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Analyse

plus-iconKurswechsel in der US-Außenpolitik

Neue Nationale Sicherheitsstrategie: Was die USA von den Europäern fordern

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA markiert einen tiefgreifenden Kurswechsel: Weniger globale Verpflichtungen, mehr Schutz eigener Interessen und eine Rückbesinnung auf strategische Realitäten. Europa, Lateinamerika und die Indopazifik-Region stehen vor neuen Erwartungen – und klaren Grenzen amerikanischer Unterstützung.

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US-Präsident Donald Trump während der Kabinettssitzung im Weißen Haus in Washington, DC, am 26. August 2025. Ebenfalls im Bild (l-r) Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., Innenminister Doug Burgum, Außenminister Marco Rubio, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Handelsminister Howard Lutnick und Verkehrsminister Sean Duffy.

Foto: Mandel Ngan/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 10 Min.


In Kürze:

  • Die USA konzentrieren sich wieder stärker auf eigene Hemisphäre und Grenzsicherung
  • Verbündete – besonders Europa – sollen deutlich mehr Verantwortung übernehmen
  • China bleibt zentraler wirtschaftlicher und geopolitischer Rivale
  • Nahost-Politik: Kooperation statt Interventionen, Fokus auf Energie- und Partnersicherheit

 
Realismus, Pragmatismus, Eigeninteresse und keine Bereitschaft mehr, die Feuerwehr bei Bränden zu spielen, die andere Länder angefacht haben: So lässt sich die Quintessenz der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA zusammenfassen. Die Amerikaner wollen zwar der bestimmende politische Faktor in der westlichen Hemisphäre bleiben. Sie wollen allerdings nicht mehr die Verantwortung für die gesamte Weltordnung übernehmen – und auch die NATO betrachtet man nicht mehr als unbegrenzt erweiterbar.
Vieles an der neuen Strategie wirkt wie eine von der Regierung Trump überarbeitete und auf einen zeitgemäßen Stand gebrachte Monroe-Doktrin. Explizit heißt es darin, die USA müssen „in der westlichen Hemisphäre als Bedingung für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand die führende Kraft sein“. Dies werde es den Vereinigten Staaten ermöglichen, sich in der eigenen Region selbstbewusst zu behaupten.
Die Sicherheit der eigenen primären Interessensphäre, so heißt es weiter, gewährleiste auch die Stärke der USA im In- und Ausland. Als neue und speziell auf die Ära Trump abgestimmte Note kommt im Fall der aktuellen Strategie die wachsende Bedeutung Chinas hinzu. Das dortige kommunistische Regime wird als zentrale geopolitische Herausforderung begriffen.
Entsprechend sehen es die USA der neuen Strategie zufolge als eine der wichtigsten Aufgaben an, dessen Vormarsch auf dem amerikanischen Kontinent zu unterbinden. Dazu gehört es, den Zugriff Pekings auf wichtige Häfen, Telekommunikationssysteme und Infrastruktur in Lateinamerika zu verhindern.

Amerikaner wollen Europa nicht abschreiben – Zeit der Blankoschecks ist aber vorbei

Vor allem für Europa soll es keine sicherheitspolitischen oder militärischen Blankoschecks mehr geben. Man werde zwar die NATO-Verbündeten weiter unterstützen – allerdings lediglich in einer Funktion als strategischer Koordinator. Zwischen den Zeilen klingt massive Kritik an den politischen, ideologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen an, die in Europa in den vergangenen Jahrzehnten Platz gegriffen hatten.
Diese werden auch als Ursachen für eine krisenhafte Entwicklung gesehen, die wirtschaftlichen, kulturellen und demografischen Niedergang ebenso befeuere wie politische Polarisierung und militärische Eskalation. Man könne es sich trotzdem „nicht leisten, Europa abzuschreiben“, damit würden die Amerikaner ihre eigenen strategischen Ziele vereiteln.
Allerdings fordern die USA von den Europäern ein, den eurozentrischen Blick zu weiten und auch die Interessen ihres Verbündeten im Auge zu behalten. Das schließe auch mit ein, eine selbstschädigende Politik aufzugeben, von der am Ende auch die Amerikaner nicht unbehelligt blieben. Ein Faktor ist dabei, dass die europäischen NATO-Partner ihre eigenen Armeen verteidigungsfähig machten und mehr investierten, statt sich weiterhin auf die militärische Stärke der USA zu verlassen.

Europäer sollen sich neu erfinden – ohne Ideologien und konfrontative Russlandpolitik

Auch ein Frieden in der Ukraine gehört zu den Kerninteressen der USA. Deshalb fordert man die Europäer dazu auf, unrealistische Erwartungen an den Kriegsausgang aufzugeben. Stattdessen liege es an den Europäern selbst, Bedingungen zu schaffen, um der Ukraine einen erfolgreichen Aufbau in Frieden zu sichern und ihr Verhältnis zu Russland zu stabilisieren.
Die USA räumen in ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie ein, dass sie vor allem selbst dabei gefragt sein werden, die europäischen Beziehungen zu Russland zu normalisieren und das Konfliktpotenzial abzubauen. Gleichzeitig macht man aber auch deutlich, dass die Europäer, sobald die Stabilität wiederhergestellt sei, selbst dafür verantwortlich seien, diese aufrechtzuerhalten.
Dabei würden die Europäer auch an Reformen in ihren eigenen Gemeinwesen nicht vorbeikommen. Diese seien in ihrem eigenen Interesse, denn ohne sie würde Europa seine „Auslöschung als Zivilisation“ riskieren. Es müsse auch sein „Selbstbewusstsein als Zivilisation und seine westliche Identität“ wiederherstellen. Dies beinhalte auch ein Ende der Aushöhlung von Freiheitsrechten. Die USA würden auf die Entwicklung ein Auge haben:
„Wir werden uns gegen elitengetriebene, antidemokratische Beschränkungen von Kernfreiheiten in Europa, der Anglosphäre und dem Rest der demokratischen Welt wenden, vor allem bei unseren Verbündeten.“
Die Nationale Sicherheitsstrategie fordert auch einen besseren Zugang der USA zu den europäischen Märkten. Außerdem besteht Washington auf Solidarität gegen feindselige Wirtschaftspraktiken wie den gezielten Aufbau von Überkapazitäten, Technologiediebstahl und Cyberspionage.

