Nach Berliner Demo-Wochenende: Innensenator Geisel gegen Demo-Verbot, aber für Maskenpflicht

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) will Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Regierung auch nach den Vorfällen vom Wochenende nicht grundsätzlich verbieten lassen. Das müsse man sorgfältig bewerten, sagte der SPD-Politiker am Montag im RBB-Inforadio. Allerdings sei in den vergangenen Tagen genau das eingetreten, was von der Berliner Versammlungsbehörde prognostiziert worden sei.
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Demonstranten an der Siegessäule am 28. August 2020.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times30. August 2020

Die Gefahrenbewertung der Polizei sei nicht falsch gewesen, betonte Innensenator Geisel. Nun müsse man sehen, was das für die Zukunft bedeutet.

„Es ist ja nichts so gut, dass es nicht besser gemacht werden könnte, sowohl die Polizeitaktik, als auch die Frage, wie wir rechtlich mit der Situation umgehen.“

Es sei aber klar geworden, dass sich nicht nur Menschen versammelt hätten, die einzelne Corona-Entscheidungen der Bundesregierung oder der Landesregierungen kritisierten, „sondern, dass dort auch eine ganze Menge Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf der Straße waren, und dass wir dem entgegentreten müssen“.

Dafür will Geisel eine generelle Maskenpflicht bei Demonstrationen in der Hauptstadt. Eine entsprechende Änderung der Infektionsschutzverordnung werde er dem Senat am Dienstag gemeinsam mit Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) vorschlagen, sagte Geisel am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Rechtsänderung sei „ein wichtiges Signal“ an die Veranstalter der umstrittenen Demos vom Wochenende.

Am Samstag waren in Berlin nach Geisels Angaben bis zu 38.000 Menschen aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen auf den Straßen. Der Innensenator kritisierte, dass der Mindestabstand vor allem bei dem Aufzug von Querdenken in der Friedrichstraße nicht eingehalten wurde. Die Teilnehmer führten dazu an, dass aufgrund der Sperrung der Seitenstraßen gar keine Ausweichfläche vorhanden gewesen sei. Zudem hatte die Polizei die Straße nach vorne blockiert, sodass ankommende Menschen von hinten gedrückt hätten. Als die Polizei die Teilnehmer aufgefordert hatten, Mund-Nasen-Bedeckungen anzulegen, kamen sie in großer Anzahl dieser Aufforderung nach. Laut Geisels Angaben folgten die Demonstranten der polizeilichen Anweisung nicht. Schließlich wurde der Aufzug noch vor seinem Start beendet.

Protest von Regierungskritikern vor Reichstag

Wie konnte es passieren, dass am Samstag am Rande der Demonstrationen gegen die Corona-Politik in Berlin 300 bis 400 Regierungskritiker Absperrungen vor dem Sitz des Bundestags überwinden und die Freitreppe besetzen konnten? Müssen die Sicherheitsmaßnahmen nun verschärft werden?

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und die Polizeiführung müssen heute (9.00 Uhr) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses Rede und Antwort stehen zu dem Einsatz bei den Demonstrationen. Es sei eine „Sondersitzung des Gremiums“ einberufen worden, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ARD-Morgenmagazin. Es müsse mit dem Berliner Senat geredet werden, wie das Parlament zu schützen sei.

„Ich möchte das Parlament nicht verbarrikadieren“, sagte Klingbeil weiter. Doch „diese Bilder schaden Deutschland im internationalen Ansehen“, sagte er mit Blick auf die Ereignisse vom Samstagabend. Es müsse geschaut werden, welche Demonstrationen zugelassen würden. Klingbeil stellte sich auch hinter Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) der ursprünglich ein Verbot der Corona-Proteste am Wochenende angestrebt hatte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will zudem Polizisten in seinen Amtssitz Schloss Bellevue zum Gespräch empfangen, die am Parlamentsgebäude eingesetzt waren. Dort hatten zunächst nur drei Beamte mit Mühe die andrängende Menge vom Eingang ins Plenargebäude ferngehalten.

Politiker loben Polizei-Einsatz

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nannte es in den ARD-„Tagesthemen“ „verabscheuungswürdig, was da geschehen ist“. Insgesamt sei die Berliner Polizei aber mit der Sache „gut fertig geworden“. Er stellte infrage, dass sie besser darauf hätte vorbereitet sein müssen: „Wie wollen sie darauf vorbereitet sein?“, fragte er rhetorisch. Der Deutschen Presse-Agentur hatte Schäuble zuvor gesagt, dass es überhaupt zu dem Angriff habe kommen können, müsse „schnell und umfassend aufgearbeitet werden“.

