Kein Smartphone vor 12, keine sozialen Medien vor 15 Jahren: Franzosen wollen stärkere Regulierung

Viele Franzosen sind über die Auswirkungen sozialer Netzwerke besorgt und wollen laut einer Umfrage eine stärkere Regulierung. Auch Regierungschef Macron spricht sich für eine europaweit geregelte digitale Volljährigkeit mit 15 Jahren aus. Aber können Gesetze die Pflicht der Eltern ersetzen, Kindern Medienkompetenz zu vermitteln?
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TikTok, Instagram, Snapchat ... Die Franzosen sind besorgt über die Auswirkungen von sozialen Netzwerken auf Kinder.Foto: Kerkez/iStock
Von 22. Mai 2024

Die NGO Destin Commun („More in common“) hat eine Umfrage zur Wahrnehmung von sozialen Netzwerken in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und den USA durchgeführt. Die Ergebnisse aus Frankreich liegen schon vor: eine deutliche Mehrheit der Franzosen fordert keine Smartphones vor 12, keine sozialen Netzwerke vor 15 Jahren. Eine Umfrage der NGO zeigt in ihren Ergebnissen, dass sich die Franzosen der Gefahren von Social Media insbesondere für ihre Kinder bewusst sind. Sie fordern eine stärkere Regulierung durch die Behörden, erklärt die Direktorin des Thinktanks Laurence de Nervaux gegenüber der französischen Tageszeitung „Ouest-France“.

Soziale Netzwerke gefährlich für Kinder

Die Umfrage, die die NGO Destin Commun in Frankreich und anderen westlichen Ländern durchgeführt hat, ergab konkret folgende Ergebnisse: Jeder zweite Franzose (50 Prozent) ist der Meinung, dass er „lieber in einer Welt leben würde, in der soziale Netzwerke nie erfunden wurden“.

Mit 80 Prozent gibt eine große Mehrheit an, dass „soziale Netzwerke ein gefährlicher Ort für unsere Kinder sind“. Das ist ein deutlich höherer Anteil als in Großbritannien (42 Prozent), Deutschland (37 Prozent) und den USA (34 Prozent). Damit äußerten die Franzosen von den vier befragten Ländern die stärkste Wahrnehmung bezüglich der negativen Auswirkungen von langen Bildschirmzeiten und sozialen Medien auf Kinder.

„Der Abstand zu Deutschland, das traditionell liberaler ist und daher eher zögert, diese Freiheiten einzuschränken, wird immer größer. In den USA, der Wiege der sozialen Netzwerke, ist das Konzept der Meinungsfreiheit eher absolutistisch als in Frankreich“, analysiert NGO-Direktorin Nervaux.

Weniger Zeit auf TikTok und Co

Hinsichtlich der Sorgen um die Jüngsten zeichnen sich drei Arten von Risiken ab, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für die Franzosen: Die Angst der Befragten gegenüber diesen Plattformen betrifft vorwiegend die Sicherheit und Integrität von Minderjährigen. Darunter fallen Belästigung, sexuelle Ausbeutung sowie gewalttätige oder pornografische Inhalte.

Kritisch wird auch das Risiko der Manipulation gesehen. Dazu zählen Betrug, Desinformation und eine mögliche Radikalisierung. In geringerem Maße fürchten die Franzosen auch die Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf die psychische Gesundheit und die kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron griff in einer viel beachteten Rede an der Sorbonne am 25. April 2024 die Idee einer europaweiten Regelung der Bildschirmzeit für Minderjährige auf. „Wir müssen die Kontrolle über das Leben unserer Kinder und Jugendlichen in Europa zurückgewinnen und die digitale Volljährigkeit mit 15 Jahren einführen, nicht vorher“, sagte Macron.

Frankreich hatte bereits ein Gesetz verabschiedet, das sicherstellen sollte, dass Nutzer unter 15 Jahren nicht ohne die Zustimmung ihrer Eltern auf soziale Medien und andere Plattformen zugreifen können. Das Gesetz wurde im Juni 2023 vom französischen Senat genehmigt und verlangt von sozialen Medienplattformen, dass sie die Altersverifikation einführen und die Zustimmung der Eltern für Nutzer unter 15 Jahren einholen​. Die französischen Vorschriften traten jedoch nie in Kraft, da sie nicht mit EU-Vorschriften übereinstimmen.

