Olympia als Geisterspiele? Athleten „unter Hochspannung“

Geisterspiele, Verunsicherung, Risiko, Hochspannung - die Diskussion über eine Olympia-Absage treibt vor allem die Athleten um. Die Ansteckungsgefahr auf Reisen und dann drohende Quarantäne könnten die Vorbereitung auf die Sommerspiele in Tokio empfindlich stören.
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Am 26. Februar 2020 in Tokio, Japan.Foto: Tomohiro Ohsumi/Getty Images
Epoch Times27. Februar 2020

Geisterspiele vor leeren Rängen, die Angst vor Ansteckung und Quarantäne, gar eine Absage des Olympia-Spektakels – oder eher Hoffnung auf die Wende und Business as usual?

Die Coronavirus-Epidemie macht vielen Top-Athleten Sorgen, doch fünf Monate vor Beginn der Olympischen Spiele läuft bei den meisten die Vorbereitung nach Plan. „Wir machen mal einfach weiter unseren Job“, sagte Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler der Deutschen Presse-Agentur und trifft damit den Tenor vieler Kollegen.

Trotz aller Gelassenheit: Selbst „Geisterspiele“ in der Metropolregion Tokio mit rund 30 Millionen Einwohnern sind für Röhler angesichts der Situation inzwischen „ein mögliches Szenario – da schwebt ein Damoklesschwert drüber“. Olympia vor leeren Rängen wäre aus Röhlers Sicht aber „das Worst-Case-Szenario. Geisterspiele wären schlimmer als eine Absage! Es geht der Reiz der Spiele verloren.“

Das Problem sei „nicht das Virus, sondern das Reisen, wenn einer im Flugzeug hustet, die Gefahr einer folgenden Quarantäne. Dann bist du 14 Tage weg vom Fenster, irgendwo isoliert und kannst nicht trainieren“, schilderte der 28-Jährige.

Reisen sind ein Risiko, doch die Normen müssen erfüllt werden

„Viele Athleten treibt gerade akut das Thema der anstehenden Qualifikationswettkämpfe um. Das Reisen dahin ist ja derzeit ein Risiko, die Normen müssen aber erfüllt werden. Die Situation ändert sich von Tag zu Tag, und man kann sie kaum noch einschätzen“, sagte Amélie Ebert, Präsidiumsmitglied Athleten Deutschland. „Alle stehen unter Hochspannung. Die Konsequenzen sind derzeit nicht absehbar. Wir hoffen, dass baldmöglichst mehr Informationen vorliegen“, sagte die Ex-Synchronschwimmerin, derzeit Medizinstudentin im 11. Semester.

Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul würde eine Absage der Spiele verstehen. „Über allem steht die Gesundheit“, sagte der 22-Jährige in einem Sport1-Interview. Eine Absage wäre schade, sagte Kaul. „Aber es bringt ja am Ende auch nichts, wenn wir supertolle Olympische Spiele mit vielen Fans und Sportlern haben – und am Ende gibt es einen rapiden Anstieg von Corona-Infektionen, die gerade bei älteren Menschen sehr kritisch wären“, fügte der Mainzer hinzu.

Ringer-Welt- und Europameister Frank Stäbler will sich wie geplant auf die Sommerspiele, seinen letzten internationalen Wettkampf, vorbereiten. „Olympia ist noch weit weg. Ich hoffe, dass die Regierungen und Gesundheitsorganisationen das in den Griff bekommen“, sagte der 30-Jährige aus Baden-Württemberg. Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, sagte bei der Bahnrad-WM in Berlin: „Ich gehe davon aus, dass die Olympischen Spiele stattfinden. Alles andere wäre eine unverantwortliche Spekulation.“

Schwimm-Olympiasieger Ian Thorpe hat Australiens Athleten aufgefordert, ihre Olympia-Teilnahme zu überdenken. „Ich wäre auf jeden Fall besorgt“, sagte Thorpe Medienberichten zufolge in Canberra. Das neuartige Coronavirus sei ein Risiko für die Sportler. Sie sollten zunächst an ihre Gesundheit denken, bevor sie sich für eine Olympia-Teilnahme in Tokio entscheiden, riet der 37-Jährige.

Die Absage der Olympischen Spiele wäre ein Alptraum

Die ungarische Weltklasse-Schwimmerin Katinka Hosszu lässt sich in ihrer Vorbereitung auf Tokio nicht beeinträchtigen. „Ich kann mir wirklich nicht einmal vorstellen, dass Olympia abgesagt wird. Für die Athleten wäre es ein Alptraum“, sagte die 30 Jahre alte dreimalige Olympiasiegerin der Nachrichtenagentur AP. Sie sehe die Nachrichten, aber in ihren Gedanken sei sie so vorbereitet, als ob Olympia stattfinde: „Verschieben ist definitiv besser als alles abzusagen.“

Eine Absage droht derzeit zwar nicht, und die Wahrscheinlichkeit lässt sich kaum in Prozenten beziffern – sie steht aber im Raum und wird zum Gesprächsthema.

Selbst der frühere IOC-Vizepräsident Richard Pound (77) hätte Verständnis für eine Absage. „Ich bin sicher“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“, „dass das IOC keine Entscheidung treffen würde, die einer Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Regierungen in dieser Sache zuwiderliefe.“

In Japan sind bis zum Donnerstag 894 Infektionsfälle bestätigt. Es gibt sieben Todesfälle. Mit 705 Infektionen entfällt der größte Teil davon allerdings auf Passagiere und Crewmitglieder des Kreuzfahrtschiffes „Diamond Princess“.

Regierungschef Shinzo Abe rief die Organisatoren von großen, in den kommenden zwei Wochen geplanten Sport- und Kulturveranstaltungen auf, sie gegebenenfalls abzusagen oder zu verschieben. Für Japan seien die nächsten zwei Wochen eine kritische Zeit, um einen Anstieg der Infektionen zu verhindern.

Die deutschen U-20-Frauen sagten ihre für kommende Woche geplante Länderspielreise nach Japan ab. Die Olympischen Spiele sollen vom 24. Juli bis 9. August stattfinden.

Rund 11 000 Sportler werden erwartet, weitere 4400 sollen bei den Paralympics, die am 25. August eröffnet werden, an den Start gehen. Die IOC-Koordinierungskommission setze sich voll und ganz für die planmäßige Austragung der Sommerspiele ein, sagte IOC-Präsident Thomas Bach laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit japanischen Medien und ergänzte, man wolle nicht über Alternativen spekulieren. (dpa)



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