Steinmeier und Politiker aller Parteien, auch der AfD, hatten das Vorgehen der Demonstranten verurteilt. „Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen“, sagte Steinmeier. Er hatte bereits am Sonntag den Polizisten gedankt, „die in schwieriger Lage äußerst besonnen gehandelt haben“. Ähnlich äußerten sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Innensenator Geisel. „Ich danke der Polizei, dass sie diesen Spuk schnell beendet hat“, sagte Geisel.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch schlug vor, die Polizisten zu ehren, die zunächst allein den Parlamentseingang geschützt hatten. Mit Bezug auf einen der drei, der sich der Menge ohne Helm entgegengestellt hatte, sagte er im ZDF: „Das ist eigentlich jemand, der ein Bundesverdienstkreuz verdient hat.“

Müller will nun „auswerten, wie das Einsatzkonzept der Polizei verbessert werden kann“. Auf Twitter schrieb er aber auch: „Mit Besonnenheit und einem klare Grenzen setzendem Konzept konnte die Polizei an vielen Stellen in der Stadt Schlimmeres verhindern.“

Politiker diskutieren Demoverbot am Bundestag

Bundespolitiker von CSU und Grünen regten an, die Beschränkungen für Demonstrationen in unmittelbarer Nähe des Bundestags zu erweitern. Der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich schlug vor, das faktische Demonstrationsverbot nicht mehr nur auf die Sitzungstage des Parlaments zu beschränken – „mit der Möglichkeit Ausnahmen zuzulassen“, wie er der „Welt“ sagte. Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sieht Handlungsbedarf.

Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) hingegen sagte: „Ich sehe keine unmittelbare Notwendigkeit, aufgrund dieses einen zugegebenermaßen unerträglichen und beschämenden Vorfalls, die Bannmeile um den Reichstag zu erweitern oder die Regelungen zu verschärfen.“

Nach Polizeiangaben hatten am Samstagabend etwa 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und sich vor dem verglasten Besuchereingang aufgebaut. Dabei wurden vor dem Herzstück der Demokratie auch schwarz-weiß-rote Flaggen des deutschen Kaiserreichs geschwenkt. Nach einer Weile bekamen die drei ersten Polizisten Verstärkung, und die Beamten drängten die Menschen auch mit Pfefferspray zurück.

Zuvor hatten nach Schätzungen der Polizei knapp 40.000 Menschen aus ganz Deutschland weitgehend friedlich auf der Straße des 17. Juni gegen die Corona-Politik demonstriert.

Insgesamt waren laut Polizei noch deutlich mehr Demonstranten bei weiteren Veranstaltungen in der Innenstadt unterwegs. Vor der russischen Botschaft kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann riet davon ab, die vielfach gezeigten Reichsflaggen zu verbieten. Die mit Hakenkreuz seien verboten, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag). „Alle Varianten und Spielarten dieser Flagge strafbewehrt zu verbieten wäre unverhältnismäßig und kein geeignetes Instrument zur Bekämpfung rechten Gedankengutes.“

Bayerns Innenminister für Ausweitung des Schutzes von Parlamenten

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert als Konsequenz aus den Vorfällen am Reichstagsgebäude eine deutliche Ausweitung des Schutzes der Parlamente in Deutschland. „Ich spreche mich ausdrücklich dafür aus, dass jetzt Bund und Länder in den Parlamenten sorgfältig prüfen, ob nicht der früher striktere Schutz der Bannmeilen um unsere Parlamente wiederhergestellt werden sollte“, sagte Herrmann in der „Bild“-Sendung „Die richtigen Fragen“. Und weiter: „Es hatte in der Vergangenheit seinen guten Grund, dass die unmittelbare Umgebung der Parlamente von Bund und Ländern tabu war für entsprechende Versammlungen und Veranstaltungen.“

Man habe das immer großzügiger gehandhabt. „Aber wir haben aufgrund der schrecklichen Bilder gestern gesehen, wohin das führen kann.“ Der bayerische Innenminister plädierte dafür, den Schutz der Bannmeilen ganzjährig und nicht nur in den Sitzungswochen gelten zu lassen. Er könne gut verstehen, dass sich viele Menschen über die Ereignisse von Samstag aufregen und dass der Bundespräsident sich dazu geäußert habe: „Dann muss man daraus auch Konsequenzen ziehen.“

Heftiger Widerspruch kam vom stellvertretenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Joachim Stamp (FDP): „Ich glaube nicht, dass wir einem solchen Mob die Macht geben sollten, dass wir tatsächlich den Umgang mit unseren Parlamenten verändern“, sagte Stamp in der „Bild“-Sendung. Es müsse aber bei den unmittelbaren Sicherheitsmaßnahmen „nachgearbeitet werden“. (dts/dpa/sua)



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