DPolG-Chef Teggatz alarmiert: Neuer Höchststand unerlaubter Einreisen

Als Bürger muss man längst die Frage stellen: Wie frustriert müssen Polizisten sein, die schon länger im Dienst sind und wissen, wie es laufen könnte. alexander-wallasch.de bittet Heiko Teggatz kurz vor dem Jahresausklang 2022 um ein aktuelles Lagebild.
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„Das größte Problem ist, dass politisch nicht unterschieden wird zwischen Zuwanderung und Migration.“ Heiko Teggatz, Bundesvorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft.Foto: iStock
Von 20. Dezember 2022

Dieser Artikel erschien zuerst auf Alexander Wallasch.de

Alexander Wallasch: Herr Teggatz, wie sieht die aktuelle Lage aus Sicht der Bundespolizei aus, was die Zuwanderung nach Deutschland angeht?

Heiko Teggatz: Nach wie vor hochdramatisch. Wir hatten jetzt im Monat November nach dem September noch mal einen erneuten Höchststand an Feststellungen unerlaubter Einreise. Die Routen sind weiterhin sehr aktiv, die Balkanroute, die Belarusroute. Auch die zentral-mediterrane Route über Italien schlägt momentan an der schweizerischen Grenze ein. Also derzeit erkenne ich nicht, dass die Maßnahmen, die die Bundesinnenministerin bisher ergriffen hat, nämlich die verstärkten Schleierfahndungen, tatsächlich den Zustrom über die europäischen und deutschen Grenzen stoppen.

Alexander Wallasch: Ich kann mich erinnern, dass Horst Seehofer die schon hat einführen wollen, weil er die normale Grenzsicherung nicht vollziehen konnte. Wie bigott ist das also, einerseits eine Schleierfahndung, wie Sie sagen, zu intensivieren und andererseits den Bürgern das Gefühl zu geben, dass die Massenzuwanderung, dass die Grenzüberschreitungen immer weniger geahndet werden, dass vor allen Dingen auch eine Einladungspolitik entsteht mittlerweile, welche auf dem Freifahrtschein eines Chancenaufenthaltsrechts und per Probeeinwanderung wirklich jeden einlädt, der kommen mag …

Heiko Teggatz: Das größte Problem ist, dass politisch nicht unterschieden wird zwischen Zuwanderung und Migration. Ich glaube, es steht außer Frage, dass wir in Deutschland Arbeitskräfte benötigen. Das könnte man mit einem guten Zuwanderungsgesetz regeln. Zeitgleich muss aber die illegale Migration – und das sind zwei verschiedene Dinge – natürlich konsequent eingedämmt werden, weil ansonsten werden wir immer mehr Menschen in unser Sozialsystem aufnehmen, die sich nicht am Arbeitsmarkt beteiligen. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Und das verkennt die Politik noch nach wie vor, dort mal konsequent zu unterscheiden, wen holen wir gezielt nach Deutschland, um ihn in Lohn und Brot zu bringen? Und wen versuchen wir nach Möglichkeit gar nicht erst nach Deutschland zu lassen bzw. wen können wir an der Grenze zurückweisen? Das ist das Problem.

Alexander Wallasch: Ich habe das Gefühl, dass die Leute, die tatsächlich qualifiziert sind, gar nicht nach Deutschland kommen wollen, weil sie ironischerweise durch die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung abgeschreckt werden. Manche Leute wollen gar nicht in ein Land mit so großen, wachsenden Zuwanderungsproblemen. Mit anderen Worten: Zuwanderung stößt Zuwanderung ab.

Heiko Teggatz: Das kann ich aber nicht bestätigen. Dafür stecke ich zu wenig drin in der Materie, um mich jetzt am Arbeitsmarkt auszulassen. Ich bin ja nur derjenige, der aus sicherheitspolitischen Aspekten begutachtet, was dort gerade passiert. Und da sind die Alarmleuchten nach wie vor auf Rot und die Kommunen und die Städte kommen immer mehr jetzt in die Verlegenheit, Platz zu schaffen, um all die Menschen, die nach Deutschland kommen – das sind ja nicht nur die, die unerlaubt einreisen, sondern auch die mittlerweile über 1,2 Millionen ukrainische Kriegsvertriebenen, die hierherkommen – unterzubringen. Da stößt Deutschland an seine Grenzen, da bin ich mir ganz sicher.

Alexander Wallasch: Sie haben den Begriff „Kriegsvertriebene“ betont. Sind Sie davon überzeugt, dass jeder Ukrainer, der kommt, tatsächlich auch ein Kriegsvertriebener ist?

