Influencerin Tina Goldschmidt klingt gern „nach Osten“

Dialekt-Videos haben auf Social-Media-Plattformen eine große Fangemeinde. Auch eine Sächsin mischt ziemlich erfolgreich mit – und will ein paar Vorurteile abbauen.
Tina Goldschmidt ist unter @schnappatmig auf Instagram und TikTok bekannt.
Tina Goldschmidt ist unter @schnappatmig auf Instagram und TikTok bekannt.Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Epoch Times2. April 2024

„Sachsen ist hässlich“, „Sächsisch klingt dumm“ – das sind Kommentare, die Tina Goldschmidt unter ihren Kurzvideos auf Instagram und Tiktok liest. Dort unterhält die 36-Jährige unter dem Namen „schnappatmig“ Zigtausende Follower mit Comedy-Videos auf Sächsisch. Von den negativen Reaktionen lässt sie sich nicht abschrecken: Goldschmidt will mit Vorurteilen gegen den sächsischen Dialekt aufräumen.

Bis vor einigen Jahren war es auch der gebürtigen Sächsin noch unangenehm gewesen, in der Öffentlichkeit Dialekt zu sprechen, wie sie sagt: „Es war einfach ein latentes Gefühl von peinlich berührt sein, von ‚Was würden die Leute denn von mir denken?‘“. Heute steht sie zu ihrem Sächsisch: „Dialekt hat für mich auch etwas mit Herzlichkeit und Wärme zu tun. Wenn man einfach mal schwatzen kann, verbindet das.“

In ihren Kurzvideos stellt Goldschmidt Situationen aus dem Alltag nach. Mal ist sie eine freundliche Flugbegleiterin: „Im Falle eines Druckvorlustes falln Sauorstoffmasken alleine von dor Degge“. Mal eine Kindergärtnerin, die sich mit Kindern auf Augenhöhe unterhält: „Or Riggo, mei Gudsor, wasn los?“

Und ein andermal wird sie zur motivierten Fitness-Trainerin „Und rüber, nüber, nunnor, nuff!“ Auch fallen Begriffe wie „sabbeln“ und „Filou“. Ihr Ziel mit alldem: Den „Sächsisch-Gap“ der sozialen Medien abschaffen.

„Die Angst davor, dumm zu klingen, wenn man Sächsisch spricht“

Goldschmidt studierte Sozialwissenschaften in Bremen, ihren Master absolvierte sie in Oxford und promovierte anschließend in Stockholm in Soziologie. „Nicht nach Osten klingen“ – das war Goldschmidt in ihrer universitären Karriere oft als etwas Positives, Erstrebenswertes widergespiegelt worden.

Diese Wahrnehmung lässt sich auch bei anderen Menschen in Goldschmidts Kommentarspalten finden. „Leute schreiben: ‚Ich habe mich jahrelang bemüht, Hochdeutsch zu lernen, damit man das nicht mehr erkennt, dass ich eigentlich Sächsisch spreche‘“, erzählt sie. „Mein Eindruck ist, dass die Sorge über Generationen hinweg verteilt ist.“ Denn was in den Kommentaren ebenfalls immer wieder auftauche: „Die Angst davor, dumm zu klingen, wenn man Sächsisch spricht.“

Von Goethe, über Sachsen-Komiker zu Walter Ulbricht

Von seinem schlechten Image werde der obersächsische Dialekt schon seit dem späten 19. Jahrhundert verfolgt, erklärt der Linguist Beat Siebenhaar von der Universität Leipzig. Erklärungen gibt es dafür einige: Sie reichen von Goethe, der vom Sächsischen nicht viel hielt, über die Sachsen-Komiker bis hin zum Politiker Walter Ulbricht und den DDR-Grenzsoldaten.

Auch Pegida-Demos und weitere zeitgenössische Phänomene weckten negative Assoziationen. Siebenhaar fügt hinzu: „Zudem wird das Sächsische immer wieder von Nicht-Sachsen imitiert, um die etwas einfältigen, eher städtisch geprägten Kleinbürger und Kleinbürgerinnen mit Hang zu rechten Strukturen zu charakterisieren.“

Goldschmidt merkt jedoch an, dass die überwiegende Mehrheit der Kommentare positiv sei. Menschen fänden den sächsischen Dialekt in ihren Videos sympathisch, planten zum ersten Mal in ihrem Leben eine Reise gen Osten.

Dennoch sieht Goldschmidt eine klare Diskrepanz zu Content-Creatoren, die sich mit anderen, nicht-ostdeutschen Dialekten befassen. „Dieses Sächsisch-klingt-dumm kommt immer wieder. Ich habe beispielsweise kein einziges Mal gelesen Hessisch-klingt-dumm“.

Sachsen als Sinnbild für Ostdeutschland

Sächsisch ist für viele der einzig als „ostdeutsch“ erkennbare Dialekt. Siebenhaar erklärt: „Da die Sachsen und Thüringer einen großen Teil der Bewohner der ehemaligen DDR ausgemacht haben, war es dieser Dialekt, der im Zusammenhang mit der DDR am häufigsten gehört wurde.“

Somit sei dieser im Gegensatz zu anderen Dialekten „markiert“ – vorbelastet, sozusagen – und werde für Stereotypisierungen verwendet.

Siebenhaar fügt hinzu: „Dass nun Politiker, Wissenschaftlerinnen, Bankdirektoren im beruflichen Kontext Sächsisch sprechen, ist im Moment kaum absehbar. Dann aber könnten solche Vorurteile abgebaut werden.“

In der Realität mag dies noch unwahrscheinlich erscheinen – auf Goldschmidts Social-Media-Kanälen ist aber schon heute zu erleben, wie es sich anhört. (dpa/red)



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