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plus-iconHohes Konfliktpotential vor Silvester

Nach Gießen: Polizeigewerkschaft sieht neues „Allzeithoch“ bei Gewalt gegen Einsatzkräfte

Auch zum Jahreswechsel 2025/26 wird es wohl wieder zu Straßenkrawallen kommen. Die Polizeigewerkschaft GdP sieht schon jetzt ein neues Allzeithoch bei Gewaltopfern im Polizeidienst – und hofft auf weitere Hilfe von der Bundesregierung. DPolG-Vize Ostermann warnt unter dem Eindruck von Gießen davor, den Linksextremismus zu verharmlosen.

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Seit Jahren müssen Polizei und Rettungskräfte in der Silvesternacht mit Attacken rechnen – insbesondere in Großstädten. (Archivbild)

Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa

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Lesedauer: 9 Min.


In Kürze:

  • Gewaltpotenzial gegen Polizisten aus Sicht der Polizeigewerkschaft in allen drei radikalen Bereichen gegeben – tatsächliches Gewaltverhalten aber unterschiedlich
  • GdP: Politik sollte einen ganzheitlichen Ansatz aus Prävention, besseren Rahmenbedingungen, konsequenterer Strafverfolgung und Fürsorge verfolgen
  • Gewerkschafter Ostermann warnt vor Verharmlosung des Linksextremismus

 
Polizisten im Dienst sehen sich immer wieder Beleidigungen, Bedrohungen und körperlicher Gewalt in allen möglichen Formen ausgesetzt. Am vergangenen Samstagabend, 29. November 2025, traf es vier Polizisten in Berlin-Spandau: Nach einem Kontrolleinsatz in einer Shishabar mussten sie medizinisch versorgt werden, weil der Inhaber und ein Gast Gewalt gegen sie anwendeten.
Nach Angaben der Polizei Berlin soll der Inhaber einem Beamten eine volle Glasflasche am Kopf eines Uniformierten zerschlagen haben. Keiner der verletzten Polizisten habe seinen Dienst fortsetzen können.
Am selben Tag waren in Gießen mehr als 50 Einsatzkräfte verletzt worden, die den Gründungsparteitag der neuen AfD-Jugendorganisation schützen sollten.

Polizeigewerkschaft GdP fordert Konsequenzen

„Diese widerliche Gewalt und dieser Hass gegen Uniformträger müssen für die Festgenommenen Konsequenzen haben“, verlangte der Bundesvorsitzende der größten Polizeigewerkschaft GdP, Jochen Kopelke, in einer Pressemitteilung.
Unter den rund 25.000 Protestierenden in Gießen waren nach Angaben des hessischen Innenministeriums auch rund 1.000 gewaltbereite Demonstranten aktiv. Es habe drei Festnahmen und 192 Identitätsfeststellungen gegeben, in 60 Fällen seien Demonstranten oder Sachen durchsucht worden.
Kritische Worte fand Gewerkschafter Kopelke für einen Kommentar von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU):
„Anstatt der Polizei für ihre professionelle Arbeit zu danken, warnt er Menschen vor unerfreulichen Fernsehbildern und Auseinandersetzungen zwischen ganz links und ganz rechts.“
Kopelke erklärte auf Nachfrage der Epoch Times, dass „das tatsächliche Gewaltverhalten“ bei Linksextremen „tatsächlich anders“ sei. Das Gewaltpotenzial sehe er aber bei allen drei radikalen Bereichen – links, rechts, islamistisch – als gegeben an.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hat Ideen, wie man Menschen zur Abgabe von Messern bewegen könnte. (Archivfoto)

Jochen Kopelke, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. (Archivfoto)

Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Neues „Allzeithoch“ bei Gewalt gegen Einsatzkräfte

Mit dem Jahreswechsel 2025/26 naht erneut ein Termin, der zu ähnlichen Gewaltexzessen führen könnte. Schon in den Jahren zuvor war es zu Silvester immer wieder zu Krawallen gekommen.
Auch dieses Jahr gehe die Polizei „von hohem Konfliktpotenzial und Gefährdungssituationen aus“, wie Kopelke Epoch Times mitteilte. Die Lagebilder zeigten „ein neues Allzeithoch“:
„Allein im jüngsten BKA-Lagebild werden über 96.000 Kolleginnen und Kollegen als Opfer von Gewalttaten im Dienst ausgewiesen, insbesondere durch tätliche Angriffe und Widerstandshandlungen.“
Das neueste einsehbare Lagebild zur Gewalt gegen Polizeibeamte bezieht sich auf das Jahr 2023. Darin war von 46.218 Fällen die Rede, bei denen insgesamt 105.708 Beamte Gewaltopfer geworden waren.
Kopelke bestätigte, dass in zunehmendem Maße auch die Feuerwehr, Rettungsdienste, Ordnungskräfte, Lehrkräfte und Bahnbeschäftigte von Gewalt betroffen seien. Besonders hoch sei das Risiko in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Die Entwicklung sei für seine Polizeigewerkschaft „nicht hinnehmbar“ und ein „Grund zu großer Sorge“.