Heiko Teggatz: Wenn ich jetzt die Witterungsverhältnisse in Deutschland und in der Ukraine anschaue und feststelle, dass Russland dort gezielt kritische Infrastruktur bombardiert und dort Menschen bei unter minus 20 Grad ausharren, dann kann ich schon davon ausgehen, dass die Menschen tatsächlich dort aus ihrem Land schlichtweg vertrieben werden. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass viele der Ukrainer, die sich derzeit hier in Deutschland aufhalten, nach dem Krieg auch wieder in die Ukraine gehen …

Alexander Wallasch: Dazu gibt es aktuelle Umfragen, die besagen, dass zwei Drittel hier bleiben wollen.

Heiko Teggatz: Diese Umfragen kenne ich so nicht. Wenn es so sein soll, kann ich das nicht beurteilen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass 90 Prozent von denen, die unerlaubt nach Deutschland einreisen, nicht wieder zurückgehen wollen in ihre Heimatländer. Und deshalb sehe ich da das größere Problem als bei den ukrainischen Kriegsflüchtlingen.

Alexander Wallasch: Ich kann mich erinnern, dass vor dem russischen Angriffskrieg die Ukraine ein Land war, aus dem Menschen sehr gern nach Deutschland kommen wollten. Schon der ehemalige Außenminister Joschka Fischer hatte ein großes Problem mit Visa-Missbrauch.

Heiko Teggatz: Also meine Erfahrung aus Anfang der 2000er Jahre, oder Mitte der 90er Jahre, ist, dass wir damals, als es ja noch die Grenzkontrollen gab, sehr, sehr viele ukrainische Schwarzarbeiter andauernd an der Grenze hatten. Aber das ist ja heute eine ganz andere Situation. Auch ukrainische Staatsangehörige dürfen inzwischen, wenn sie die Genehmigung bekommen, in Deutschland oder auch Europa einer Erwerbstätigkeit nachkommen. Da sind die Gesetze weit vorangeschritten bis zum heutigen Zeitpunkt. Insofern kann man das, glaube ich, nicht mehr miteinander vergleichen. Der Vergleich würde auch hinken.

Alexander Wallasch: Wo könnten Sie den deutschen Bürger beruhigen und sagen, Frau Nancy Faeser und die Bundesregierung sorgen schon für eine vernünftige Grenzsicherung, um illegale Migration aufzuhalten. Was wären Ihre Punkte, wo Sie sagen, hier wird eine tolle Arbeit geleistet.

Heiko Teggatz: Die Entscheidung, die stationären Grenzkontrollen an der österreichischen Grenze zu verlängern, war die einzig richtige Entscheidung unserer Ministerin. Nur so wird es der Bundesrepublik Deutschland gelingen, irgendwo den Strom, über die dort aufeinandertreffenden Balkanroute und weitere Routen in den Griff zu bekommen, weil wir dort eben als Bundespolizei tatsächlich auch an der Grenze zurückweisen dürfen. Das dürfen wir an allen anderen Grenzen nicht, weil sich unsere Ministerin bis heute nicht dafür ausgesprochen hat, dort stationäre Grenzkontrollen einzuführen.

Alexander Wallasch: Wie viele Leute kommen über Flughäfen? Haben sie da Zahlen? Und wie sieht es dort mit Abweisungen aus?

Heiko Teggatz: Nein, also konkrete Zahlen kann ich Ihnen da nicht bringen. Ich weiß aber, dass wir nach wie vor ein Problem haben mit dem Schengen-Binnenflugverkehr aus Griechenland. Sie wissen ja auch, es gibt zwei Gerichtsurteile von Oberverwaltungsgericht, die uns untersagen, sogenannte Dublin-Rückführungen nach Griechenland durchzuführen, weil die Menschen dort in Griechenland nach Auffassung der Gerichte nicht menschenwürdig behandelt werden …

Alexander Wallasch: Das hat nach wie vor Gültigkeit?

Heiko Teggatz: Das hat nach wie vor Gültigkeit. Jeder, der in einem Binnen-Schengen-Flug über den Flughafen in Deutschland ankommt aus Athen, der wird zwar von uns erfasst und registriert. Aber dann werden diese Menschen auch in Deutschland untergebracht, weil wir sie eben nicht im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Dublin-Verfahrens nach Griechenland zurückbringen dürfen.

Alexander Wallasch: Verbessern Sie mich bitte, wenn ich etwas Falsches sage: Die Bundespolizei ist auch zuständig für Sicherheit auf Bahnhöfen usw. Wie ist denn die Erfahrung in den letzten Monaten? Bahnhöfe, illegale Migrationsproblematik usw. Das sind ja immer auch kriminelle Hotspots vom Drogenverkauf bis sonst was. Wie sieht die Situation auf den deutschen Bahnhöfen aus?

Heiko Teggatz: Wir stellen – und das ist bedingt durch den Migrationsdruck, der vorherrscht und die stichprobenartigen Kontrollen, die wir ja nur an den Grenzen durchführen – vermehrt in den letzten Monaten auch in den sogenannten Inlandsdienststellen, also auf den Bahnhöfen, unerlaubte Aufenthalte fest.

