„Werden Extremismus zerstören“: Saudischer Kronprinz erklärt Wahhabismus und religiösem Establishment den Krieg

Wollte das saudi-arabischen Königshaus soziale und wirtschaftliche Reformen im Land durchführen, brauchte es die Erlaubnis des religiösen Establishments. Doch das könnte sich in Zukunft ändern, denn der Kronprinz erklärte dem Wahhabismus und somit den religiösen Hardlinern öffentlich den Kampf.
Titelbild
Saudi-arabischer Kronprinz Mohammed bin Salman am 24. Oktober 2017 in Riad, Saudi-Arabien.Foto: FAYEZ NURELDINE/AFP/Getty Images
Von 1. November 2017

„Wir werden den Extremismus heute und sofort zerstören“, versprach der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud am Dienstag in Riad.

Er wolle Saudi-Arabien wieder zum „moderaten“ Islam zurückführen, den sein Land in den 70er Jahren hatte und „der offen gegenüber der Welt und allen Religionen ist“, meinte bin Salman auf einem Wirtschaftsforum „Future Investment Initiative“. „70 Prozent der saudischen Bevölkerung ist jünger als 30 Jahre. […] Wir werden keine 30 Jahre unseres Lebens verschwenden, um mit extremistischen Ideen fertig zu werden“, so der Kronprinz.

Nur auf diese Weise sei ein normales Leben für die saudische Bevölkerung möglich. Dadurch werde sich das Land entwickeln und zur globalen Entwicklung beitragen.

Die Ankündigung des Kronprinzen (2:07 Minuten):

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Laut der Zeitung „Times Headline“ richteten sich bin Salmans Worte gegen den Wahhabismus, der in den 30er-

Jahren massiv zur Machtübernahme des Hauses Saud auf der arabischen Halbinsel beigetragen hatte. Bisher war es eine der führenden Ideologien in Saudi-Arabien – vom Obersten Klerikerrat im Land bewacht.

Dass ein saudi-arabischer Kronprinz dem Wahhabismus öffentlich den Kampf ansagt, ist eine Neuheit. Bis zur Machtübernahme des  jetzigen Königs Salman bin Abdulaziz al-Saud gründete die Macht des Königshauses auf drei Säulen: Einheit der Königsfamilie,  Einnahmen aus dem Öl-Export und eine guten Beziehung zum religiösen Establishment.

Unter König Salman änderte sich diese Machtkonstellation. Er führte für saudische Verhältnisse erschütternde Reformen durch. Welche genau das waren, wird im Folgenden einzeln erläutert.

„Coup im Königspalast“

Eine der größten Veränderungen unter König Salman war die Einführung einer neuen Erbfolge auf dem saudischen Thron. Im Gegensatz zu europäischen Monarchien, die von Vater an Sohn bzw. Tochter vererbt werden, folgte das saudische Königshaus einem ungeschrieben Gesetz, das auf der Stammtradition der Beduinen beruht.

Der Begründer der Dynastie, Abdul Aziz ibn Saud, hatte 22 Frauen aus den wichtigsten Stämmen der arabischen Halbinsel geheiratet, die ihm 45 Söhne schenkten. Nach ibn Sauds Tod bildeten seine Frauen gemeinsam mit ihren Söhnen eigene Klans innerhalb der Königsfamilie.

Um einen Machtkampf zwischen den Söhnen zu verhindern, trafen die Klans eine Vereinbarung: Kein Klan darf die Königsfamilie dominieren. Demzufolge erbt nicht der Sohn automatisch den Königstitel, sondern jeder saudische König ernennt nach einem Rotationsprinzip einen Halbbruder aus einem anderen Klan der Königsfamilie zum Kronprinzen.

Die bisherige saudische Thronfolge. Foto: CaspianReport/YouTube/Screenshot

König Salman setzte sich über das ungeschriebene Gesetz und die Tradition hinweg und ernannte seinen eigenen Sohn zum Kronprinzen – eine Revolution.

Hier ein Video von CaspianReport über den Coup von König Salman (15:22 Minuten, nur auf Englisch):

Weg vom Öl-Export

Seit den 70er-Jahren stieg der Öl-Preis von 2 auf 60 US-Dollar pro Barrel, heißt es auf „Times Headline“. Das brachte dem Land sehr hohe Einnahmen. Laut den Vereinten Nationen explodierte die Bevölkerungszahl von fast 6 Millionen im Jahr 1970 auf momentan über 31 Millionen Menschen (11 Millionen sind Gastarbeiter).

Doch die Ölpreise sinken und damit auch die Einnahmen Saudi-Arabiens. Die Regierung muss andere Einnahmequellen finden, dafür ist ausländisches Kapital notwendig. Dieses blieb laut CaspianReport bisher aus, vor allem wegen des Wahhabismus und der kurzen Regentschaft der bisherigen Könige, die jegliche Reform unmöglich machte.

Außerdem blockierte der Oberste Klerikerrat alle sozialen und wirtschaftlichen Reformen, sodass dem als moderat geltenden Königshaus nichts anderes blieb, als Kompromisse zu schließen. Doch das ist etwas, was König Salman langsam aber sicher verändert.

Über die Reformen von König Salmans Vorgänger (8:33 Minuten, nur Englisch):

Kleine Reformen – große Wirkung

König Salmans Vorgänger, König Abdullah, versprach dem Obersten Klerikerrat, keine Reformen durchzuführen, die die konservativen Werte und Normen der saudischen Gesellschaft ändern könnten. Dafür erlaubte der Rat 2014 die Einführung des Sportunterrichts für Mädchen. Außerdem führte König Abdullah ein, dass im Nationalrat des Landes immer mindestens 30 Plätze für Frauen reserviert werden sollten. Große Schritte für ein konservatives Land wie Saudi-Arabien.

König Salman ging einen Schritt weiter: Im letzten Monat wurde Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren erlaubt, was symbolisch den Start für weitere soziale Reformen einleitete.

Mitte September verhafteten die saudischen Sicherheitskräfte 30 Menschen, inklusive Kleriker, Aktivisten, Akademiker und Businessmänner. Dazu gehörte auch der Salafist Scheich Salman Al-Awdah mit 14 Millionen Followern auf Twitter, berichtete die Nachrichtenagentur „Reuters“. Alle Festgenommen sollen laut „CaspianReport“ Gegner von Kronprinz Mohammed bin Salman gewesen sein. Auf diese Weise wolle König Salman vor seiner Abdankung seinem Sohn soviel Macht wie möglich übertragen und seine Position als Thronfolger sichern.

Der Kampf gegen das religiöse Establishment war damit noch nicht zu Ende: Mitte Oktober verkündete das Königshaus, dass es einen weltweit agierenden Wissenschaftsrat einsetzen wolle, um radikale Schriften ausfindig zu machen und öffentlich zu enttarnen. „Spiegel“-Online berichtete.

Nun verkündete der Kronprinz öffentlich den Kampf gegen den Wahhabismus. Sollte der Kampf erfolgreich sein, werde sich das Land sehr stark ändern. Das erste Mal in der Geschichte Saudi-Arabiens habe das Land eine wirtschaftliche und politische Zukunft, heißt es auf „Times Headline“.

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