Weisheiten aus der Antike: Trotz misslicher Umstände gelassen bleiben

Misstrauen, Populismus, Wertewandel, Politikverdrossenheit und die Ahnung, dass der gegenwärtige Mittelstand nicht zur zukünftigen Gesellschaftsordnung gehört, brachte die Gemüter schon immer in Rage. Die Masse entzieht sich den Spielmachern mittels Selbstoptimierung – diesen Weg hinterließen einst die Stoiker.
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"Den guten Steuermann lernt man erst im Sturme kennen.“ Seneca.Foto: iStock
Von 14. Oktober 2019

Athen im Jahre 300 vor Christus: Dem Tod von Alexander den Großen, Schüler von Aristoteles, folgte eine neue Gesellschaftsordnung. Das vereinte Reich wurde aufgeteilt und es entstanden die Diadochenreiche unter der Herrschaft fremder Führer. Der Zusammenbruch des bisherigen Gesellschaftssystems verursachte Chaos. Die Abschaffung des bestehenden Bürgertums sorgte zusätzlich für Aufregung. Die Entstehung neuer Lebensrhythmen gepaart mit Fremdherrschaft ließen die Gemüter der Athener erhitzen.

Das war die Geburtsstunde der Stoa, deren Ära ein halbes Jahrtausend andauerte. Die Geschichte der Stoiker zeichnete jedoch keine starre Linie, sondern zeigte Flexibilität innerhalb der individuellen Selbstoptimierung. Aus diesem Grund unterscheidet man klassischerweise drei Perioden: Antike Stoiker (300 – 129 v. Chr.): Zenon von Kition, Kleanthes und Chrysippos, die Mittleren Stoiker (180 – 51 v. Chr.): Panaetios und Poseidonios sowie die Jüngeren Stoiker (1 – 180 n. Chr.): Seneca, Epiktet und Marc Aurel.

Das antike Lebensmodell kann zusätzlich in drei weitere Elemente unterteilt werden: in Logik, Physik und Ethik. Wobei die Ethik die oberste Priorität hat; Logik und Physik dienen vorrangig der Kunst des Schlussfolgerns.

Politische Missstände trieben die Popularität an

Das Zeitalter der antiken Philosophen war ein reges. Neue Lebensschulen kamen und gingen. In der großen Verdrossenheit gegenüber der Herrscher erschien die philosophische Strömung der Stoiker wie ein Wink aus dem Himmel. 150 Jahre vergingen zwischen der Gründung in Athen und dem Einzug ins allgemeine Bildungs- und Wertesystem. Und wieder waren es die ungeschickten politischen Umstände, die zur Popularität der Lebensschule führte.

Da in Rom die zentrale Autorität des Herrschers dem Motto folgte, jeder sei nur ein Gleicher unter Gleichen, fühlte sich die Elite der Gesellschaft ihrer politischen Gestaltungsmöglichkeiten beraubt.

 Die beste Art, sich zu rächen: Nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.“ Marc Aurel

Selbstoptimierung brachte die Politik ins Schwanken

Die Oberschicht fühlte sich durch den Machtverlust gezwungen zu handeln und wählten den Weg der Stoiker. Die anfängliche Trostsuche in der Philosophie hatte zur Folge, dass die Macht der Politik auf der Kippe stand. Schließlich brachte die stoische Weltanschauung den Menschen neue Prüfinstrumente für Lebensweisen, Sitten und Wertvorstellungen, welche mit dem herrschenden politischen System nicht im Einklang waren.

Menschen mit Tugenden wie Disziplin, Pragmatismus, Standhaftigkeit und Flexibilität sowie diejenigen, welche voller Gelassenheit leben, verschmähten es, dem römischen Senat zu huldigen. Während sich zu Zeiten Ciceros junge Männer um die Mitarbeit im Staat drängten, waren es unter Augustus Herrschaft beinahe Zwangsbesetzungen.

Dies kam nicht von ungefähr. Die Philosophie der Stoa sah ihre Hauptaufgabe darin, Menschen zu lehren, wie sie glücklich werden können, indem das Seelenwohl zum Fokus wird. Daher konnte von Außen keine Manipulation mehr stattfinden und die bis dahin übliche Art Politik zu betreiben fand keine Anhängerschaft.

