer volatilen Welt erfolgreich bleibt – indem er das Wesentliche schützt und zugleich bereit ist, sich weiterzuentwickeln.

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.