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Verteidigungsfähigkeit

Neues Wehrdienstgesetz: Heftige verbale Scharmützel in der Koaliton

Union und SPD streiten um den Wehrdienst-Gesetzentwurf. Die SPD setzt weiter auf Freiwilligkeit bei der Rekrutierung von Soldaten, doch CDU/CSU glauben nicht, dass die erhoffte Personalstärke auf diese Weise zu erreichen ist und plädiert für eine neue Wehrpflicht.

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Verteidigungsminister Pistorius fordert die Union auf, sich an den vereinbarten Zeitplan zu halten.

Foto: dts Nachrichtenagentur

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Lesedauer: 6 Min.

Der Entwurf für das neue Wehrdienstgesetz sorgt für verbale Scharmützel in der Schwarz-Roten Koalition. Wie die „Bild“-Zeitung als erstes berichtete, lehnt die Unionsfraktion das Papier von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ab, weil es ihr nicht weit genug geht. Zur Begründung nannten CDU und CSU die  „aktuelle Bedrohungslage“. Gemeint sind die Drohnenflüge über Deutschland, Dänemark und Polen, für die die Russen verantwortlich sein sollen.

Vorerst keine Beratung über den Entwurf

Ursprünglich war für die kommende Woche eine Beratung des Entwurfs geplant. Die erste Lesung sollte am 9. Oktober über die Bühne gehen. Doch nun ist das Thema nach dem Unionsveto von der Tagesordnung gestrichen. „Es darf bei der Wehrpflicht jetzt keine halbgaren Lösungen geben“, zitiert die „Bild“ aus Unionskreisen.
Der Entwurf des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes zielt darauf ab, rechtliche Rahmenbedingungen zur Modernisierung des Wehrdienstes, zur Wehrerfassung und zur Erhöhung der Zahl aktiver Angehöriger sowie einsatzbereiter Reserven zu schaffen. Der neue Grundwehrdienst soll zunächst freiwillig sein. Er sieht aber eine Ermächtigung der Bundesregierung vor, per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages eine verpflichtende Heranziehung Ungedienter anzuordnen. Diese könnte zum Zuge kommen, falls die verteidigungspolitische Lage oder ein Mangel an Freiwilligen eine schnellere personelle Aufrüstung erforderlich machen.
Zur Wehrerfassung ist der Versand eines Online-Fragebogens an junge Personen vorgesehen; Männer sind zur Beantwortung verpflichtet, Frauen können freiwillig teilnehmen. Ab dem 1. Juli 2027 ist eine verpflichtende Musterung für 18-jährige Männer vorgesehen, Frauen können freiwillig mitwirken. Die Dienstdauer sollen flexibel zwischen sechs und 23 Monaten möglich sein, wobei längere Verpflichtungszeiten weitergehende, qualifizierende Ausbildungen ermöglichen. Die Grundausbildung umfasst Tätigkeiten als Wach- und Sicherungssoldaten mit erweiterter Heimatschutzbefähigung. Wehrdienstleistende sollen künftig nach der Besoldungstabelle für Zeit- und Berufssoldaten entlohnt werden.

Union glaubt nicht an genug freiwillige Soldaten

Der Entwurf nennt zusätzliche Anreize wie Sprachkurse, Fortbildungen und Zuschüsse, wobei als grobe Angabe ein Netto-Sold von rund 2.300 Euro genannt wird. Als Personalziele werden rund 260.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten genannt, begleitet von schrittweisen personellen Steigerungen sowie der Reaktivierung der Wehrerfassung ab 2027.
Nichtbefolgen bestimmter Pflichten, etwa das Ausfüllen des Fragebogens, kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Organisatorisch sieht der Entwurf die Wiedereinrichtung oder den Ausbau von Strukturen wie Kreiswehrersatzämtern sowie Anpassungen im Wehrpflichtgesetz und Soldatengesetz vor. Die Anordnung verpflichtender Maßnahmen durch die Exekutive bleibt an parlamentarische Zustimmung gebunden. Das Gesetz schafft Ermächtigungs‑ und Umsetzungsgrundlagen, konkrete Aktivierungsschritte bedürfen zusätzlicher Entscheidungen.
Die Union glaubt indes nicht, dass die gewünschte Zahl an Soldaten durch Freiwilligkeit zustande kommt. Laut „Bild“ fordern daher immer mehr Politiker aus Reihen der Fraktion die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Vorneweg Außenminister Johann Wadephul. Ende August hatte er bereits versucht, den Pistorius-Entwurf im Kabinett zu stoppen und dazu einen Ministervorbehalt eingebracht. Auf Druck von Bundeskanzler Friedrich Merz nahm er den allerdings wieder zurück. Am 27. August stimmten schließlich alle Minister des Merz-Kabinetts dem Wehrdienstgesetz zu.