Folgen langer Bildschirmzeiten

Die Auswirkungen der Smartphone-Nutzung bei Kindern sind ein zunehmend präsenter werdendes Thema. Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die verschiedene Aspekte untersuchen:

Ein Thema sind Schlafprobleme, forciert durch Nutzung von Smartphones vor dem Schlafengehen, da das blaue Licht der Bildschirme die Produktion von Melatonin stört, wie eine Studie der American Academy of Pediatrics herausfand. Ein weiteres betrifft die psychische und physische Gesundheit. So ist eine erhöhte Bildschirmzeit mit einem höheren Risiko für depressive Symptome und Angstzustände bei Jugendlichen verbunden.

Insbesondere soziale Medien können hier durch Vergleichsdruck und Cybermobbing negative Auswirkungen haben. Folgen für die körperliche Gesundheit durch Bewegungsmangel bei langen Bildschirmzeiten sind auch untersucht. Eine Studie der Kaiser Family Foundation wies nach, dass Kinder, die mehr Zeit mit Bildschirmen verbringen, eine höhere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht beziehungsweise Adipositas aufweisen.

Exzessive Smartphone-Nutzung kann die Aufmerksamkeitsspanne und die Konzentrationsfähigkeit von Kindern beeinträchtigen: So schneiden Kinder, die häufig digitale Geräte nutzen, schlechter bei Aufgaben ab, die eine längere Aufmerksamkeit erforderten.

Als Jugendlicher am Smartphone zu hängen, bedeutet auch, weniger Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Dies kann zu einer geringeren Entwicklung sozialer Fähigkeiten führen, da wichtige soziale Lernprozesse im lebendigen Umfeld nicht stattfinden. (Studie der University of Michigan).

Eine hohe Bildschirmzeit bei Kindern wird auch mit geringeren Leistungen bei Tests zur kognitiven Entwicklung in Verbindung gebracht. Insbesondere Kinder, die mehr als zwei Stunden pro Tag mit Bildschirmen verbrachten, schnitten schlechter bei Tests zu kognitiven Fähigkeiten ab als ihre Altersgenossen (Studie des National Institutes of Health, NIH).

Spannungsfeld zwischen gesetzlicher Regulierung und elterlicher Erziehung

Neben gesetzlichen Vorgaben, die einen rechtlichen Rahmen schaffen, bleibt die elterliche Erziehung ein unverzichtbarer Faktor im Umgang von Kindern mit digitalen Medien. Gesetze können nicht die elterliche Aufgabe ersetzen, ihren Kindern Medienkompetenz zu vermitteln, die Nutzung zu überwachen und Regeln aufzustellen.

Während Gesetze einen allgemeinen Schutz bieten sollen, haben Eltern als Erziehungsberechtigte die Aufgabe, die spezifischen Bedürfnisse und Reifegrade ihrer Kinder einzuschätzen.

It’s a kid’s world: Soziale Netzwerke, Fernsehen, Zocken

Eine konkrete Leitlinie, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche vor Bildschirmen verbringen, hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) mit Beteiligung der Uni Witten/Herdecke veröffentlicht:

Als Suchtprophylaxe und zur Vorbeugung anderer Negativfolgen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Empathieverlust und schlechten Schulleistungen werden folgende Zeitspannen, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen, empfohlen:

-Unter 3 Jahren: Die Allerkleinsten sollten von jeglicher passiven und aktiven Nutzung von Bildschirmmedien ferngehalten werden.

-3 bis 6 Jahre: höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen zum Heranführen an Medien, wobei das Kind dabei nicht allein gelassen werden soll.
-6 bis 9 Jahre: höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen, außerhalb der Hausaufgaben am Bildschirm.
-9 bis 12 Jahre: höchstens 45 bis 60 Minuten in der Freizeit vor einem Bildschirm und nur beaufsichtigter Internetzugang.
-12 bis 16 Jahre: maximal ein bis zwei Stunden täglich in der Freizeit, spätestens bis 21:00 Uhr. Beschränkter Internetzugang wird empfohlen.
-16 bis 18 Jahre: Die Zeit durch Regeln festlegen. Als ein Orientierungswert werden zwei Stunden Nutzung in der Freizeit pro Tag angegeben.

Das entspricht auch in etwa dem, was die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für die tägliche Mediennutzung empfiehlt.

Dem entgegen steht, dass laut KIM-Studie (Kinder, Internet, Medien), die regelmäßig das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland untersucht, Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren aktuell im Durchschnitt 133 Minuten auf einen Bildschirm schauen.

Berücksichtigt sind hier Fernsehen, Internet, diverse Bildschirmspiele, Streamingangebote, YouTube-Kanäle und Mediatheken. 12 -bis 13-Jährige kommen sogar auf eine Bildschirmzeit von etwa 313 Minuten, also mehr als fünf Stunden und damit mehr als doppelt so viel wie empfohlen.

 



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