Mit der vorgezogenen Neuwahl hat die britische Premierministerin Theresa May ihrem Land kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen eine Phase der Instabilität beschert. Ihre konservativen Tories wurden bei der Parlamentswahl am Donnerstag zwar stärkste Kraft, können aber nicht mehr alleine regieren. Die Bildung einer Koalition dürfte schwierig werden. Die oppositionelle Labour-Partei gewann deutlich hinzu. Deren Chef Jeremy Corbyn forderte Mays Rücktritt. Wie aus am Freitagmorgen veröffentlichten Zahlen hervorgeht, könnten die Tories auf 319 der insgesamt 650 Sitze im Unterhaus kommen, 309 Sitze sind bislang sicher. Die Vergabe von 16 Sitzen stand noch aus. Damit war es für die Konservativen nicht mehr möglich, die absolute Mehrheit von 326 Sitzen zu erreichen. Die Labour-Partei unter ihrem dezidiert linken Vorsitzenden gewann der Prognose zufolge 37 Mandate hinzu und käme auf 266 Sitze. Die Schottische Nationalpartei (SNP) rutschte den Nachwahlbefragungen zufolge von 54 auf 34 Sitze ab. Die Liberaldemokraten, die bereits 2010 einmal eine Koalition mit den Tories gebildet hatten, kamen auf 14 Sitze. Die EU-Befürworter schlossen aber bereits am Donnerstag eine Koalition mit Mays Partei aus. So trat die Situation eines "hung parliament" ein - eine parlamentarische Hängepartie, in der keine Partei aus eigener Kraft regieren kann. In diesem Falle liegt die Initiative zur Regierungsbildung laut britischem Wahlrecht beim amtierenden Premierminister. Corbyn forderte die Regierungschefin zum Rücktritt auf. May habe "Wählerstimmen, Unterstützung und Vertrauen verloren", sagte der Labour-Chef am frühen Freitagmorgen. Sie müsse abtreten und Platz machen für eine "wirklich repräsentative Regierung". Auch die frühere konservative Ministerin Anna Soubry erklärte, May habe einen "schrecklichen" Wahlkampf geführt. Die Premierministerin befinde sich nun in einer "sehr schwierigen Position". May erklärte hingegen, Großbritannien brauche "eine Phase der Stabilität". Sollten sich die Prognosen bestätigten, sei es Aufgabe der Tories, "sicherzustellen, dass wir diese Phase der Stabilität haben". May, die eigentlich noch bis 2020 mit absoluter Mehrheit hätte regieren können, hatte die Neuwahlen Mitte April auf einem Umfragehoch einberufen. Ihr Ziel war es, sich ein stärkeres Mandat für die eigentlich am 19. Juni beginnenden Brexit-Verhandlungen zu holen. Nach den jüngsten islamistischen Anschlägen im Vereinigten Königreich war aber die Sicherheitsdebatte im Wahlkampf in den Vordergrund getreten. Bei drei Anschlägen in London und Manchester waren in den vergangenen drei Monaten 34 Menschen getötet worden. Im Wahlkampf wurde May angekreidet, dass mit ihrer Mitwirkung als Innenministerin seit 2010 rund 20.000 Stellen bei der Polizei gestrichen worden waren. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte, er befürchte negative Auswirkungen auf die Brexit-Verhandlungen. "Dieses Ergebnis bedeutet, dass überhaupt keiner Kompromisse machen kann", sagte Brok in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". "Das wird für die Brexit-Verhandlungen sehr große Erschwernisse mitbringen." Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), sagte am Freitag im ZDF-Morgenmagazin, es dürfe nun "keine Zeit vergeudet" werden. Unabhängig von der Frage, wer in Großbritannien die Regierung bilde, "müssen wir schnellstmöglich loslegen, weil die Uhr läuft". "Wir haben weniger als zwei Jahre Zeit, um den Austritt zu einem halbwegs guten Abschluss zu bringen." (afp)