EVP geht auf Distanz zu von der Leyen – und inszeniert sich als Anwalt der Bauern

In den Niederlanden triumphierte jüngst eine Protestbewegung von Bauern gegen radikale Umweltauflagen. Nun geht die EVP auf Distanz zum Green Deal der EU.
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Brüssel will die „Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden“ vor den Wahlen im nächsten Jahr in Kraft setzen.Foto: SteveAllenPhoto /iStock
Von 10. Mai 2023

In einem knappen Jahr finden die nächsten Wahlen zum EU-Parlament statt. Die Europäische Volkspartei (EVP) geht zunehmend auf Distanz zum sogenannten Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. In vielen EU-Ländern gehören Bauern zu den Kernwählern der bürgerlich-konservativen Parteien.

Im März hat eine Bewegung von Landwirten gegen die Reduktion des Stickstoffausstoßes um 50 Prozent bis 2030 die Provinzwahlen in den Niederlanden gewonnen. Die EVP befürchtet offenbar EU-weit ein ähnliches Szenario im kommenden Jahr.

Zwei Verordnungen als Teil des Green Deals

Stein des Anstoßes sind vor allem zwei Verordnungen, die Brüssel noch vor den Wahlen in Kraft setzen will. Eine bezieht sich auf den Einsatz von Pestiziden, die andere auf sogenannte Maßnahmen zur Renaturierung von Agrarflächen.

Die geplante „Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden“ strebt eine Halbierung des Einsatzes chemischer Pestizide bis 2030 an. In sogenannten sensiblen Gebieten will Brüssel deren Verwendung sogar gänzlich untersagen. Davon verspricht sich Brüssel eine Senkung des Risikos von Umweltschäden und einen Beitrag zum Artenschutz.

Die „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ wiederum sieht vor, bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen Maßnahmen zur Renaturierung durchzuführen. Auch in natürlichen und naturnahen Ökosystemen sollen diese stattfinden. Bis 2050 sollen 100 Prozent der schützenswerten Ökosysteme an Land und 90 Prozent der Meere einen guten, intakten ökologischen Zustand aufweisen.

Deutschlands Bauern in überdurchschnittlichem Ausmaß betroffen

Vor allem die Pestizidverbote würden deutsche Bauern in überdurchschnittlichem Maße belasten. Dies geht aus einer Karte der Europäischen Umweltagentur hervor, die sogenannte sensible Gebiete ausweist.

Eine Berechnung von Experten des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau nennt Zahlen. Demnach wären allein in Deutschland 31 Prozent der Gesamtackerfläche und 36 Prozent der Obst- und Weinbauflächen betroffen. Ein erheblicher Teil der potenziell betroffenen Flächen liege in Landschaftsschutzgebieten.

Aber auch landwirtschaftliche Flächen in Wasserschutzgebieten, Nationalparks, Vogelschutzgebieten oder Flora-Fauna-Habitaten wären betroffen.

EVP warnt vor noch höheren Lebensmittelpreisen und Hungersnöten

Aus Sicht der EVP ist eine solche Belastung europäischen Landwirten nicht zuzumuten – vor allem nicht in Zeiten des Krieges in der Ukraine. Diese war vor der Eskalation der Spannungen mit Russland ein wichtiger Exporteur von Agrarprodukten in die EU. Die eigene Versorgungsbasis in dieser Situation infrage zu stellen, sei unverantwortlich. Die EU müsse mehr statt weniger an eigenen Nahrungsmitteln produzieren.

Wie „Politico“ berichtet, setzt sich die EVP in dieser Frage auch von ihrer eigenen Kommissionspräsidentin ab. Die Partei warnt in Zeiten einer Inflation, die vor allem Verbraucher beim täglichen Einkauf trifft, vor noch höheren Lebensmittelpreisen. Die Verordnung könne, so hieß es in Äußerungen von EVP-Politikern in sozialen Medien, sogar zu einer „weltweiten Hungersnot“ beitragen.

Die EVP warnte auch vor einem drohenden Abriss von Dörfern, die vor 100 Jahren auf früheren Feuchtgebieten entstanden seien. Anhänger der Renaturierungsmaßnahmen und NGOs sprechen von „Panikmache“ und „Falschinformationen“.

Rechte Fraktionen unterstützen Bauern und EVP in ihrem Protest

Im Europäischen Parlament kann die EVP auf die Rückendeckung der konservativen ECR-Fraktion und der rechtsnationalistischen „Identität & Demokratie“ zählen. Auch in den Reihen der Liberalen und zum Teil auch der Sozialdemokraten gibt es Skeptiker.

Bauernverbände geben zudem zu bedenken, dass ähnliche Vorschriften wie die geplanten in anderen Regionen der Welt kein Thema seien. Dies schaffe unter anderem für Weinbauern einen erheblichen Weltmarktnachteil.

Der ORF zitiert die österreichische EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer mit den Worten:

Die Landwirtinnen und Landwirte sind an einem Punkt, wo sie nicht mehr mitkommen.“

Historiker sieht im Green Deal Parallelen zu Feudalisierung im alten Rom

In einem Beitrag für das Portal TVP vergleicht der Historiker David Engels die EU-Pläne mit dem sogenannten Kolonat im antiken Rom. Diese hätten eigenständige Bauern feudalistischen Strukturen unterworfen und sie ihres Eigentums und ihrer Freizügigkeit beraubt.

Der sogenannte Green Deal sei Ausdruck einer ähnlichen Tendenz. Der Mensch werde „im Namen des Klimas und der Moral auf völlig legale und verfassungskonforme Weise Schritt für Schritt seiner Freiheit beraubt“.

Das Land, in dem der Prozess am weitesten fortgeschritten sei, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, sei Deutschland. Für Engels zeige sich einmal mehr, dass „alle späten Zivilisationen zu starken Einschränkungen der Freiheit ihrer Bürger tendieren. Die Technologie als solche scheint dabei nur einen sehr oberflächlichen Einfluss auf die innere Entwicklung jeder Zivilisation zu haben.“

Stattdessen zeige sich auch in diesem Bereich eine „langsame Rückkehr der hoch entwickelten westlichen Zivilisation zu atavistischen, feudalen Gesellschaftsformen“.



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