Fast zwei Prozent der Schüler mit der Diagnose Depression

Schon Schulkinder können unter Depressionen leiden. In welchem Ausmaß Ärzte diese Diagnose bei Kindern und Teenagern stellen, hat eine Krankenkasse nun untersucht.
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Bei Teenagern kann es für Laien schwer sein, Anzeichen für eine Depression vom normalem „Pubertieren“ mit heftigen Stimmungsschwankungen zu unterscheiden.Foto: istock
Epoch Times21. November 2019

Innere Unruhe, nagende Selbstzweifel, kaum Energie: Fast zwei Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland haben nach einer Studie der DAK-Krankenkasse unter ihren Versicherten eine diagnostizierte Depression.

Für ihren aktuellen Kinder- und Jugendreport hat die Kasse dazu die Abrechnungsdaten von mehr als 370.000 Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren für das Jahr 2017 ausgewertet. Demnach diagnostizierten Ärzte bei 1,9 Prozent der Schüler eine zumeist mittelschwere depressive Episode und bei 2,2 Prozent eine Angststörung.

Hochgerechnet auf alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland entspricht das nach Angaben der Kasse 131.000 Schüler dieser Altersgruppe mit Depressionen und 136.000 mit Angststörungen pro Jahr. Solche Hochrechnungen sind unter Experten allerdings umstritten, da Krankenkassen unterschiedliche Versichertenstrukturen haben.

Bei der DAK sind nach Angaben der Kasse insgesamt rund sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 0 und 17 Jahren in Deutschland versichert. Sie wertet ihre Studie mit Blick auf die Alters- und Geschlechtsverteilung als repräsentativ.

Mädchen häufiger depressiv, allgemeine Dunkelziffer hoch

Mädchen waren nach den Kassendaten deutlich häufiger wegen Depressionen beim Arzt als Jungen. Fast jeder sechste junge Patient (17 Prozent) bekam 2017 ein Antidepressivum verordnet, zumeist von Fachärzten. Bis zu acht Prozent der betroffenen Kinder und Teenager kamen zur Behandlung einer Depression in eine Klinik, durchschnittlich mehr als einen Monat lang (39 Tage).

„Im Report sehen wir nur die Spitze des Eisbergs“, kommentierte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, den Bericht. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“ Es gebe viele Kinder, die an Depressionen litten und erst spät in die Praxen kämen.

Beim Übergang von der Klinik in die ambulante Versorgung sieht die Kasse große Lücken: Rund ein Viertel der jungen Patienten komme später erneut ins Krankenhaus. „Wir brauchen eine offene Diskussion über das Tabuthema Depressionen bei Kindern“, forderte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Die Stigmatisierung durch einen langen Aufenthalt in der Jugendpsychiatrie sei für Betroffene eine zusätzliche Belastung.

Dass Depressionen nicht allein ein Thema für Erwachsene sind, ist bekannt. „Wir gehen von etwa zwei betroffenen Kindern pro Schulklasse aus“, sagt Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Der Psychiater schätzt die Zahlen der Kasse als realistisch ein. Für Deutschland gibt es Studien, nach denen rund acht Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren im Laufe eines Jahres an einer anhaltenden depressiven Störung erkranken. Das sind rund fünf Millionen Menschen.

Ärzte erkennen das Leiden heute besser

Eine Depression könne sowohl genetisch bedingt sein als auch zum Beispiel durch Traumatisierungen oder Missbrauchserfahrungen erworben werden, erläutert Hegerl. Fachleute seien sich heute einig, dass die Neigung zu Depressionen in Deutschland nicht steigt. Vielmehr gebe es mehr Diagnosen, weil Ärzte das Leiden besser erkennen und mehr Menschen als früher bereit sind, sich Hilfe zu suchen.

Zu den Anzeichen für eine Depression gehören oft Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Konzentrationsstörungen führen häufig zu weniger Leistungsfähigkeit. Bei schweren Episoden ziehen sich Betroffene stark zurück. Kinder und Teenager schaffen es dann kaum noch, in die Schule zu gehen. Dauer, Intensität und Symptome einer Depression können aber sehr unterschiedlich sein. Unbehandelt können schwere Episoden bis zu Suizidgedanken führen.

Bei Teenagern kann es für Laien schwer sein, Anzeichen für eine Depression vom normalem „Pubertieren“ mit heftigen Stimmungsschwankungen zu unterscheiden. Für Fachleute sei es jedoch recht gut möglich, zum Beispiel Gefühle von innerer Versteinerung zu erkennen, so Hegerl. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe geht davon aus, dass im Vorschulalter ein Prozent der Kinder und im Grundschulalter rund zwei Prozent betroffen sind.

Bei Jugendlichen stiegen die Raten dann an: Zwischen 12 und 17 Jahren seien es drei bis zehn Prozent Betroffene. Ulrich Hegerl zufolge geht mit einer unbehandelten depressiven Erkrankung bei jungen Menschen ein hohes Risiko einher, Schule oder Ausbildung nicht erfolgreich beenden zu können.

Die Zahlen der Kasse zeigen Zusammenhänge, die ähnlich bereits in anderen Studien belegt wurden: So steigt laut Report das Depressionsrisiko bei Kindern und Teenagern, wenn bereits Elternteile psychisch oder anders chronisch erkrankt sind. Auch eine eigene chronische Erkrankung, Adipositas, Diabetes, Asthma und Schmerzen können das Depressionsrisiko bei jungen Leuten laut Bericht erhöhen.

Jungen unterdiagnostiziert

Für Jungen geht die DAK davon aus, dass Depressionen unterdiagnostiziert sind: Wie erwachsene Männer bagatellisierten sie häufig seelische Probleme. Wie Psychiater Hegerl sagt, erkranken Mädchen ab der Pubertät und Frauen generell häufiger an Depressionen.

Die eigene Familie scheint Kinder umgekehrt auch vor erworbenen Depressionen schützen zu können: Besonders ausgeprägt zeigte sich das in den Kassendaten von Akademikerfamilien. Vermutlich könnten sie ihren Kindern Bildung, ein gutes Netz und soziale Sicherheit bieten, heißt es von der DAK. Das mache den Nachwuchs vielleicht widerstandsfähiger gegen psychische Leiden.

Insgesamt zählten im Report Atemwegserkrankungen, Infektionen, Augen- und Hautprobleme zu den häufigsten Erkrankungen bei den 10- bis 17-Jährigen. Psychische Erkrankungen folgten mit 24 Prozent auf Platz fünf. Depressionen machten darunter nur einen kleinen Teil aus – am häufigsten diagnostizierten Ärzte Entwicklungs- und Verhaltensstörungen. (dpa)



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