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Diplomatischer Balanceakt

Europa hinterfragt Beziehungen zu Israel: Abkommen auf dem Prüfstand

Die EU will ihr Kooperationsabkommen mit Israel überprüfen – Israel ist verstimmt. Der Schritt zeuge von „völligem Unverständnis der komplexen Realität, mit der Israel konfrontiert“ sei. Auch Großbritannien erhöht den Druck auf Israel.

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Zelte am Gaza-Hafen in Gaza-Stadt am 20. Mai 2025. Das Gebiet ist zu einem vorübergehenden Zufluchtsort geworden.

Foto: Saeed Jaras/Middle East Images/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Israel hat empört auf die Entscheidung der Europäischen Union regiert, ihr Kooperationsabkommen mit Israel wegen der Situation im Gazastreifen zu überprüfen.
Den Vorschlag brachte der niederländische Außenminister beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel ein, wie EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Dienstag, 20. Mai, mitteilte.
Kallas sagte, humanitäre Hilfe müsse „so schnell wie möglich“ in den Gazastreifen gelangen. Laut Kallas unterstütze die „große Mehrheit“ der 27 Mitgliedstaaten die Überprüfung des Abkommens.
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, reagiert darauf: „Wir lehnen den eingeschlagenen Kurs rundum ab“. Er erklärte am 20. Mai im Onlinedienst X weiter, der Schritt zeuge von „völligem Unverständnis der komplexen Realität, mit der Israel konfrontiert“ sei. Die Kritik an Israel werde die Position der Hamas in den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter verhärten.

Israel: Hilfe hat wieder begonnen

Am 19. Mai sagte Netanjahu auf X, er habe beschlossen, die Nahrungsmittelhilfe aufgrund des internationalen Drucks wieder aufzunehmen. Ohne bestimmte Länder zu nennen, sagte er, Israels „größte Freunde in der Welt“, darunter eine Reihe von Senatoren, hätten ihm mitgeteilt: „Wir können keine Bilder von Hunger, von Massenhunger akzeptieren. Wir können das nicht ertragen. Wir werden nicht in der Lage sein, Sie zu unterstützen.“
Am Dienstag erreichten fast 100 Lastwagen mit Hilfslieferungen den Gazastreifen: „93 UN-Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern, darunter Mehl für Bäckereien, Babynahrung, medizinische Ausrüstung und Arzneimittel“ hätten den Grenzübergang Kerem Shalom überquert, so die zuständige israelische Behörde Cogat.
Die Regierung Netanjahu betonte, dass Israels Armee weiter alles unternehmen werde, damit die Hilfsgüter nicht in die Hände der Hamas gelangen. Das Land wirft der Terrorgruppe vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.
Künftig sollen laut dem israelischen Außenministerium täglich Dutzende Hilfstransporter in den Gazastreifen einfahren können – trotz der neuen Bodenoffensive „Gideon’s Chariots“. Deren Ziel sei, „operative Kontrolle“ über alle Teile des Gazastreifens zu erhalten, um die Geiseln zu befreien und die terroristische Organisation Hamas zu zerschlagen. Israelische Soldaten sollen nach Netanjahus Darstellung künftig in Gaza stationiert bleiben.

Berlin gegen Überprüfung, Paris droht mit Anerkennung eines palästinensischen Staates

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot deutete ein mögliches Aussetzen des Abkommens an.
In einem Interview mit „France 24“ sagte Barrot: „Die Bilder, die uns aus Gaza erreichen, die Lage der Zivilisten, Frauen und Kinder zwingen uns heute, einen Schritt weiterzugehen.“
Er bekräftigte die Bereitschaft von Paris, in den kommenden Wochen einen palästinensischen Staat anzuerkennen.
Die Situation sei unerträglich: „Die blinde Gewalt und die Blockade humanitärer Hilfe durch die israelische Regierung haben Gaza in eine Todesfalle, um nicht zu sagen einen Friedhof, verwandelt.“
Die Bundesregierung spricht sich gegen eine Überprüfung des Abkommens und argumentiert unter anderem, dass sie die bestehenden Gesprächskanäle zu Israel nicht gefährden will. Dieses Abkommen biete „ein Forum, das man nutzen muss, um auch kritische Fragen zu stellen“, sagte ein Außenamtssprecher und fügte hinzu: „Wir haben eine Menge Fragen.“
Regierungssprecher Stefan Kornelius ergänzte, dass es aktuell keine Pläne zur Lieferung von Kriegswaffen an Israel gebe. Entsprechende Planungen lägen aktuell nicht vor. Details wollte Kornelius unter Verweis auf die Geheimhaltungsvorschriften nicht nennen. „Die Bundesregierung sieht mit Sorge die Situation in Gaza und handelt entsprechend.“

