EU-Industriekommissar: „Es wird keinen Green Deal ohne Kernenergie geben“

Auch wenn Deutschland anders denkt - Europa steht zur Weiterentwicklung der Kernenergie. Finnland und Frankreich setzen sich vor allem für Mini-Reaktoren ein, wie sie in Schiffen verwendet werden.
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Kernkraftwerk.Foto: iStock
Von 31. Dezember 2021
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EU-weit wird debattiert, ob Kernenergie als „nachhaltig“ eingestuft werden soll oder nicht. Vor allem Frankreich wirbt für eine entsprechende Einstufung. Auch Polen und sechs weitere osteuropäische Länder drängen die EU-Kommission, Kernenergie als klimafreundlich anzuerkennen, weil bei der Produktion sehr wenig Kohlendioxid anfällt.

Von der Leyens Energiekommissarin Kadri Simson sagt: „Es gibt ein neues Interesse an Atomenergie als Teil der Energiezukunft.“ Kernenergie reduziere die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und bringe als größte klimaschonende Quelle für die Grundlast der Stromversorgung Stabilität und Sicherheit.

Ohne sofortige Inventionen müssten um das Jahr 2030 nach Angaben von Simson fast 90 Prozent der Kernkraftwerke aus Altersgründen heruntergefahren werden, sie stammen meist aus den 70er- und 80er-Jahren. Um die Laufzeiten zu verlängern, seien 45 bis 50 Milliarden Euro an Investitionen nötig.

Die EU-Einstufung in die Gruppe der „nachhaltigen Technologien“ soll Investoren anlocken, die ohnehin zunehmend nach grünen Finanzprodukten suchen. Der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission unterstützt den Plan. Von der Leyen signalisierte, dass sie der Empfehlung folgen wird. Die Entscheidung wird Anfang Januar erwartet.

„Es wird keinen Green Deal ohne Kernenergie geben“, erklärte EU-Industriekommissar Thierry Breton. In den EU-Staaten sind derzeit rund 110 Kernkraftwerke in Betrieb, sie liefern ein Viertel des Stroms.

Die Bundesregierung würde die EU-Entscheidung gern verhindern. Möglicherweise könnten als Referenz an Deutschland besondere Sicherheitsauflagen festgelegt werden, hieß es aus Brüssel. Die EU-Kommission unterstützt zudem die Entwicklung der Mini-Reaktoren. „Wachstum, Innovation und das Null-Emissions-Ziel bringen Atomenergie zurück ins Zentrum der Diskussion“, erklärte Energiekommissarin Simson.

Niederlande: Zwei neue Kraftwerke bauen

Die Niederlande wollen zwei neue Kernkraftwerke bauen. Kernenergie wurde von der neuen Regierung des Landes als zentrale Stütze betrachtet. Bis 2030 wird die Kernenergie laut World Nuclear News insgesamt mit etwa 5 Milliarden Euro gefördert. Parallel setzen die Niederlande auf Wind- und Solarenergie, die Gasförderung in der Nordsee wird weiterhin unterstützt.

„Kernenergie kann sowohl Solar- als auch Wind- und Geothermie im Energiemix ergänzen und man kann sie zur Wasserstofferzeugung nutzen“, heißt es in einem Dokument der Regierung. „Das macht uns auch weniger abhängig von Gasimporten.“

„Deshalb wird die Laufzeit des Kernkraftwerks Borssele, unter Berücksichtigung der Sicherheit, verlängert“, teilte die Regierung mit. Die elektrische Leistung des Kraftwerks beträgt 482 MW, es ist seit 1973 in Betrieb und deckt rund 3 Prozent des Strombedarfs der Niederlande.

Finnland: Kleine Kernkraftwerke nutzen

Auch Finnlands Grüne setzen voll auf die Nutzung von Kernenergie. Atte Harjanne, Mitglied des finnischen Grünen Parlaments und Vizepräsident der finnischen Grünen Partei, spricht auf tvo.fi davon, verstärkt auf kleine Kernkraftwerke zu setzen. „Wenn wir kleine Atomkraftwerke wie Flugzeuge in Serie herstellen könnten, kann man sie einfacher und schneller bauen als heute.“

Derartige Kleinkernkraft werde seit Jahrzehnten an Bord von Schiffen, U-Booten und in Gebieten mit fehlender Infrastruktur genutzt. Um flächendeckend Kleinkernkraft nutzen zu können, sei eine Änderung der Gesetzgebung und eine neue Denkweise erforderlich, zumal der Strombedarf zunehmen werde.

Finnland ist dabei, den dritten Reaktor im Kernkraftwerk Olkiluoto 3 (kurz OL3), einem der beiden Kernkraftwerke des Landes, hochzufahren. Im Juni soll er volle Auslastung erreichen und das Kraftwerk rund 14 Prozent des Strombedarfs Finnlands decken.

Politik sei ein wichtiger Faktor für die Kosten der Energieproduktion. Da die finnischen Politiker entschieden haben, Kernkraft streng zu regulieren, sei für Harjanne nun nur noch der Wille erforderlich, die Technik voranzubringen – das betreffe auch Lösungen für abgebrannte Kernbrennstoffe. Um fossile Brennstoffe zu reduzieren, müssten nach Ansicht der finnischen Grünen alle Lösungen in Betracht gezogen werden. Dazu zählt auch die Möglichkeit, Betriebsgenehmigungen zu verlängern, wenn die Strahlen- und Reaktorsicherheitsbehörde es unterstützt. Das Land will bis 2035 CO2-neutral sein.

Frankreich investiert eine Milliarde Euro

Die meisten Kernkraftwerke der EU stehen in Frankreich. Viele davon sind veraltet und sollen überarbeitet werden.

In Frankreich wurden Mitte Dezember außerplanmäßig beide Blöcke des Kernkraftwerkes Chooz vom Netz genommen. Das Kraftwerk an der Grenze zu Belgien gehört zu den leistungsstärksten des Landes, beide Blöcke haben eine Leistung von je 1.450 MW. Mit einer Wiederinbetriebnahme von Chooz wird Ende März gerechnet.

Die Abschaltung der beiden Blöcke ist eine Vorsichtsmaßnahme und beruht auf Sicherheitsmängeln, die in einem baugleichen Kraftwerk in Civaux im Westen Frankreichs entdeckt wurden. Dort wurden Schäden an einem Rohr aufgrund von Korrosion festgestellt.

Januar und Februar sind die Monate, in denen Frankreich oft auf Stromimporte angewiesen ist, daher kommt die Abschaltung in einem ungünstigen Moment. Insgesamt laufen in Frankreich 56 Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 61.370 MW, die 70 Prozent des französischen Strombedarfs decken.

Staatschef Emmanuel Macron hatte im Präsidentschaftswahlkampf Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro in die Kernkraft angekündigt. Mini-Reaktoranlagen werden von ihm als „Neuerfindung“ der Kernkraft beworben.



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