Das Problem, was die Bundespolizei hat: Wir sind in Inlandsdienststellen nach dem Aufenthaltsgesetz keine Grenzbehörde und damit auch nicht zuständig für aufenthaltsbeendende Maßnahmen.

In der Praxis sieht das so aus, dass meine Kolleginnen und Kollegen, wenn sie beispielsweise am Hamburger Hauptbahnhof einen afghanischen Staatsangehörigen aufgreifen, der sich ganz offensichtlich unerlaubt in Deutschland aufhält, dann die Personalien erfassen und die Person und der Sachverhalt an die ständige Landespolizei und an die Landesbehörden übergeben werden.

Mit dem Ergebnis, dass dann auch dort letztendlich erst mal das ganz normale rechtsstaatliche Verfahren beginnt zu laufen. Also über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und über die Landeseinrichtungen. Und irgendwann, wenn das Asylverfahren dann abgeschlossen ist, die Person dann außer Landes gebracht wird. Nach Jahren.

Dort haben wir im Rahmen der Novelle unseres Bundespolizeigesetzes bereits in der letzten Legislaturperiode darauf gedrungen, dass wir eine Zuständigkeitserweiterung im Paragraphen 71 Aufenthaltsgesetz erhalten, dass die Bundespolizei auch im Inland in ihrer originären Zuständigkeit auf den Bahnhöfen zuständige Behörde für die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz ist. Das ist uns leider im letzten Gesetzesvorhaben in der letzten Legislaturperiode durch den Bundesrat kaputtgemacht worden, also durch die Länder, und ist jetzt in einer Novelle, die uns demnächst vorgelegt werden wird zur Mitbestimmung, gar nicht mehr vorgesehen.

Alexander Wallasch: Was heißt hier „vorgelegt zur Mitbestimmung“?

Heiko Teggatz: Den Spitzenverbänden, dem Deutschen Beamtenbund, dessen stellvertretender Vorsitzender ich jetzt bin seit einer Woche.

Alexander Wallasch: Herzlichen Glückwunsch.

Heiko Teggatz: Danke. Der Deutsche Beamtenbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund werden bei solchen Gesetzesvorhaben immer beteiligt. Im Rahmen der Verbändebeteiligung nach Paragraph 118 Bundesbeamtengesetz haben wir die Möglichkeit, zu dem jeweiligen Vorhaben noch mal Stellung zu nehmen, bevor das dann ins parlamentarische Verfahren geht. Aber man hat schon signalisiert, dass in dieser Novelle, in diesem mittlerweile fast dreißig Jahre alten Bundespolizeigesetz, eine solche Befugnis eben nicht vorgesehen ist.

Alexander Wallasch: Zum Thema Abschiebung, wie ist da die aktuelle Situation? Konkreter Fall: In Illerkirchberg wird eine Vierzehnjährige getötet. Vor drei Jahren gab es dort schon einmal eine stundenlange Vergewaltigung eines Mädchens durch Afghanen. Ein Asylbewerber ist mittlerweile aus dem Gefängnis zurück und wieder am Ort angesiedelt worden. Keine andere Gemeinde wollte ihn aufnehmen. Abschiebung? Offensichtlich nicht möglich, weil Frau Faeser sagt, die Talibanherrschaft in Afghanistan sei zu gefährlich für den Herrn. Wie soll man das dem Bürger noch erklären? Haben Sie eine Idee?

Heiko Teggatz: Ja, es ist schwer zu verstehen. Abschiebung an sich ist leider Aufgabe und Zuständigkeit jedes Bundeslandes für sich. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass beispielsweise in Bayern mehr Abschiebungen erfolgreich durchgeführt werden als beispielsweise in Berlin oder Brandenburg, weil eben die Zuständigkeit für das Abschieben bei den jeweiligen Ländern liegt.

Der Bund hat eine halbe Zuständigkeit für die Einschätzung, welche Länder sicher sind und welche nicht. Aber auch da fehlt dem Bund, also dem Auswärtigen Amt in diesem Fall, die klare Zuordnung der Zuständigkeit, festzustellen, ob es für eine Person lebensgefährlich ist, dorthin abzuschieben oder nicht.

An diesen konkreten Beispielen festgemacht sage ich Ihnen allerdings ganz ehrlich: Jemand, der hier in Deutschland so schwere Straftaten begeht und anderen Menschen so viel Leid antut oder gar das Leben nimmt, da würde ich mir sehr wünschen, dass dort in diesen Einzelfällen weniger Rücksicht darauf genommen wird, ob das Land, wohin wir abschieben sollen, sicher ist oder nicht. Hier geht es um die Sicherheit der Bevölkerung und der in Deutschland lebenden Menschen und nicht um die Sicherheit eines einzelnen Straftäters.

Alexander Wallasch: Danke für das Gespräch!

 



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