EU: Dynamischer Gaspreisdeckel für Großhändler beschlossen

Nach langen Verhandlungen hat die Bundesregierung nun doch einem EU-weiten Gaspreisdeckel zugestimmt. Ab dem 15. Februar dürfen unter bestimmten Bedingungen Gasgroßeinkäufer in der EU kein Gas mehr kaufen, das für mehr als 180 Euro pro Megawattstunde angeboten wird.
Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH) im niedersächsischen Rehden.
Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH) im niedersächsischen Rehden.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 20. Dezember 2022

Die Energieminister der EU-Staaten haben sich am 19. Dezember in Brüssel auf eine gemeinsame Regelung für einen Gaspreisdeckel für Großeinkäufer geeinigt. Der Marktkorrektur-Mechanismus soll ab dem 15. Februar 2023 greifen. Es handele sich um einen „dynamischen Deckel“, sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela nach Informationen von „n-tv“.

Und der soll so funktionieren: Sobald der Großhandelspreis für eine Megawattstunde Erdgas oder Flüssiggas (LNG) am niederländischen TTF-Markt („Title Transfer Facility“) drei Tage in Folge 35 Euro über dem internationalen LNG-Preis und zugleich über 180 Euro liegt, könnte Großhändlern der Gasankauf verboten werden. Der noch maximal zulässige Ankaufspreis würde dann aber nicht unbedingt auf 180 Euro begrenzt, sondern auf einen Preis genau 35 Euro über dem aktuellen internationalen LNG-Preis. Der Mechanismus soll, einmal ausgelöst, für 20 Tage gelten.

Betroffen wären nur Kaufverträge, mit denen Gas einen Monat, drei Monate oder ein Jahr im Voraus gehandelt wird. Kleinere Gaseinkäufe, also so genannte „Over-the-counter“-Geschäfte, sind nach Informationen der „Tagesschau“ nicht von dem Mechanismus betroffen.

Der Preisdeckel solle „eine dämpfende Wirkung auf die Energiepreise insgesamt“ auslösen und „Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa“ schützen, so die Tagesschau. Die Einigung muss nach Informationen von „faz.net“ noch „formal“ von den Mitgliedstaaten angenommen werden. Das gelte lediglich als Formsache.

In den vergangenen Tagen lag der Gaspreis pro Megawattstunde bei ungefähr 115 Euro. Im August hatte er mit 340 Euro seinen bislang höchsten Stand erreicht.

Deutschland stimmt am Ende doch zu

Die Einigung war mit den Ja-Stimmen von 15 EU-Staaten zustande gekommen. Deutschland, die Niederlande und Österreich hatten bisher auf einer höheren Preisobergrenze bestanden, um die Versorgungssicherheit noch besser zu gewährleisten.

Ihre Befürchtung: Bei einer zu niedrigen Preisgrenze könnte die Gefahr bestehen, dass Gaslieferanten ihre Ware auf anderen Märkten – etwa in Asien – zu höheren Preisen verkauften. Österreich und die Niederlande enthielten sich bei der Abstimmung, Ungarn war dagegen, Deutschland gab letztendlich grünes Licht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, dass man sich zur Zustimmung erst nach einer Einigung auf verschiedene Sicherheitsmaßnahmen durchgerungen habe: „Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren“, sagte Habeck nach Informationen des Nachrichtensenders „n-tv“.

Der Preisdeckel-Mechanismus könne wieder ausgesetzt werden, falls es in Teilen der EU zu einer Gasmangellage komme oder wenn der dynamische Preisdeckel drei Tage lang wieder unter die Schwelle von 180 Euro falle. Deutschlands Zustimmung sei auch aus Solidarität erfolgt. „Sollte sich herausstellen, dass ein Markteingriff nicht opportun ist, dann hoffe ich, dass wir die politische Kraft finden, das auch noch mal infrage zu stellen“, sagte Habeck.

Kompromiss nach langem Streit

Dem Beschluss waren monatelange Streitigkeiten vorangegangen. Die EU-Kommission hatte sich laut „faz.net“ trotz genereller Bedenken für einen Deckel von 275 Euro ausgesprochen. Die Marke von 180 Euro komme nun den Vorstellungen von Griechenland, Belgien, Italien und Polen relativ nahe: Sie hätten 160 Euro als Grenze für den Mechanismus gefordert.

Moskau habe den EU-Beschluss „wie jede Bezugnahme“ auf eine Preisdeckelung bereits als „inakzeptabel“ kritisiert, berichtet „n-tv“. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow habe von einer „Verletzung des Prozesses der Preisbildung auf dem Markt“ gesprochen.

Der amerikanische Börsenbetrieber Intercontinental Currency Exchange (ICE) habe angekündigt, den EU-Beschluss „zunächst intensiv zu prüfen“, bevor er reagieren wolle. Zuletzt hatte ICE mit einem Rückzug aus der EU gedroht, falls ein Preisdeckel beschlossen werde.

Weg für zwei weitere EU-Beschlüsse frei

Nach Einschätzung von „faz.net“ sind nun auch die Hindernisse für zwei andere umstrittene EU-Gesetze aus dem Weg geräumt.

Nun könnten bald ein „Gesetz für den gemeinsamen Gaseinkauf“ und ein „Gesetz für die spürbare Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Wind- und Sonnenkraft“ Realität werden.

Für „wichtige Projekte“ könnte dann auf die bisherige „doppelte Umweltprüfung“ verzichtet werden, was dem Wunsch von Wirtschaftsminister Habeck entsprechen würde. Beide Vorhaben seien bislang von mehreren EU-Staaten blockiert worden, um den Gaspreisdeckel durchzusetzen.



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