USA wollen amerikanische Meere von Drogenbanden freihalten

Das offensive Vorgehen der USA gegen Drogenkartelle – notfalls unter Anwendung tödlicher Gewalt – und die Ausweitung von Operationen der Marine und Küstenwache sind ebenfalls Ausdruck der Priorisierung amerikanischer Interessen.
Die zunehmende Präsenz auf den Meeren, die den amerikanischen Kontinent umgeben, dient dazu, Migrationsbewegungen in den USA zu kontrollieren. Zudem ist man entschlossen, den „Narco-Terroristen“ und anderen kriminellen Netzwerken, die Gemeinschaften in den USA schaden, den Kampf anzusagen.
In dem Papier heißt es außerdem:
„Wir wollen eine Hemisphäre, die frei von feindlichem ausländischem Eindringen oder dem Besitz wichtiger Vermögenswerte bleibt und die kritischen Lieferketten unterstützt.“
Zudem wird die Notwendigkeit unterstrichen, sich fortwährend den Zugang zu wichtigen strategischen Einrichtungen zu sichern.
In Summe verschiebt Trump mit der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie den Fokus hin zu einem Ansatz, der weiterhin von einer beeindruckenden Macht der USA auf weltweiter Ebene ausgeht. Allerdings soll diese enger konzentriert sein, und die Sicherheiten der eigenen Grenzen sowie eine eigene gesunde industrielle Basis sind wichtiger als Amerikas Fußabdruck auf fremden Kriegsschauplätzen. Von Verbündeten fordert man dabei auch mehr Selbstständigkeit.

Kurswechsel in Nahost und Asien

Grundsätzlich sehen die USA China primär wirtschaftlich als primären Rivalen. Im Indopazifik kommt allerdings auch eine Komponente der militärischen Bedrohung von Verbündeten dazu – insbesondere der Philippinen und Taiwans. Die Amerikaner stehen auch dort zu ihren Zusicherungen, allerdings verlangen sie ebenfalls deutlich mehr Eigenverantwortung.
Die USA wollen ihre Präsenz so ausrichten, dass jede Aggression innerhalb der sogenannten „First Island Chain“ (Die Erste Inselkette) abgewehrt werden kann. Allerdings müssten die Partner, inklusive Australien, Japan und Südkorea, sich an den entsprechenden Vorkehrungen und Aktivitäten beteiligen. Wirtschaftliche Neuaufstellung und militärische Abschreckung sollen sich bei den gemeinsamen Anstrengungen, mögliche chinesische Aggressionen abzuschrecken, gegenseitig stärken.
Auch im Nahen Osten steht ein Bruch mit früheren Konzepten bevor. Die USA werden sich auf den Schutz zentraler Seewege, die Sicherheit wichtiger Partner, den Kampf gegen Terrorismus und die Verhinderung feindlicher Einflusszonen beschränken. Die Sicherung der eigenen Interessen bleibt im Vordergrund, Nation Building soll durch Kooperation ersetzt werden. Die Erweiterung der Abraham Accords soll die Zusammenarbeit mit der muslimischen Welt stärken. Im Mittelpunkt stehen die Sicherung der eigenen Energieversorgung, der Golfregion, des Roten Meeres und Israels.

EU-Außenbeauftragte: USA weiter „unser größter Verbündeter“

Nach der Veröffentlichung der neuen nationalen Sicherheitsstrategie der USA mit einer deutlichen Distanzierung von Europa hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas den Fortbestand des Bündnisses zwischen Europa und den USA beschworen. Die Vereinigten Staaten seien „immer noch unser größter Verbündeter“, sagte Kallas am Samstag beim Doha Forum, der alljährlichen diplomatischen Konferenz in der katarischen Hauptstadt.
„Natürlich gibt es da viel Kritik, aber ich denke, etwas davon ist auch wahr“, sagte die EU-Außenbeauftragte. Die Sichtweisen beider Seiten stimmten nicht immer überein, „aber ich denke, das übergreifende Prinzip ist immer noch da“, fügte Kallas hinzu. „Wir sind die größten Verbündeten und wir sollten zusammenhalten.“
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg hob Kallas erneut hervor, dass kein „dauerhafter Frieden“ zu erreichen sei, wenn die Ukraine „Beschränkungen und Druck“ ausgesetzt werde. „Wenn Aggression belohnt wird, dann wird das wieder passieren“, warnte sie mit Blick auf den russischen Angriffskrieg.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte am Freitag mit Blick auf die neue US-Sicherheitsstrategie gesagt, die USA „sind und bleiben unser wichtigster Verbündeter“ in der Nato. Zugleich betonte er aber, Deutschland brauche „keine externen Ratschläge“ zu Fragen der freien Meinungsäußerung oder „der Organisation unserer freiheitlichen Gesellschaften“.
(Mit Material der AFP)
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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