Wann Flaschensammler ihre Ausbeute versteuern müssen

Das Geld liegt auf der Straße? Das klingt erst einmal ermutigend, ist aber für viele, die auf der Straße davon leben, Flaschen und Dosen zu sammeln, um vom Pfandgeld über den Tag zu kommen, traurige Realität. Wie auch für immer mehr Rentner, die sich ihre klägliche Rente aufstocken müssen, um über den Monat zu kommen. Das Flaschensammelgeld muss sogar versteuert werden.
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Immer mehr Rentner, Obdachlose und Arme greifen in Deutschland zur Pfandflasche.Foto: iStock
Von 4. Januar 2024

Gerade erst erhitzt ein Werbeclip des Discounters Lidl die Gemüter im Netz. Eine Rentnerin verlässt ihre trostlos-ärmliche Plattenbauwohnung, um im bitterkalten Berlin auf Pfandflaschensuche zu gehen. Am Ende des Spots landet sie bei Lidl am Pfandflaschenautomaten. Der Kühlschrank ist leer, doch der Magen knurrt. Und weil die Rente offenbar zu gering ist, muss die Dame quer durchs bitterkalte Berlin ziehen und in Mülleimern nach Pfandflaschen suchen.

„Jede Spende zählt“ – für Lidl

Am Tagesende geht sie mit einer vollen Tasche zu Lidl und steckt die Pfandflaschen in den Automaten. Nur eine Flasche, die ihr ein kleiner, zugewandter Junge gegeben hatte, spendet sie per Knopfdruck am Automaten für die ortsansässige Tafel.

„Jede Spende zählt“, heißt es am Ende des Werbevideos: „In Deutschland sammeln über 900.000 Menschen täglich Pfand. Vielen wird auch bei den Tafeln geholfen. Durch eure Pfandspenden wurden in den letzten 15 Jahren über 30 Millionen Euro an Tafel Deutschland gespendet. Danke.“

Eines ist klar, diejenigen, die Flaschen aus Mülleimern, Parks und Straßenrändern sammeln, sind vielmals selbst Kandidaten für die Tafel und wühlen in Containern aus der Not heraus, weil etwa das Bürgergeld oder besagte Rente nicht zum Leben ausreichen.

Despektierlich und schamlos: Das Netz ist in Aufruhr

Der Milliardenkonzern Lidl bekommt aktuell für den Clip einen sogenannten „Shitstorm“:  Man hätte sich den Clip sparen können, heißt es, und die Kosten direkt an die Tafel spenden können. Unter dem YouTube-Video (anzusehen HIER) allein sind Hunderte Kommentare zu finden, die meisten mit ähnlichem Grundtenor:

Lidl würde sich gegenüber den Ärmsten der Armen despektierlich verhalten, so zusammengefasst das Feedback in den sozialen Medien. Zumal Dieter Schwarz mit 43,9 Milliarden Euro als einer der reichsten Deutschen gilt – auf Platz zwei nach den BMW-Erben. Der 83-jährige Discounter-Milliardär ist Eigentümer der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören. Schwarz soll im Corona-Jahr 2020 allein um 300 Millionen Euro reicher geworden sein.

Wer eingedenk dieser Dimensionen den Lidl-Spendenaufruf als schamlos empfindet, der mag jetzt vielleicht erstaunt sein, dass vor allem auch der Staat an die Überlebenserlöse vom Flaschensammeln heranwill: Denn diese sollen das Geld versteuern, so will es das Gesetz. 

25 Cent gibt es für PET-Flaschen und Dosen sowie acht Cent für Bierflaschen. An guten Tagen kann dies zu einem guten Sümmchen führen – das aber versteuert werden muss. Zumindest unter bestimmten Bedingungen. Falls die ärmlich lebende Rentnerin oder der unter der Brücke auf einer alten Matratze wohnende Obdachlose dadurch zu viel verdienen sollte, will der Fiskus abkassieren. 

Grundsätzlich gewerbliche Tätigkeit

Pfandsammler müssten theoretisch sogar ein Gewerbe anmelden, um dieser Tätigkeit legal nachgehen zu dürfen. Ein Sprecher des NRW-Finanzministeriums erklärte, dass sämtliche Tätigkeiten mit Gewinnerzielung als gewerblich gelten, und somit könne auch das Sammeln von Pfandflaschen in diese Kategorie fallen. Soweit die gesetzlichen Bestimmungen, die angesichts dessen, dass jemand, der an der Armutsgrenze lebt, für quasi überlebenssichernde Maßnahmen oder Tätigkeiten einen Schein anmelden soll. 

Damit aber nicht genug. Dann muss das Geld aus den gesammelten Dosen und Flaschen auch versteuert werden. Flaschensammler dürfen (als Alleinstehende) mit ihrem „Gewerbe“ zuzüglich gegebenenfalls weiterer Einkünfte nicht mehr als 11.604 Euro im Jahr verdienen, das ist die seit dem 1. Januar 2024 geltende Freigrenze. Diese bezieht sich auf sämtliche Einkünfte, die auf einer Einkommenssteuererklärung anzugeben sind – das Flaschensammeln kann dabei also auch nur eine von mehreren Geldquellen sein.

Versteuern und verboten

Für den Fiskus scheint dabei völlig unerheblich zu sein, dass das Flaschensammeln in Deutschland bestenfalls dazu dient, überhaupt über die Runden zu kommen. Kaum vorstellbar, dass jemand, um im Alltag zu überleben, freiwillig im Müll wühlt. Aber da könnte schon die nächste Falle warten: Es ist in Deutschland nämlich verboten, Flaschen aus Mülleimern oder Containern zu sammeln, da diese rechtlich gesehen dem Besitzer des Abfalleimers gehören. Aufsammeln von Flaschen in Parks und am Straßenrand ist hingegen erlaubt. Dennoch wird das Entnehmen der Flaschen aus Mülleimern oft geduldet, da es sich um einen geringen Betrag handelt. 

Mit einem Greifarm erbeutete ein Ehepaar Pfandflaschen im Wert von 1,44 Euro aus einem Altglascontainer. Anwohner hatten sie beobachtet und die Polizei verständigt. Die Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehle wegen Pfanddiebstahls in Höhe des genannten Betrags. Der Richter lehnte den Erlass ab. Wer aus einem Altglascontainer Pfandflaschen fischt, mache sich nicht strafbar, entschied das Amtsgericht (AG) München (Beschl. v. 29.03.2017, Az. 843 Cs 238 Js 238969/16).

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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