„Zustände wie in Diktatur“ – Berlin bereitet sich auf Wiederholungswahlen vor

Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey will Anfang nächsten Jahres die Wahlen in Berlin wiederholen. Ein Verfassungsrichter übte besonders herbe Kritik.
Anstehen zum Wählen: Am 26. September 2021 in Berlin.
Anstehen zum Wählen: Am 26. September 2021 in Berlin.Foto: Steffi Loos/Getty Images
Von 9. Oktober 2022

Am 16. November will das Verfassungsgericht des Landes Berlin sein endgültiges Urteil über die Frage einer Wiederholung der Wahlen in Berlin verkünden. Dies berichtete der „Tagesspiegel“. Der SPD-Abgeordnete Christian Hochgrebe hatte dies am Donnerstag (6. Oktober) im Rahmen einer Plenarsitzung angekündigt. Das Landesverfassungsgericht bestätigte den Termin.

Senatsverwaltung hat noch Frist zur Stellungnahme

An diesem Tag verkündet das Gericht, in welchem Umfang die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) zu wiederholen seien. Die Ampelkoalition im Bund empfiehlt eine Wiederholungswahl in etwa 300 Wahlkreisen mit Zweitstimme. In einer Anhörung vergangene Woche hatten die Richter hingegen eine deutliche Tendenz zu einer Komplettwiederholung erkennen lassen.

In diesem Fall müssten sowohl die Wahlen zum Abgeordnetenhaus als auch jene zu den BVVs wiederholt werden. Bis zum 21. Oktober hat jedoch die Senatsverwaltung für Inneres noch die Möglichkeit, schriftlich ihre Argumente vorzutragen.

Giffey kündigte „reibungslose“ Wahlen Anfang nächsten Jahres an

Das Land Berlin bereitet sich unterdessen bereits auf eine komplette Wiederholung der Wahl vom September des Vorjahres vor. Diese müsste bis Mitte Februar 2023 über die Bühne gegangen sein – maximal 90 Tage ab dem Tag der Verkündung des Urteils.

In der Sendung „Frühstart“ bei RTL/ntv am Freitag (7. Oktober) erklärte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey:

Für die Zukunft gerichtet, ist es meine Verantwortung und die werde ich wahrnehmen, mit einer sehr guten Vorbereitung der nächsten Wahl, wie auch immer sie aussieht.“

Sie geht davon aus, dass es „Wiederholungswahlen werden und die Verantwortung ist, dass wir alles tun, damit das reibungslos verläuft“. Sie stellte in Aussicht, dass dann ein „reibungsloser Ablauf gesichert“ sein werde.

Man könne, so die SPD-Politikerin auf Nachfrage, „nicht einer einzigen Person die volle Verantwortung“ für die Mängel bei der Wahl zuschreiben. Diese seien allerdings „genau begutachtet und aufgearbeitet worden“. Mit einer neuen Landeswahlleitung wolle man eine Wahlvorbereitung bewerkstelligen, die alle Hinweise berücksichtige.

Peter Müller: In Deutschland „bislang nicht vorstellbar“

Unterdessen hat Bundesverfassungsrichter Peter Müller in einem Podcast der „FAZ“ massive Kritik am Ablauf der Wahlen in Berlin geübt. Die geschilderten Ereignisse hätte man sich „vor einigen Jahrzehnten vorstellen können in irgendeinem diktatorischen sogenannten Entwicklungsland, aber doch nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland“.

Er gab seiner Einschätzung Ausdruck, dass in Berlin „tatsächlich Abläufe, wie sie in vergleichbarer Weise jedenfalls in Deutschland noch nie stattgefunden haben“, zutage getreten seien. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident, der im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts für das Wahlrecht zuständig ist, kritisierte zudem die Mandatsverteilung nach dem Bundeswahlgesetz. Diese habe „mittlerweile ein Maß an Komplexität erreicht, das für den Normalbürger aus meiner Sicht nicht mehr durchschaubar ist“. Aus diesem Grund laufe derzeit auch ein abstraktes Normenkontrollverfahren gegen diese Regelung.

„Vielzahl schwerer Fehler“ bei Vorbereitung und Durchführung der Wahlen

Ende September hatte das Berliner Verfassungsgericht bei einer mündlichen Verhandlung zur Gültigkeit der Wahl eine komplette Wiederholung in Betracht gezogen. Präsidentin Ludgera Selting sprach dabei von einer „Vielzahl schwerer Wahlfehler“ bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Zu diesen gehörten unter anderem fehlende Stimmzettel, lange Warteschlangen bis nach Verkündung erster Hochrechnungen oder zwischenzeitlich geschlossene Wahllokale.

Auch gegen das Ergebnis der Bundestagswahl in Berlin gab es zahlreiche Einsprüche – insbesondere von Bundeswahlleiter Georg Thiel. Für deren Prüfung ist jedoch der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags zuständig. Hier könnte es zumindest zu einer Wiederholung der Wahl in mehreren Stimmkreisen kommen.

(Mit Material von dts, dpa und AFP)



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