Pistorius wirft CDU Fahrlässigkeit vor

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat die Union scharf für ihre Blockade seines Wehrdienstgesetzes kritisiert. Das berichten Agenturen.  „Das Verhalten der Unionsfraktion ist fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des neuen Wehrdienstes und damit auch die Wiedereinführung der Wehrerfassung verzögert“, sagte der SPD-Politiker dem „Handelsblatt“. Im parlamentarischen Verfahren gebe es verschiedene Möglichkeiten, vom Gesetzentwurf abweichende Haltungen einzubringen – etwa durch Änderungsanträge. Auch die Anhörung von Sachverständigen diene genau dazu, Expertise von außen einzuholen, sodass kein Argument unberücksichtigt bleibe.
Die Verhandlungen dürften schwierig werden. Der SPD-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, hatte bereits Anfang Juni betont, dass es in dieser Legislaturperiode keine Verhandlungen über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht geben wird. „Im Koalitionsvertrag ist eindeutig festgelegt, dass wir auf Freiwilligkeit setzen“, sagte er. Epoch Times berichtete. Er hält das mittelfristige Ziel, 60.000 neue Soldaten auf freiwilliger Basis zu rekrutieren, für erreichbar.
CDU und CSU fordern nun einen „konkreten Anwuchspfad“ für die Zahl der Bundeswehrrekruten und klare Vorgaben dafür, was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden, wie der Fraktionspressesprecher weiter sagte. Solange es keine Einigung mit der SPD gebe, solle der Entwurf auch nicht im Bundestag verhandelt werden. Die erste Lesung des Gesetzes in der kommenden Woche werde daher voraussichtlich von der Tagesordnung genommen.

Spahn: Russland könnte ab 2029 NATO-Land angreifen

Prominente Unionspolitiker wie Fraktionschef Jens Spahn (CDU) hatten laut „Welt am Sonntag“ auf die jüngsten Verletzungen des NATO-Luftraums durch russische Drohnen und Flugzeuge und auf das Szenario hingewiesen, dass Russland ab 2029 in der Lage sein könnte, ein NATO-Land anzugreifen.
Die erste Lesung des Gesetzentwurfs mit Verweis auf die Luftraumvorfälle zeitlich zu verschieben, zeige die Widersprüchlichkeit des Vorgehens der Union, das viele in der Regierung sehr überrascht habe, sagte Verteidigungsminister Pistorius. „Was Drohnenüberflüge mit dem Wehrdienst zu tun haben sollen, bleibt das Geheimnis der Unionsvertreter“, betonte der SPD-Politiker.
Damit schade die Union auch dem Ansehen der Regierung, anstatt Vertrauen aufzubauen. „Daher fordere ich die Unionsfraktion auf, am Zeitplan festzuhalten und sich so einzubringen, wie es das parlamentarische Verfahren vorsieht“, sagte der Verteidigungsminister.
(Mit Materialien der Agenturen)
Nach einem zweijährigen Volontariat arbeitet Oliver Signus seit mehr als 30 Jahren als Redakteur. Seit 2022 schreibt er für Epoch Times. Dabei ist die vielschichtige, abwechslungsreiche Arbeit das tägliche Salz in der Suppe. Als Schwerpunkte haben sich die brisanten Themen unserer Zeit wie das World Economic Forum (WEF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herauskristallisiert.

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