Der Grundstein dafür war, dass Ruhm, Reichtum, Macht und der Wunsch nach ewiger Gesundheit durch Gelassenheit ersetzt wurde. Das Zepter der Machthaber hatte keine Wirkung mehr. Denn selbst der Tod wurde als ein gleichgültiger Bestand des Lebens angesehen. Der große Denker Epiktet teilte seine Erkenntnis so mit:

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern nur die Vorstellung von den Dingen. So ist z.B. der Tod nichts Furchtbares, sondern die Vorstellung, er sei etwas Furchtbares ist das Furchtbare. Wenn wir also bedrängt, unruhig oder betrübt sind, wollen wir die Ursache nicht in etwas anderem suchen sondern in uns und unseren Vorstellungen.“

Die Quelle der Ruhe liegt in einem Selbst

Durch Standhaftigkeit und Disziplin wurde die innere Glückseligkeit zu einem dauerhaften und zuverlässigen Wegbegleiter der Stoiker. Marc Aurel war der erste stoisch gesinnte Kaiser in Rom. Dieser drückte seine Erkenntnis folgendermaßen aus:

Die Aufgabe des Lebens besteht nicht darin, auf der Seite einer Mehrzahl zu stehen, sondern dem inneren Gesetz gemäß zu leben. Denke nicht so oft an das, was dir fehlt, sondern an das, was du hast. Was du bekommst, nimm ohne Stolz an, was du verlierst, gib ohne Trauer auf.“

Die Pestepidemie in der Amtszeit von Marc Aurel plagte das Volk. Die Bevölkerung wandte sich schuldsuchend den Christen zu. Der stoische Kaiser erkannte die Situation und wirkte der Christenverfolgung mit verschiedenen Erlassen und Appellen entgegen. Rat suchend wandte sich Marc Aurel an die stoische Philosophie. Damals überraschte der Kaiser mit seinem Bekenntnis zur kosmopolitischen Weltsicht sein Volk.
Meine Natur aber ist eine vernünftige und für das Gemeinwohl bestimmte; meine Stadt und mein Vaterland aber ist, sofern ich Antonin heiße, Rom, sofern ich Mensch bin, die Welt.“

Seine individuellen inneren Gesetze finden

Um seinen inneren Gesetzmäßigkeiten zu folgen, empfahlen die Stoiker, sich ganz der Seelenruhe und Gelassenheit hinzugeben. Wie soll das erreicht werden? In der stoischen Philosophie geht man davon aus, dass der Mensch keinen Einfluss darauf hat, was gerade passiert, jedoch beeinflussen kann wie die Dinge passieren. Die innere Einstellung vermag das Geschehene in einem anderen Licht zu sehen.

Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht.“ Marc Aurel

Gerade in stürmischen Zeiten werden große Persönlichkeiten hervorgebracht. Meist sind dies die Phasen welche Schriften von Marc Aurel, Seneca und Epiktet lesenswert machen.

Ethik, Logik und Physik reifen gemeinsam mit dem Glauben an die göttliche Vernunft in einem Stoiker heran. Sie führen zu tief greifender Gelassenheit. Ein Grundgedanke ist, Denken und Handeln nicht auseinanderzudividieren, sondern als ein Ganzes wahrzunehmen. Es wird davon ausgegangen, dass die Gesetzmäßigkeiten im Materiellen ebenso gültig sind wie im Geistigen. Daher wird auch Wert darauf gelegt, sein Denken sowie auch seine Triebe zu kontrollieren.

 Unglücklich ist die Seele, die des Zukünftigen wegen ängstlich ist, und elend ist schon vor dem Elend, wer in Sorgen schwebt, ob das, woran er sich erfreut, ihm auch bis ans Ende verbleiben werde.“ Seneca

Die heutigen Stoiker

Auch Philosophen und Politiker der Neuzeit lebten die positive Wirkung des Stoizismus. Allen voran Friedrich Nietzsche, René Decartes und Immanuel Kant.

Selbst in der Psychotherapie können Elemente der Stoa gefunden werden. Albert Ellis praktiziert beispielsweise den Stoizismus, aber auch die beiden Psychotherapeuten Aaron T. Beck und Donald Meichenbaum nahmen sich der Lebensschule an.

Die Stoa ist all die Jahre nicht in Vergessenheit geraten. Gerade im heutigen Zeitalter der Schnelllebigkeit kann diese uralte Lebensphilosophie zu einem Anker der Vernunft und Gelassenheit werden.



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