BGH-Urteil: Mit 16 oder 17 Jahren im Ausland geschlossene Ehe darf nicht immer aufgehoben werden

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Eheringe auf einem Koran.Foto: iStock
Epoch Times14. August 2020

Wenn Frauen eine mit 16 oder 17 Jahren im Ausland geschlossene Ehe beenden wollen, müssen die Behörden diese nicht automatisch aufheben. Lebte die Frau ihre Ehe auch als Volljährige langjährig in Deutschland, ist für die Trennung ein reguläres Scheidungsverfahren erforderlich, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschied. (Az: XII ZB 131/20)

Hintergrund ist das seit 2017 geltende Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Danach ist eine vor dem 16. Geburtstag geschlossene Ehe von vornherein unwirksam, eine von 16- oder 17-Jährigen geschlossene Ehe „kann aufgehoben werden“.

Im Streitfall hatte eine knapp 17-Jährige im Libanon einen 21 Jahre alten Mann geheiratet. Sie lebten von 2003 bis 2016 zusammen in Berlin und haben vier in Deutschland geborene gemeinsame Kinder. Die heute 35 Jahre alte Frau hat auch die deutsche Staatsangehörigkeit.

2016 trennte sich das Paar, es ist nach islamischem Recht inzwischen geschieden. Die Frau hat einen neuen Lebensgefährten und lebt mit diesem und ihren vier Kindern zusammen. 2018 bestätigte sie dem Standesamt, ihre Ehe nicht fortführen zu wollen. Den Antrag der Behörde, die Ehe aufzuheben, lehnten das zuständige Amtsgericht und auch das Kammergericht Berlin aber ab.

Dies bestätigt nun der BGH. Die gesetzliche Kann-Formulierung für zwischen dem 16. und dem 18. Geburtstag geschlossene Ehen verweise auf einen Ermessensspielraum der Behörden. Dies sei auch verfassungsrechtlich geboten. Denn eine automatische Auflösung der Ehe verstoße gegen den Vertrauensschutz. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Minderjährigenschutzes könne es zudem „gewichtige Umstände“ geben, die gegen eine Auflösung sprächen.

Im konkreten Fall sei die Frau inzwischen 35 Jahre alt. Sie habe fast 14 Jahre in ihrer Ehe gelebt und in dieser als Volljährige vier Kinder geboren. „Eine Eheaufhebung würde mithin in krassem Gegensatz zu der langjährig bewusst im Erwachsenenalter gelebten Familienwirklichkeit stehen“, betonte der BGH. Dass die Frau eine Beendigung ihrer Ehe wünscht, stehe dem nicht entgegen. Hierfür stehe ihr der Weg der Scheidung offen.

Nach Überzeugung des BGH ist auch das generelle Verbot einer unter 14 Jahren im Ausland rechtmäßig und freiwillig geschlossenen Kinderehe fragwürdig. 2018 legte er daher den Fall eines 2015 nach Deutschland geflohenen syrischen Paars dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Dieses will voraussichtlich noch in diesem Jahr darüber entscheiden. (afp/sua)



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