Was ist das Kooperationsabkommen?

Das Abkommen, das seit 2000 gilt, macht Israel zu einem wichtigen Partner der EU. Mit etwa 30 Prozent ist die EU der größte Handelspartner Israels. Viele israelische Produkte sind zollfrei. Im Forschungsbereich gilt Israel als EU-Partner.
Das Abkommen enthält den Artikel 2, der die Achtung der Menschenrechte und demokratischen Grundsätze vorschreibt. Ein Verstoß gegen die Menschenrechtsklausel kann zur Aussetzung des Abkommen oder von Teilen davon führen – darauf spielte der französische Außenminister offenbar an.

London setzte parallel seine Verhandlungen aus

Großbritannien hat parallel seine Handelsgespräche mit Israel gestoppt, Sanktionen gegen Siedler im Westjordanland verhängt und den israelischen Botschafter einbestellt.
Außenminister David Lammy kritisierte die erneute Militäroffensive im Gazastreifen und die Einschränkungen humanitärer Hilfe. Er nannte Israels Vorgehen „ungeheuerlich“ und verurteilte die Gewalt „extremistischer“ Siedler im Westjordanland. Er sagte, Netanjahus Regierung habe die Verantwortung, einzugreifen, um deren Aktionen zu stoppen.
„Wir haben die Verhandlungen mit der israelischen Regierung über ein neues Freihandelsabkommen ausgesetzt“, sagte er im Unterhaus. Er warf der israelischen Regierung vor, die Bewohner des Gazastreifens zu vertreiben und nur minimale Hilfe leisten zu wollen.
Auf die Forderung von Abgeordneten, dies als Völkermord zu bezeichnen, sagte Lammy: „Es ist Extremismus. Es ist gefährlich. Es ist abstoßend. Es ist ungeheuerlich und ich verurteile es auf das Schärfste.“
Marmorstein, Sprecher des israelischen Außenministeriums, kritisierte die britischen Sanktionen als „ungerechtfertigt und bedauerlich“. Er sagte auch: „Das britische Mandat endete vor genau 77 Jahren.“ Externer Druck werde Israel nicht davon abhalten, seine Existenz und Sicherheit zu verteidigen.

Trump: „Wir müssen auch den Palästinensern helfen“

US-Außenminister Marco Rubio erwartet, dass Israel bald mehr Lieferungen in den Gazastreifen zulässt. „Wir gehen davon aus, dass diese Hilfslieferungen in den nächsten Tagen und Wochen zunehmen“, sagte Rubio am Dienstag im US-Senat. 
Auf die Frage eines demokratischen Senators, ob Israel die Menschen im Gazastreifen durch Nahrungsentzug vertreiben wolle, antwortete Rubio: „Wir sind nicht der Ansicht, dass das ihre Strategie ist“.
US-Präsident Donald Trump äußerte sich am 17. Mai zurückhaltend. „Ich denke, dass im nächsten Monat viele gute Dinge passieren werden. Wir müssen auch den Palästinensern helfen. Viele Menschen im Gazastreifen hungern, also müssen wir beide Seiten betrachten.“
Ende April erklärte das Welternährungsprogramm der UN, dass die Lebensmittelvorräte in Gaza erschöpft seien. Trump sagte, er habe Netanjahu gedrängt, die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten zuzulassen.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Kathrin Sumpf schreibt für Epoch Times seit über zehn Jahren über aktuelle Themen, darunter Politik und Ausland. Sie hat einen facettenreichen Hintergrund in der Erwachsenenbildung und als Supervisorin.

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