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plus-iconUnmut in Süddeutschland

Netzbetreiberbericht zur Strompreiszone: Einheit deutscher Strompreise vor dem Aus?

Nächste Woche legen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber einen mit Spannung erwarteten Bericht vor. Er könnte das Ende der einheitlichen Strompreiszone in Deutschland einläuten. Diskutiert wird unter anderem eine mögliche Teilung in regionale Strompreiszonen – mit weitreichenden Folgen für Verbraucher, Industrie und die Energiewende.

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Die Sonne geht hinter einem Strommast und Stromleitungen auf, in Frankfurt am Main, am 3. April 2025.

Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 6 Min.

Für den kommenden Montag, 28. April, wird erwartet, dass die vier deutschen Netzbetreiber Amprion, 50Hertz, TenneT und TransnetBW einen potenziell brisanten Bericht vorlegen.
Im Rahmen des „Bidding Zone Review“-Prozesses (BZR), den die EU-Regulierungsbehörde ACER im Jahr 2022 initiiert hat, soll dieser die Effizienz der deutschen Stromgebotszone beurteilen. Am Ende könnte die Einheit der Strompreiszone infrage stehen. Über den Inhalt des Prüfberichts gibt es bislang nur Spekulationen. Politisch könnte er jedoch eine Zerreißprobe bewirken.
Anhand von 22 Parametern sollten die Netzbetreiber den Ist-Zustand und mögliche Alternativen evaluieren. Zu diesen gehören die Auswirkungen auf Unternehmen, Strompreise, den grenzüberschreitenden Handel und die Netzstabilität. Ein mögliches Szenario wäre eine Teilung des deutschen Stromnetzes in zwei bis fünf unterschiedliche Strompreiszonen.

Aus für einheitliche Strompreiszone für Deutschland und Luxemburg?

Gänzlich neu wäre eine Debatte über unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland nicht – auch wenn politische Entscheidungsträger um das Thema bislang lieber einen Bogen machen. Die Aufteilung war als mögliches Gegenmodell zu einem subventionierten „Industriestrompreis“ angedacht. Vor allem in den norddeutschen Bundesländern gibt es dafür Sympathien.
Derzeit wird der Strompreis für ganz Deutschland und Luxemburg einheitlich an der Strombörse EPEX-Spotmarkt gebildet. Dadurch sieht man sich vor allem im Norden des Landes benachteiligt. Aufgrund der Vielzahl an Windkraftanlagen entlang der Küste und der dafür günstigen Witterungsbedingungen ist man in der Lage, überdurchschnittlich viel an „erneuerbarem“ Strom zu generieren.
Dennoch bleibt der Strompreis auch im Norden hoch, weil der Ausbau der Transportwege in den Süden über steigende Netzentgelte finanziert wird. Von einer regional begrenzten Preiszone würde der Norden massiv profitieren. Strompreiszonen, so deren Befürworter, könnten Engpässen im Stromnetz entgegenwirken und Anreize schaffen, Strom dort zu erzeugen, wo er gerade nachgefragt wird.

Netzausbau sollte bis 2028 Engpässen entgegenwirken

Im zweiten Quartal des vergangenen Jahres belief sich das Volumen des Engpassmanagements oder Redispatch, das aus der Notwendigkeit geografischer Umverteilung von Strom resultierte, auf 6.285 Gigawattstunden. Das war gegenüber dem Vergleichsquartal von 2023 ein Rückgang von 12 Prozent, wobei sich die Gesamtkosten dafür von 574,4 auf 550,4 Millionen Euro verringerten.
Einer Analyse des Bundesforschungsministeriums zufolge würde bereits eine Nord-Süd-Teilung der derzeitigen Strompreiszone die Redispatch-Kosten senken. Immerhin könnten regionale Preissignale helfen, Erzeugung und Verbrauch besser zu steuern. Strom würde im Norden dauerhaft günstiger, was eine Entlastung von Industrie und Verbrauchern brächte.
Im Süden stößt die Idee erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe. Dort setzt man auf Solidarität im Zeichen der Energiewende, die eine gemeinsame Aufgabe sei. Derzeit geht man davon aus, dass der bis 2028 angestrebte Netzausbau durch die Verbindungen SuedLink und Ultranet die Engpässe im Wesentlichen beseitigen werde.

Kritik aus Politik und Verbänden in Süddeutschland

Außerdem befürchtet man einen Schaden für die Wettbewerbsfähigkeit ausgerechnet in den bedeutendsten Industrieregionen, die sich im Süden und Westen befinden. In einer Presseerklärung vom Januar warnte der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) vor einer Schwächung der deutschen Wirtschaft insgesamt.
BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl befürchtet eine „große Verunsicherung bei vielen Marktteilnehmern“ und Infragestellung von Investitionen in das deutsche Stromnetz. Mit Blick auf die Initiative der ACER hat er wenig Verständnis:
„Das EU-Prüfverfahren zur Anpassung der Strompreiszonen ist methodisch fragwürdig, da der laufende, massive Netzausbau in Deutschland nicht ausreichend berücksichtigt wird.“
Zudem komme es in kleineren Strompreiszonen aufgrund der geringeren Anzahl von Marktteilnehmern deutlich häufiger zu Marktengpässen. Die Marktliquidität sei dann geringer und es bildeten sich eher marktbeherrschende Strukturen.
Gößl warnte vor weiteren Experimenten „bei einem so wichtigen Thema wie der Energieversorgung“. Aktuelle Schätzungen gehen für den Fall einer Teilung in mehrere Strompreiszonen von bis zu 10 Euro höheren Strompreisen pro Megawattstunde im industriestarken Süden aus.

EU favorisiert kleinteiligere Strompreiszonen zur Exporterleichterung

Dazu kommen erforderliche Anpassungen von Unternehmensprozessen, Verträgen und IT-Systemen, deren Gesamtkosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro geschätzt werden. Dieser Prozess würde zudem Jahre dauern. Der teurere Strom könnte auch den Umstieg auf Wärmepumpen oder Elektromobilität verzögern.
Die IHK München und Oberbayern befürchtet darüber hinaus, dass mehrere Gebotszonen die gebotszonenübergreifende Power Purchase Agreements (PPAs, langfristige Stromlieferverträge) für erneuerbare Energien erschweren könnten. Dies würde angestrebte Investitionen in Offshore-Wind oder Elektrolyseure verzögern.
Die EU ist hingegen an kleineren Preiszonen interessiert. Die EU-Verordnung 2019/943 verlangt, dass innerhalb von Gebotszonen mindestens 70 Prozent der Kapazität ihrer Netzelemente grenzüberschreitend für den Stromhandel zur Verfügung stehen. Dies fördere den Stromexport und die europäische Marktintegration.
Das letzte Wort nach Vorlage des Berichts haben die Mitgliedstaaten selbst. Sie müssen einstimmig über die Beibehaltung der bestehenden Strompreiszonen, unter anderem der einheitlichen deutschen, entscheiden. Erzielen sie keine Einigung, entscheidet die EU-Kommission.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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