Konzerne und die arabischen Internet-Blockaden

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Zensiert: Das Internet, als potentes Werkzeug für Freiheitsbewegungen begrüßt, befindet sich zunehmend unter Feuer durch die autokratischen Staaten.Foto: Ugur Can / AFP / Getty
Von und 7. April 2011

Der Frühling in der arabischen Welt ist jetzt düsterer geworden, da die Despoten in Libyen, Bahrain und Jemen sowie reaktionäre Elemente in Ägypten wieder die Oberhand gegen die pro-demokratischen Demonstranten gewonnen haben. Und das Internet, das manchmal als potentes Werkzeug für diese Bewegungen überbewertet wurde, ist von diesen und anderen autokratischen Staaten zunehmend unter Beschuss geraten, indem sie versuchen, populären Dissens zu vernichten.

Während der ersten März-Woche stürzte in Libyen das Gaddafi-Regime die Nation in digitale Dunkelheit und so ist es bis heute geblieben. Das Königreich Bahrain reagierte rasch auf die Pro-Demokratie-Demonstrationen, indem es Webseiten wegfilterte, mit denen Einheimische Videos per Handy verbreiten konnten, YouTube-Seiten mit Videos von Demonstrationen sperrte und  eine große Facebook-Gruppe aus dem Netz nahmen, die mehr Demonstrationen forderte.

Und auch in Ägypten hat trotz des Weggangs von Mubarak die Interims-Militärregierung eine harte Haltung gegen Pro-Demokratie-Aktivisten bei dem Versuch eingenommen, die Verbreitung von erbeuteten Staatssicherheits-Dateien zu unterbinden, die das Ausmaß offenbaren, mit dem die Regierung das Internet zum Überwachen von Ägyptern nutzte.

Diese Accounts von Internet-Missbrauch sind nicht unbemerkt geblieben. Weniger bekannt ist jedoch, inwieweit die amerikanischen und europäischen Unternehmen dies ermöglicht haben.

Unternehmen als Wegbereiter

Ägyptens Internet-Niederschlagung scheint von Narus unterstützt worden zu sein, einem Boeing zugehörigen Anbieter von Überwachungstechnologie, der der Telecom Egypt real-time Geheimdienst Software verkaufte, die Onlinekommunikation filtert und zu ihrem Ursprung verfolgt.

Israelische Sicherheitsexperten gründeten Narus, um Massenüberwachungssysteme für Regierungen und große Firmenkunden zu erstellen und zu verkaufen. Sie sind bekannt für die Entwicklung von NarusInsight, einem Supercomputer-System, das angeblich von der amerikanischen nationalen Sicherheitsbehörde und anderen Organisationen verwendet wird, und das einen „vollständigen Internet-Einblick“ auf verdächtige Internet-Kommunikation zur Verfügung stellt in dem Moment, in dem sie getätigt werden.

Laut Aussagen in dem Buch „The Shadow Factory“ von James Bamford, hat Narus auch Libyen mit Überwachungstechnologien beliefert. Im Jahr 2005 traf das Unternehmen eine Multimillionen-Dollar-Vereinbarung mit Giza Systems von Ägypten für die Lizenz, Narus Web-Überwachungsprodukte im gesamten Nahen Osten einzusetzen. Giza Systems betreut seither das libysche Internet.

Das englische Unternehmen Vodafone hat sein in Ägypten stationiertes Handy-Netz aufgrund eines Ersuchens des Mubarak-Regimes  heruntergefahren und es dann wiederhergestellt, um SMS-Kunden im ganzen Land Pro-Mubarak Propaganda zu senden. Wenn Gruppen für digitale Rechte, wie AccessNow.org, gegen Vodafones Aktionen protestierten, teilte das Unternehmen mit, sie könnten nichts gegen das Versenden dieser Texte machen, weil sie durch die Notstandsgesetze des Landes dazu gezwungen wären.

Bahrain filterte und blockierte Webseiten angeblich mit SmartFilter Software von der US-Firma McAfee, die Intel Ende letzten Jahres gekauft hatte. Trotz der weit verbreiteten Berichte über seine Verwendung behaupten Führungskräfte des Unternehmens, dass sie „keine Kontrolle über oder Einblick darin haben, wie eine Organisation ihre eigenen Filter-Richtlinien implementiert“.

