Drei bayerische Besonderheiten im Wahlrecht – Erststimme viel wichtiger als bei Bundestagswahl

Die sieben bayerischen Wahlkreise und ihre 91 Stimmkreise – Einige Besonderheiten der bayerischen Wahl.
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Markus Söder bei der Stimmabgabe in Nürnberg,14. Oktober 2018.Foto: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images
Von 14. Oktober 2018

Heute wird in Bayern gewählt. Zunächst geht es nur um die Zusammensetzung des neuen Landtages, doch es ist die wichtigste Wahl in Deutschland seit der Bundestagswahl vor 13 Monaten. Denn Bayern ist nicht nur das Bundesland mit den meisten Einwohnern nach NRW, es ist auch die Hausmacht der CSU und damit enorm wichtig für die Union in Berlin, auch für die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin. Bei dieser Wahl gibt es aber einige Besonderheiten im Wahlrecht, die den meisten, so auch mir bis vor wenigen Tagen, gar nicht bekannt sind.

Die Erststimmen werden in Bayern bei der Berechnung der Anzahl der Sitze im Landtag mitgezählt

9,5 Millionen Bayern sind heute aufgerufen, ihren Landtag neu zu wählen. Der bayerische Landtag besteht seit 2003 aus mindestens 180 Sitzen. Davon werden ungefähr die Hälfte, derzeit 91, in Stimmkreisen nach relativer Mehrheitswahl und die restlichen 89 über offene Listen vergeben. Bayern wird dazu in sieben Wahlkreise mit 91 Stimmkreisen eingeteilt. In jedem der 91 Stimmkreise zieht der Kandidat in den Landtag ein, der die meisten Erststimmen erhalten hat. Soweit so gut, doch nun kommen einige Besonderheiten.

Zunächst zum wichtigsten Unterschied. Bei der Bundestagswahl und auch den meisten anderen Landtagswahlen (oder gar allen) kommt es letztlich primär auf die Zweitstimme an. Nur diese bestimmt, welche Partei wie viele Sitze im Parlament erhalten wird. Mit der Erststimme kann der Wähler bei diesen Wahlen Einfluss nehmen auf die konkreten Personen, die in den Bundestag oder in den jeweiligen Landestag einziehen – wer die meisten Stimmen im Wahlkreis erhält, der zieht direkt in den Bundestag ein -, nicht aber auf die Anzahl der Sitze für die Partei, der er seine Stimme geben will. Das ist in Bayern anders. Denn hier werden für die Berechnung der Anzahl der Sitze im Landtag sowohl die Erst- als auch die Zweitstimmen gezählt. Das heißt, die Erststimme ist in Bayern sehr viel wichtiger.

Auch mit der Zweitstimme kann der Wähler einen konkreten Kandidaten wählen

Der zweite gravierende Unterschied zur Bundestagswahl: In Bayern kann der Wähler die Liste verändern. Mit seiner Zweitstimme hat er nämlich nicht nur allgemein die Möglichkeit eine Partei anzukreuzen, sondern er kann auch mit der Zweitstimme ganz konkret einen Bewerber auf der Liste einer Partei ankreuzen. Somit stärkt er nicht nur die Partei, sondern auch diese Einzelperson.

Der Wähler nimmt also starken Einfluss auf die Parteiliste. In anderen Bundesländern und bei der Bundestagswahl bestimmt die jeweilige Partei, wer auf ihrer Landesliste ganz oben und wer ganz unten steht. Die ganz unten haben in der Regel keine Chance, über die Zweitstimme ins Parlament einzuziehen, die ganz oben sind quasi gesetzt und ziehen mit Sicherheit über die Zweitstimme ins Parlament ein. Nicht so in Bayern. Hier können die Wähler die Parteiliste über ihre Kreuze quasi selbst erstellen. Die Reihenfolge, in der die Kandidaten in den bayerischen Landtag einziehen, bestimmen hier also die Wähler, nicht die Parteien, was sehr viel demokratischer ist.

Die sieben bayerischen Wahlkreise und ihre 91 Stimmkreise

Zu nennen wäre noch eine dritte bayerische Sonderregelung. Es gibt keine landesweite Bayernlisten. Die Kandidaten sind nur in den Listen der sieben bayerischen Wahlkreise (Regierungsbezirke) wählbar. Die Kandidaten aus Oberbayern sind also in Mittelfranken, Niederbayern oder in der Oberpfalz nicht wählbar und umgekehrt. Witzig ist, dass Markus Söder, der zwar in der Landeshauptstadt München extrem plakatiert wird, dort aber gar nicht gewählt werden werden kann – auch nicht mit der Zweitstimme. Warum nicht? Weil er in Mittelfranken kandidiert und nur dort auf der Wahlliste zu finden ist.

  1. Oberbayern: eingeteilt in 31 Stimmkreise. Oberbayern schickt also 31 mit der Erststimme direkt gewählte Kandidaten in den Landtag plus 30 Kandidaten über die Wahlkreisliste, insgesamt also 61.
  2. Schwaben: eingeteilt in 13 Stimmkreise + 13 Wahlkreisabgeordnete = 26 Abgeordnete insgesamt.
  3. Mittelfranken: eingeteilt in 12 Stimmkreise + 12 Wahlkreisabgeordnete = 24 Abgeordnete insgesamt.
  4. Unterfranken: 10 Stimmkreise + 9 Wahlkreisabgeordnete = 19 Abgeordnete.
  5. Niederbayern: 9 + 9 = 18
  6. Oberpfalz: 8 + 8 = 16
  7. Oberfranken: 8 + 8 = 16

Aktives und passives Wahlrecht

Wählen (aktive Wahlberechtigung) darf jeder Deutsche, der a) das 18. Lebensjahr vollendet hat und b) seit mindestens drei Monaten seinen (Haupt-)Wohnsitz in Bayern hat. Wählbar (passives Wahlrecht) ist ebenfalls jeder ab 18 Jahren.

Für den bayerischen Ministerpräsidenten gilt allerdings eine andere Regelung. Wählbar ist hier jeder wahlberechtigte Bayer, aber nur sofern er das 40. Lebensjahr vollendet hat. Das heißt, die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze kann nicht bayerische Ministerpräsidentin werden, sollte der eher unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche Fall eintreten, dass es zu einer grün-rot-orange-gelben Regenbogenkoalition käme. Denn Katharina Schulze ist erst 33 Jahre alt.

Der andere grüne Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen und Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Ludwig Hartmann, hätte aber das notwendige Alter. Er ist vor knapp drei Monaten 40 Jahre alt geworden.

Mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Fritz.



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