Nach Özdemirs überraschender Kampfkandidatur: Schweigen bei den Grünen

Es ist eine Ansage, die es in sich hat: Ex-Grünen-Chef Özdemir strebt an die Fraktionsspitze. Er zwingt die bisherigen Fraktionschefs Göring-Eckardt und Hofreiter damit in einen Machtkampf. Die Ankündigung hat die Parteiführung in einen Schock versetzt.
Titelbild
Cem ÖzdemirFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times8. September 2019

Auf die Ankündigung einer Kampfkandidatur des Grünen-Politikers Cem Özdemir um die Fraktionsspitze im Bundestag hat die Parteiführung zunächst mit Schweigen reagiert.

Kein Spitzenpolitiker kommentierte öffentlich den überraschenden Schritt vom Samstag. Dabei müssen Partei- und Fraktionsführung nun dafür sorgen, dass das anstehende Ringen nicht den Wahlkampf vor der Landtagswahl Ende Oktober in Thüringen beeinträchtigt.

Der frühere Parteivorsitzende tritt bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands am 24. September im Team mit der Bremer Abgeordneten Kirsten Kappert-Gonther an. Sie wollen Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter ablösen, die erneut für die Doppelspitze kandidieren.

Aus dem Bewerbungsschreiben

„Wir sind überzeugt davon, dass ein fairer Wettbewerb der Fraktion gut tut – nach außen und nach innen“, heißt es in dem Bewerbungsschreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Die Hoffnungen für einen politischen Aufbruch lägen „zu Recht maßgeblich bei uns Grünen“ – daher trage die Fraktion auch eine „sehr hohe Verantwortung“, die das Kandidatenduo „mit Euch zusammen“ annehmen wolle.

Ausdrücklich stellen Özdemir und Kappert-Gonther nicht die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck infrage. „Wir streben keine Spitzenkandidatur im nächsten Bundestagswahlkampf an“, betonen sie. Es gehe ihnen um die „beste Aufstellung als Fraktion“.

Özdemir und Kappert-Gonther heben in ihrem Schreiben an die Fraktion hervor, „nie stand die Klimakrise spürbarer im Fokus, nie wurde der Wunsch nach Veränderungen mit starken grünen Akteur*innen deutlicher gesellschaftlich formuliert als jetzt“. Damit verbinde sich für die Grünen eine „entscheidende Verantwortung“. Es gehe nun bis zur nächsten Bundestagswahl darum, „mit neuem Schwung der Gegenpol einer schwachen Regierung“ zu sein und „mit Mut und Empathie auszubuchstabieren, was konstruktive und progressive Politik bedeutet“.

Zugleich betonen die Bewerber, die Grünen seien die Partei, die „am klarsten den rassistischen, antifeministischen und antisemitischen Abgeordneten am rechten Rand entgegentreten“. Die Verantwortung in dieser Auseinandersetzung müssten die Grünen „mit voller Kraft in der Herzkammer unserer Demokratie“, im Bundestag, angehen.

Özdemir war bis Januar 2018 Bundesvorsitzender der Grünen und hatte seine Partei als Spitzenkandidat an der Seite von Göring-Eckardt in die Bundestagswahl 2017 geführt. Kappert-Gonther ist Sprecherin der Grünen-Fraktion für Drogenpolitik und Gesundheitsförderung. Nach ihrer Tätigkeit als Ärztin war sie 2011 in die Bremische Bürgerschaft eingezogen, seit 2017 sitzt sie im Bundestag.

Göring-Eckardt/Hofreiter führt die Fraktion bereits seit Oktober 2013

Die Fraktionschefs werden zwar einzeln gewählt und nicht im Team, es muss aber mindestens eine Frau dabei sein. In der Regel sind auch beide Parteiflügel – Linke und sogenannte Realpolitiker – an der Spitze der Fraktion vertreten. Kappert-Gonther gehört wie Hofreiter zu den Parteilinken, Özdemir und Göring-Eckardt sind „Realos“.

Das Duo Göring-Eckardt/Hofreiter führt die Fraktion bereits seit Oktober 2013. Bei der vorigen Fraktionswahl im Januar 2018 hatten die beiden ohne Gegenkandidaten jeweils nur rund zwei Drittel der Stimmen der 67 Grünen-Abgeordneten bekommen.

„Wir sind die kleinste Oppositionsfraktion, aber tragen große Verantwortung“, schreiben Özdemir und Kappert-Gonther, die seit 2017 im Bundestag sitzt und dort Sprecherin der Grünen für Drogenpolitik ist. „Diese Verantwortung wollen wir mit Euch gemeinsam annehmen und bewerben uns als Team bei Euch als Fraktionsvorsitzende.“

Die Fraktion sei am „schlagkräftigsten“, wenn jeder und jede „eine aktive Rolle übernimmt und die eigenen Stärken auch ausspielen kann“. Zusammenarbeit solle nicht „Zuarbeit aus fein parzellierten Kleingärten“ sein, sondern „ein gemeinsames Einstehen für miteinander entwickelte Projekte“.

Die angekündigte innerparteiliche Machtprobe erwischt die Grünen in einer Zeit, da ihre stark gestiegenen Umfragewerte etwas zu sinken beginnen. Im vor Özdemirs Ankündigung erhobenen Emnid-Sonntagstrend der „Bild am Sonntag“ büßen sie abermals einen Prozentpunkt ein und kommen auf 21 Prozent. Im Gegenzug klettern Sozialdemokraten und Linke um jeweils einen Punkt auf 16 beziehungsweise 8 Prozent. Unverändert bleiben die Werte von Union (29), AfD (14) und FDP (7). (dpa)



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