Cisco Systems ist einer der größten Partner für Bahrain und ein führender Hersteller von „Deep Packet Inspection“ Systemen (DPI), also einer Technologie zur Filterung von Inhalten, die es Netzwerkadministratoren erlaubt, Daten von Benutzern von Internet und Mobiltelefonen zu überprüfen, zu verfolgen und ausfindig zu machen. 2009 ging das aus San José, Kalifornien, stammende Unternehmen nach Bahrain, um in der Hauptstadt ein Internet Data Center zu gründen, um „als eine wesentliche Komponente bei den Bemühungen, die staatlichen Dienstleistungen für die Bevölkerung zu verbessern“, zu dienen.

Nokia und Siemens arbeiten ebenfalls am libyschen Mobilfunknetzwerk. Ein Joint Venture der beiden Unternehmen wurde 2009 heftig kritisiert, weil es das iranische Regime bei einer Razzia gegen Internetdissidenten unterstützte. Man kann schwer sagen, ob die beiden Unternehmen die libysche Regierung unterstützt haben, da uns die PR-Abteilung von Nokia / Siemens keine Auskünfte geben wollte.

Führung durch Handlung

Mitte Februar sprach Außenministerin Hillary Clinton über die neue „US Internet freedom policy“, die demokratischen Bewegungen helfen soll, Zugang zu offenen Netzwerken zu bekommen, um sich gegen autoritäre Regime äußern zu können. Als Teil dieser Initiative wird das Auswärtige Amt im zweistelligen Millionenbereich Geld zur Verfügung stellen, um „Technologen und Aktivisten bei ihrer gefährlichen Arbeit in ihrem Kampf gegen Internetrepressionen“ zu unterstützen.

Clinton sprach von dem Glauben der Obama-Administration an „das universelle Recht, sich über das Internet auszutauschen“, einem Recht, das das Weiße Haus als natürliche Erweiterung des ureigenen Rechts zur freien Meinungsäußerung, zur Versammlungsfreiheit und der Vereinsbildung betrachtet.

Es ist jedoch schwierig, sich mit hohen moralischen Standards zu brüsten und andere Länder auf die Wichtigkeit der Internetfreiheit hinzuweisen, wenn die eigene Wirtschaft DPI-Systeme und andere Technologien an Regime exportiert, damit diese ihre eigene Bevölkerung ausspionieren und das Internet zu einem Ort der Unterdrückung machen können.

Bei der Befragung von Clintons stellvertretendem Direktor James Steinberg nach dieser Widersprüchlichkeit während einer Anhörung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Februar erwähnte der Republikaner Chris Smith das Abkommen von Narus mit dem Mubarak- Regime. „Das ist ein furchtbares Werkzeug zur Unterdrückung“, sagte Smith und führt weiter aus: „Narus ermöglicht laut diesen Berichten diesen Eingriff in die Privatsphäre.“ Republikaner Bill Keating führte die Befragung fort und ging so weit zu sagen, dass „Menschen ihr Leben aufgrund dieser Technologie verlieren.“

Am Anfang des Monats schrieb Senator Dick Durbin aus dem Komitee für Auslandsbeziehungen einen politischen Kommentar, in dem er die amerikanische Technologieindustrie für „das Versagen, sich den Herausforderungen der Menschenrechte zu stellen“ niedermachte. Darin heißt es weiter: „Wenn die amerikanischen Unternehmen nicht gewillt sind, vernünftige Wege zu gehen,  dann muss der Kongress einschreiten.“

Ein Versprechen, zu handeln ist ermutigend, aber weit weniger gut, als die Handlung selbst. Bis jetzt haben wir wenig Bestreben gesehen, unsere Internetfreiheit gegen Unternehmen und ihre despotischen Kunden, die versuchen uns diese Freiheit wegzunehmen, zu verteidigen.

Clothilde Le Coz ist die Washingtoner Leiterin von Reporter ohne Grenzen, die vor Kurzem den „Report 2011 Feinde des Internet“ veröffentlicht hat. Timothy Karr ist der Kampagnenchef von Free Press, der größten Medien-Reform-Gruppierung der Landes, von der aus er alle Kampagnen und Bemühungen zur Ausweitung des Kontaktaufbaus über das Internet überblicken kann. Beide sind Mitarbeiter von „Foreign Policy In Focus“. www.fpif.org.

Dieser Artikel auf Englisch: Corporations and the Arab Net Crackdown

 



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