Machtkampf in La Paz: Morales will Neuwahlen einberufen – Elite-Polizisten stellen sich auf Seite des Volkes

Die massiven Proteste in Bolivien weiten sich au – nun will Machthaber Morales Neuwahlen einberufen. Am Samstag besetzten die Demonstranten die Zentralen zweier Staatssender. Einheiten der Elite-Polizeieinheit Utop stellten sich in den Städten Cochabamba, Sucre und Santa Cruz auf die Seite der Demonstranten.
Titelbild
Der Eingang zum geschlossenen Staatssender Bolivia TV mit Fotos von Morales als Clown und der Aufschrift "Betrüger". Weiter steht: "Bolivia TV, Kanal für Bolivianer" und "Hört auf zu lügen". 9. November 2019, La Paz.Foto: JORGE BERNAL/AFP via Getty Images
Epoch Times10. November 2019

+++ Update +++

13:15 Uhr: Morales will Neuwahlen einberufen

Nach wochenlangen Protesten in Bolivien hat der umstrittene Staatschef Evo Morales die Einberufung von Neuwahlen angekündigt. Morales verkündete am Sonntag im bolivianischen Fernsehen, er wolle „neue nationale Wahlen“ einberufen und zudem alle Richterposten des Obersten Wahlgerichtshofs neu besetzen. Kurz zuvor hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gefordert, dass die bolivianische Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt werden solle.

Morales sagte, er werde „neue nationale Wahlen fordern, die es dem bolivianischen Volk ermöglichen, durch eine demokratische Abstimmung neue Behörden zu wählen“.

Ein vorläufiger Bericht der OAS war zuvor zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Stimmenauszählung zum Urnengang am 20. Oktober Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Die Organisation könne die „Ergebnisse der untersuchten Wahl nicht bestätigen“, weshalb ein „neuer Wahlprozess“ empfohlen werde – einschließlich einer neu besetzten Wahlkommission, erklärte die OAS.

8:10 Uhr: Staatliche Sender besetzt, Eliteeinheit meutert

Im Streit um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Bolivien haben Demonstranten die Zentralen zweier Staatssender besetzt.

Die Mitarbeiter des Fernsehsenders Bolivia TV und des Radiosenders Radio Patria Nueva verließen das Sendergebäude in der Hauptstadt La Paz am Samstag unter den Buh-Rufen hunderter Demonstranten.

„Wir sind gewaltsam verjagt und bedroht worden“, sagte der Radio Patria Nueva-Chef Ivan Maldonado der Nachrichtenagentur AFP. Dutzende Mitarbeiter verließen das Gebäude in La Paz unter den Buh-Rufen hunderter Demonstranten.

Morales kritisiert Demonstranten: „Sie handeln wie Diktatoren“

Nach der Besetzung des Sendergebäudes kritisierte Morales, die Demonstranten behaupteten die Demokratie zu schützen „aber sie handeln wie Diktatoren“. Auf das Haus seiner Schwester in dem Ort Oruro sowie auf die Gouverneursresidenzen in Oruro un Chuquisaca seien Brandanschläge verübt worden. Es handele sich um einen „faschistischen Putsch-Plan“, schrieb Morales auf Twitter.

In der Nacht zum Sonntag dauerten die Unruhen an. Demonstranten blockierten laut Medienberichten eine Mautstation an der Autobahn zwischen La Paz und dem angrenzenden Oet El Alto, einer Hochburg der Morales-Anhänger. Der private Fernsehsender Unitel erklärte, seine Anlage sei von Demonstranten zerstört worden.

In dem südamerikanischen Land gibt es seit Wochen massive Proteste gegen das von der Wahlkommission verkündete offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl, wonach der linke Amtsinhaber Morales knapp den Sieg davontrug. Die Opposition und viele Bürger vermuten Wahlbetrug. Bei den Protesten kamen bislang drei Menschen ums Leben, rund 200 weitere wurden verletzt.

Morales ruft alle Parteien zum Dialog auf – Opposition weist Angebot zurück

Morales rief zu Gesprächen der vier Parteien auf, die laut dem umstrittenen Ergebnis der Wahl vor drei Wochen im Parlament vertreten sind. Er starte diesen dringenden Aufruf, um den Frieden zu bewahren, twitterte Morales, der erste indigene Präsident des Andenlandes. Er bat Papst Franziskus sowie verschiedene Kirchen und internationale Organisationen, die Gespräche zu begleiten.

Der konservative Ex-Präsident Carlos Mesa, der bei der Wahl Zweiter geworden war, lehnte das Angebot ab. „Ich habe mit Evo Morales und seiner Regierung nichts zu verhandeln“, sagte er in einer Videoansprache. Morales müsse nun entscheiden, auf welchem Wege er das Amt verlassen wolle. „Verantwortlich für die Situation, die man einen Staatsstreich nennen könnte, ist Evo Morales, indem er einen riesigen Wahlbetrug begangen hat.“

Der 59-Jährige hatte sich zum dritten Mal zur Wiederwahl gestellt, obwohl die Verfassung nur eine Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mit Hilfe der Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung seiner Menschenrechte bezeichnete.

Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl am 20. Oktober erklärt er sich direkt zum Sieger, obwohl die Opposition, aber auch die Organisation Amerikanischer Staaten und die EU erhebliche Zweifel anmeldeten. Seitdem liefern sich Anhänger und Gegner von Morales fast täglich heftige Auseinandersetzungen.

Der Oppositionsführer Luis Fernando Camacho dankte der Polizei auf Twitter dafür, dass sie auf der Seite des Volkes stehe. Er bedankte sich auch bei den Streitkräften. Deren Oberbefehlshaber Williams Kaliman hatte auf einer Pressekonferenz erklärt, Soldaten würden nicht gegen das Volk vorgehen.

Elite-Polizisten stellen sich auf Seite der Demonstranten

Am Freitag hatten sich Einheiten der Elite-Polizeieinheit Utop in den Städten Cochabamba, Sucre und Santa Cruz auf die Seite der Demonstranten gestellt. In der Nacht zum Samstag weitete sich dieser Aufstand laut örtlichen Medienberichten auf weitere Polizeieinheiten aus.

In La Paz zogen sich die Utop-Einheiten vom Präsidentenpalast am Plaza Murillo, den sie in den vergangenen Wochen bewacht hatten, in ihr Hauptquartier zurück. Ein AFP-Reporter beobachtete nur noch vereinzelte Polizisten auf dem Platz. Die Polizeiwache am Präsidentenpalast in La Paz verließ demnach am Samstag ihre Posten.

Oppositionspolitiker riefen die Armee auf, dem Beispiel der Polizei zu folgen und Morales die Treue zu verweigern. Verteidigungsminister Javier Zavaleta betonte derweil, es gebe keinerlei Pläne, Militärgewalt gegen die aufständischen Polizisten einzusetzen. (afp)



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