Segel im Aufwind: Alte Technik soll frischen Wind für die Schifffahrt bringen

Forscher aus Schweden möchten den Luftwiderstand von Schiffen um 7,5 Prozent verringern. Anfangs spare das tonnenweise Kraftstoff, später sei der Weg frei für große Frachtschiffe, die allein vom Wind über die Weltmeere getragen werden.
Frachtschiffe mit Segeln sollen von neuer Aerodynamik profitieren
Illustration eines mit Windkraft betriebenen Schiffs. Die Flügelsegel sind eine der Konstruktionen, mit denen die Windkraft für große Schiffe genutzt werden kann. Andere Konstruktionsarten sind Rotorsegel, die wie vertikale Zylinder aussehen, und Drachensegel.Foto: computedwingsail.com
Von 12. April 2023

In der Industrie dreht sich derzeit vieles um das Erreichen von internationalen Klimazielen. Neben der Luftfahrt ist besonders auch die Schifffahrt betroffen, die bis 2050 mehr als 50 Prozent ihrer Kohlendioxidemissionen reduzieren soll. Ein Mammutprojekt, da derzeit bis zu 99 Prozent des weltweiten Schiffsverkehrs von fossilen Brennstoffen abhängig ist.

Auch wenn kleinere Fähren oder Ausflugsschiffe über kürzere Entfernungen mit Strom betrieben werden, wird die Elektrifizierung größerer Langstreckenschiffe durch die begrenzte Reichweite behindert. Viele Forscher sehen daher die Not, den dringenden Bedarf an neuen energieeffizienten Antriebslösungen für die Schifffahrt zu decken.

Einen Schritt in diese Richtung machten Forscher der Chalmers University of Technology in Schweden. Diese haben kürzlich in einer Studie eine neue Methode vorgestellt, deren Inspiration aus der Luftfahrt stammt. Mit einer überarbeiteten aerodynamischen Technologie soll künftig der Luftwiderstand eines Schiffes um 7,5 Prozent verringert werden. Das Ergebnis sei eine höhere Energieeffizienz und ein geringerer Kraftstoffverbrauch.

„Für einen Öltanker, der von Saudi-Arabien nach Japan fährt, würde dies eine Verringerung des Treibstoffverbrauchs um etwa zehn Tonnen bedeuten“, sagt Kewei Xu, Forscher im Bereich Schiffstechnik von der Technischen Hochschule Chalmers. „Die Verringerung des Luftwiderstands wurde bisher nur selten untersucht – unsere Studie ist eine der ersten ihrer Art.“

Windige Zukunft für Frachtschiffe

Der Windantrieb ist an sich keine neue Technologie. Wind trieb Jahrhunderte lang Schiffe über die Meere, lag jedoch jahrzehntelang im Dornröschenschlaf. Erst in den letzten Jahren ist er wieder stärker in den Fokus von Wissenschaftlern und Ingenieuren gerückt.

Ein Schiff mit Windantrieb erfordert ein effizienteres aerodynamisches Design, da es nicht die konstant hohe Leistung eines mit fossilen Brennstoffen betriebenen Schiffes hat. Früher wurde der aerodynamische Effekt im Vergleich zum Gesamtwiderstand eines Schiffes im Wasser als unwichtig angesehen. Für die künftige windgetriebene Schifffahrt könnte die Methode der Forscher jedoch neue Möglichkeiten eröffnen.

„In den nächsten Jahren werden wir wahrscheinlich Schiffe sehen, die Wind- und Kraftstoffantrieb kombinieren. Aber unser langfristiges Ziel ist es, die Windenergie zur einzigen Energiequelle für Frachtschiffe und dergleichen zu machen“, sagt Kewei Xu.

Der Effekt wie bei einem Löffel

Im Mittelpunkt der Methode steht der sogenannte Coanda-Effekt, welcher auf einer gleichmäßigen Strömung beruht. Dieser Effekt wurde 1910 von dem rumänischen Erfinder Henri Coanda entdeckt und wird noch heute in Düsenflugzeugen, Klimaanlagen und Haarstyling-Geräten angewendet. Der Effekt besagt, dass Flüssigkeit die Tendenz hat, entlang einer nach außen gekrümmten (konvexen) Oberfläche zu fließen, anstatt sich von ihr zu entfernen – ähnlich wie Wasser entlang eines Löffelrückens.

Der Coanda-Effekt besagt, dass Flüssigkeit die Tendenz habe, entlang einer nach außen gekrümmten (konvexen) Oberfläche zu fließen, anstatt sich von ihr zu entfernen – ähnlich wie bei Wasser, das entlang eines Löffelrückens fließt. Foto: Chalmers University of Technology | Mia Halleröd Palmgren

In der Schifffahrt ist eine der Hauptquellen des Luftwiderstands die quadratische Rückseite der Schiffsaufbauten – der Teil, der aus dem Deck herausragt. Die von den Chalmers-Forschern entwickelte neue Methode soll schließlich den Coanda-Effekt in diesem Bereich nutzbar machen.

„Indem man ein Design mit konvexen Kanten an den Schiffsaufbauten schafft und hoch komprimierte Luft durch ‚Düsenschlitze‘ strömen lässt, ermöglicht der Coanda-Effekt einen Ausgleich des Luftdrucks auf den Schiffsrumpf. Dies wiederum verringert den Luftwiderstand erheblich und macht das Schiff energieeffizienter“, erklärt Kewei Xu. Diese Methode kann sowohl bei bestehenden als auch bei neu entworfenen Schiffen angewendet werden.

Verwirbelungen an der flachen Rückseite eines Schiffes (rechts) erzeugen einen großen Luftwiderstand. Die Verbesserung mit dem Coanda-Effekt sollen dies deutlich reduzieren. Foto: ts/Epoch Times nach Chalmers University of Technology | Kewei Xu

„Indem wir zeigen, dass unsere Methode den Luftwiderstand um 7,5 Prozent reduzieren kann, hoffen wir, dass die Schifffahrtsindustrie diese Lösung zu geringeren Emissionen begrüßen wird“, so Kewei Xu. „Unsere Studie zeigt zudem ein großes Potenzial, den Luftwiderstand durch weitere Optimierungen noch weiter zu reduzieren.“

Praktischer Nutzen für Helikopter

Außerdem soll diese neue Methode auch sicherere Starts und Landungen von Hubschraubern auf Schiffen ermöglichen. Da Piloten an einer ganz bestimmten Stelle des Schiffes landen oder starten müssen, sind Luftverwirbelungen in diesen Bereichen mit großen Risiken verbunden. Die Turbulenzen entstehen in der Regel, wenn die Luft von den Schiffsaufbauten herabströmt und den Hubschrauber destabilisiert. In der Vergangenheit ging dies mit einigen Abstürzen von Hubschraubern einher.

Derzeit werden Zäune oder eine angepasste Form des Schiffes verwendet, um die Risiken zu vermindern. Diese sind allerdings nicht sehr effektiv. Mit der neuen Methode werden die Turbulenzen gedämpft, da sie den hinter den Aufbauten abfließenden Wind beeinflusst, was das Unfallrisiko für Hubschrauber verringert, so die Forscher.

Die Studie erschien am 5. Januar 2023 im Fachblatt „Physics of Fluids“.



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