Drosten: Im Herbst kommen Kontaktbegrenzungen – „mit Sicherheit“

Die Impfquote sei viel zu niedrig, um gelassen in den Herbst zu gehen, warnt Virologe Christian Drosten. Für eine Schubumkehr scheint es schon zu spät.
Epoch Times4. September 2021

Der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten bezweifelt, dass Deutschland allein durch Impfangebote eine akzeptable Impfquote in der Corona-Pandemie erreichen kann. Hauptgrund sei eine gewisse Gleichgültigkeit in der Bevölkerung, sagte Drosten im Podcast „Das Coronavirus-Update“ von NDR Info. Deutschland werde deshalb im Herbst „mit Sicherheit“ wieder Kontaktbegrenzungen brauchen. „Gelassen in den Herbst zu gehen, ist eine gewagte Vorstellung“, sagte der Wissenschaftler in dem am Freitag veröffentlichten Podcast.

Auch mit Blick auf die Zahl von Corona-Patienten in Krankenhäusern zeigte sich Drosten wenig optimistisch. Er rechne damit, dass die Entwicklung sowohl Intensivstationen als auch die anderen Stationen und Notaufnahmen belasten werde. Für Ungeimpfte über 60 Jahre sei es ein „riesiges Risiko“, ungeimpft in diesen Herbst zu gehen.

Er gehe jedoch nicht davon aus, dass Deutschland über Ansprache der Bevölkerung mit der Impfquote noch viel weiter komme, sagte Drosten dem Sender. „Und darum glaube ich, dass die Politik eine schwere Aufgabe vor sich hat und konsequent auch Entscheidungen treffen muss bald.“ Gefragt worden war Drosten in diesem Zusammenhang auch nach einer Impfpflicht als Option.

61 Prozent vollständig geimpft

Bislang sind 61 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Im August nahm die Impfquote nur noch um rund 10 Prozentpunkte zu. Nach dem jüngsten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) haben in der Bevölkerung über 60 Jahre 83 Prozent den vollen Impfschutz. Bei den Erwachsenen zwischen 18 und 60 Jahren liegt die Quote bei 65 Prozent. Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 sind es 21 Prozent.

Nach RKI-Berechnungen müssen aber mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein, damit eine „ausgeprägte neue Welle mit vollen Intensivstationen“ im Herbst und Winter unwahrscheinlich wird.

„Es ist leider nicht gelungen, diese Impfquote zu erzielen“, resümierte Drosten. Er selbst hatte auf 80 Prozent gehofft. Theoretisch könne man sich aus einer Pandemie quasi herausimpfen, sagte Drosten. Dafür hält der Forscher eine gesamtgesellschaftliche Impfquote von über 90 Prozent für nötig – was derzeit utopisch scheint.

Man könne versuchen, die Dringlichkeit von Impfungen in Deutschland zu vermitteln, sagte der Virologe. „Es gibt eine grundsätzliche Offenheit. Ich würde nur ganz wenigen nicht geimpften Personen im Moment unterstellen, dass die jetzt vollkommen verrückte Geschichten glauben.“ Manchmal sei es eher eine gewisse Gleichgültigkeit, die eine Entscheidung für die Impfung verhindere.

Das sei der große Unterschied zu Menschen in Portugal oder Spanien. „Die haben eine schreckliche gesamtgesellschaftliche Erfahrung hinter sich. Viele Tote und einen richtigen Lockdown, wo man nur zum Einkaufen mit Begründung nach draußen darf, und auf der Straße patrouilliert das Militär.“ Das sei ein wirklicher Lockdown. „Das haben wir in Deutschland nicht erlebt. Wir können, glaube ich, diese Erfahrung in Deutschland nicht im Nachhinein noch simulieren.“

Hohe Impfbereitschaft bei Jugendlichen

Was ihn aber optimistisch stimme, sei die hohe Impfbereitschaft bei den 12- bis 17-Jährigen, sagte Drosten. „Das ist extrem positiv zu sehen. Wir haben hier eine junge, auffassungsfähige Bevölkerungsschicht.“ Auch beim Thema Schule zeigte sich der Virologe optimistisch. Es sei durchaus möglich, den Schulbetrieb in Winterhalbjahr aufrecht zu erhalten.

Auf den Kliniken werde dagegen „erheblicher Druck“ lasten. Auf den Normalstationen würden Covid-19-Patienten dann um Behandlungskapazitäten konkurrieren mit Kranken, die andere Nöte hätten. Für die Intensivstationen sei es wiederum ein Problem, dass die Impfquote bei den Älteren mit oft schweren Verlaufsformen nicht über 90 Prozent gestiegen sei. Bei steigenden Inzidenzen werde es zudem auch unter Jüngeren Intensiv-Fälle geben, ergänzte Drosten.

Auch Erfahrungen aus England mit hohen Inzidenzen in der Delta-Welle haben Drosten zu denken gegeben. Es habe dort mehr Klinikeinweisungen und auch Todesfälle gegeben als er vermutet hätte, sagte der Virologe. „Da bleibt noch mehr übrig an Gefahr zu sterben.“ (dpa/oz)



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