DPolG: Linksextremismus nicht verharmlosen, hofieren

Manuel Ostermann, der erste stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft (DPolG), sprach angesichts der Ereignisse von Gießen im Interview mit „Apollo News“ davon, dass die Deutschen noch immer „Weltmeister“ darin seien, „Linksextremismus zu verharmlosen, zu bagatellisieren, zu tabuisieren und schlimmstenfalls in Teilen sogar zu hofieren“.
Wer immer noch glaube, es gebe in Deutschland nur ein rechtsextremistisches Problem, der halte es „mit unserer Demokratie mal so überhaupt nicht“, meinte Ostermann.
In Anspielung auf den italienischen Schriftsteller Ignazio Silone betonte der Gewerkschafter, dass der Faschismus heute nicht mehr als Faschismus daherkäme, sondern sich als Antifaschismus tarne.

Das Archivbild zeigt den ersten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, im EpochTV-Studio in Berlin.

Foto: Epoch Times

Ostermann kritisierte, dass bei der Finanzierung der auch in Gießen aufgetretenen NGOs nicht für Transparenz gesorgt werde, obwohl deren Proteste vor Ort aus seiner Sicht nur „die Spitze eines Eisbergs“ gewesen seien. Seminare und Bustransfers von Demonstranten kosteten immerhin auch das Geld des Steuerzahlers. Wo es aber keine Geldflüsse gebe, da sei „auch kein Handlungsspielraum für rechtswidrige Maßnahmen“.
Seine jüngsten Eindrücke beschrieb er wie folgt:
„Wir haben am Samstag abermals eine Demonstration erlebt, was es bedeutet, wenn radikale Kräfte dabei sind, demokratische Grundstrukturen abschaffen zu wollen. Und wenn wir jetzt nicht daraus lernen, wenn wir jetzt nicht den Drive [Antrieb] kriegen, Extremismus allumfassend zu bekämpfen, dann ist Gießen in der Dimension, wie wir es erlebt haben, gerade erstmal der lächerliche Anfang einer traurigen Zukunft.“
Es gehe nun um nichts weniger als um die „wehrhafte, rechtsstaatliche Verteidigung unserer Demokratie“, so Ostermann.

GdP: Erweiterter Strafkatalog allein genügt nicht

Doch was tun gegen Straßengewalt?
GdP-Bundesvorstand Kopelke lobte gegenüber Epoch Times den Gesetzgeber dafür, dass er den Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften im Jahr 2017 gestärkt habe, indem er die entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch verschärft habe. Seine Gewerkschaft sehe darin allerdings „keinen ‚Durchbruch‘ im Sinne einer nachhaltigen Trendwende bei der Gewalt“.
Denn die bloße Erhöhung von Strafandrohungen entfalte nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und polizeilicher Erfahrung „nur eine begrenzte abschreckende Wirkung“. Das gelte in besonderem Maße, wenn Angriffe „in belasteten Einsatzlagen, bei Großlagen und unter Alkohol- oder Drogeneinfluss“ stattfänden.
Widerstand gegen (Paragraf 113 StGB) oder ein tätlicher Angriff auf (Paragraf 114 StGB) einen Vollstreckungsbeamten können in Deutschland derzeit mit bis zu drei Jahren, in schweren Fällen sogar mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Die Mindeststrafe bei einem Angriff liegt bei drei Monaten Gefängnis. Bei bloßem Widerstand kann ein Urteil auch auf Geldstrafe lauten.
Dieselben Regeln gelten nach Paragraf 115 StGB auch bei Widerstand gegen oder Angriff auf „Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen“. Der Paragraf erstreckt sich auch auf den Schutz von Hilfeleistenden im Dienst der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, im Rettungsdienst, im ärztlichen Notdienst sowie in einer Notaufnahme.

Ganzheitlicher Ansatz gefordert

Es mangele allerdings noch immer an einer durchgängigen Auswertung der 2017er-Novelle sowie an der konsequenten Nutzung der „tatsächlich wirksamen Stellschrauben“, kritisierte Kopelke.
Seine Gewerkschaft verfolge diesbezüglich „einen ganzheitlichen Ansatz, der Prävention, bessere Rahmenbedingungen, konsequentere Strafverfolgung und Fürsorge verbindet, anstatt sich allein auf Strafverschärfungen zu verlassen“, teilte Kopelke weiter mit.
Dazu gehörten aus Sicht der GdP unter anderem Kampagnen wie „Auch Mensch“ oder „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“, außerdem ein ständiger Expertenrat, eine bessere Personal- und Sachausstattung für Justiz und Staatsanwaltschaften, mehr beschleunigte Verfahren, besserer Rechtsschutz und Fürsorge, die konsequente Verfolgung von Hetze und Angriffen im Netz durch die Dienstherren sowie „eine bundesweit einheitliche, angemessene Zulagen- und Besoldungsstruktur“ bei der Polizei.

Ampelgesetzentwurf zum Schutz von Polizei und Rettungskräften verlief im Sande

Ende September 2024 hatte das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten“ (BT-Drucksache 20/12950, PDF) vorgelegt. Es wurde wegen des vorzeitigen Regierungswechsels aber nicht mehr verabschiedet.
Der Bundesrat griff das Thema Personenschutz im November 2025 wieder auf. Der Gesetzentwurf der Länderkammer (BT-Drucksache 21/2737, PDF) zielt allerdings lediglich auf die „Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern sowie Kandidatinnen und Kandidaten und deren Helferinnen und Helfern“ ab.
Ein an das Bundesinnenministerium gerichteter Fragenkatalog der Epoch Times zu den Themen Extremismus und Gewaltprävention blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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