Le Pen holt auf – Wird der McKinsey-Skandal Macron die Wahl kosten?

Frexit oder nicht, das ist hier die Frage. Oder doch nicht? Le Pen mildert ihre früheren Aussagen ab und sucht die „Nähe“ zu den französischen Wählern. Macron hat derweil – neben seinen europäischen Aufgaben als Friedensstifter – andere Probleme: Während seiner Amtszeit wurden Firmen mit Milliardenbeträgen für die Beratung zu politischen Maßnahmen belohnt – doch zahlten sie keine Steuern dafür.
Titelbild
Marine Le Pen (rechts im Bild) und Emmanuel Macron (links).Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images
Von 8. April 2022


Marine Le Pen ist seit vielen Jahren an der Spitze der rechten Partei. Ihre EU-skeptische Haltung hat sie in den letzten Monaten in ihrem Wahlkampf sogar etwas abgemildert und scheint nun eine echte Chance zu haben, Amtsinhaber Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl in diesem Monat zu übertrumpfen.

Es wird zwar erwartet, dass Macron den größten Anteil der Wählerstimmen gewinnt – laut den jüngsten Umfragen sprechen sich 27 Prozent der Franzosen für eine zweite Amtszeit aus. Le Pen kommt ihm jedoch immer näher – sie liegt aktuell bei 23 Prozent.

Gibt es einen Frexit mit Le Pen?

Le Pen vertritt seit Langem euroskeptische Ansichten. So sagte sie 2016, dass Frankreich ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft nach dem Vorbild des Vereinigten Königreichs abhalten sollte.

Inzwischen hat sie ihre Haltung jedoch aufgeweicht und fordert nun, dass die EU eine weitaus lockerere Union wird – eine „Vereinigung freier Nationen“, wie sie in einem Interview sagte.

Die Europäische Union müsse reformiert werden, betonte sie gegenüber „Radio France“, um den einzelnen Mitgliedstaaten mehr Eigenständigkeit zu gewähren. Ansonsten würden nach dem Vereinigten Königreich „andere Länder austreten“.

Mit einer Reform könnte sich Großbritannien sogar der EU wieder anschließen, meint Le Pen, „wenn wir etwas aufgebaut haben, bei dem jede Nation ihre Freiheit bewahrt“. Für sie ist der Wirtschaftsblock ein „Gefängnis“, auch wenn die Mitgliedstaaten austreten könnten, wie das Vereinigte Königreich demonstriert habe.

Le Pen vermittelt „Nähe“ bei Wahlkampf

Da der Einmarsch Russlands in der Ukraine im Februar die öffentliche Debatte in Frankreich beherrschte, schien Macrons Rennen um die Wiederwahl unaufhaltsam zu sein, schreibt „Politico“. Der Präsident hob sich von seinen Konkurrenten als einziger Kandidat ab, der über außenpolitische Kompetenz und die Erfahrung verfügt, das Land durch die aktuelle Krise zu führen.

Doch während Macron mit den ernsten Belangen des Westens beschäftigt war, habe Le Pen „eine Kampagne der Nähe geführt und viele kleine Städte und Dörfer besucht“, sagt Mathieu Gallard vom Ipsos, einem Institut für Meinungsforschung. 

Über ihre Reisen wurde zwar in der nationalen Presse nicht viel berichtet, aber sie hatte ein großes Echo in den lokalen Medien. Dadurch hätte sie den Eindruck einer gewissen „Nähe“ vermittelt, meint Gallard. Und dies sei für die französischen Wähler sehr wichtig.

„Ich habe meinen Wahlkampf ernsthaft geführt“, sagte Le Pen am 5. April in einem Radio-Interview. In den sechs Monaten, wo sie unterwegs war, habe sie „alle Themen angesprochen, die das französische Volk beschäftigen“.

Dass andere keinen Wahlkampf machen, sei eine Entscheidung. Sie wirft Macron vor, sich nicht genug in den Wahlkampf eingebracht und seine Kandidatur erst Anfang März erklärt zu haben.

McKinsey-Skandal kommt Macron ungünstig

Macron hat zudem neben seinen Herausforderern bei der Wahl auch andere Probleme. Laut einem Bericht des französischen Senats vom März haben die Macron-Regierung und andere öffentliche Einrichtungen seit 2018 Verträge im Wert von mindestens 2,4 Milliarden Euro mit Beratungsfirmen abgeschlossen. Dabei soll es zu Steuerbetrug gekommen sein. Die Beraterfirmen hätten sich nach Angaben von „Politico“ mit Themen wie der Einführung des Coronavirus-Impfstoffs oder der digitalen Transformation befasst.

Die Abgeordneten hatten sich während einer viermonatigen parlamentarischen Untersuchung mit den lukrativen Verträgen mit Unternehmen wie McKinsey, Accenture und BCG befasst. Ihre Ergebnisse stellten sie Mitte März der obersten Kammer des französischen Senats vor.

Am Mittwoch (6. April) teilte die französische Finanzstaatsanwaltschaft nun mit, eine Voruntersuchung wegen des Verdachts auf Steuerbetrug eingeleitet zu haben. Das amerikanische Beratungsunternehmen McKinsey wird in der Mitteilung nicht namentlich erwähnt. Doch der Wortlaut lässt darauf schließen, dass die Untersuchung ihm gilt, schreibt die FAZ.

Die Beratungskosten der Ministerien haben sich seit Beginn von Macrons Amtszeit als französischer Präsident mehr als verdoppelt. Im Jahr 2021 waren das 45 Prozent mehr als im Vorjahr – Pandemie-bedingt, heißt es in dem Bericht der Senatoren.

McKinsey zahlte 10 Jahre lang keine Steuern

Zudem haben die Senatoren McKinsey vorgeworfen, bei parlamentarischen Anhörungen über die Steuersituation gelogen zu haben und erstatteten bei der Staatsanwaltschaft Anzeige. 

Obwohl McKinsey im Laufe der Jahre zahlreiche lukrative Verträge mit der französischen Regierung abgeschlossen hat, hat das Unternehmen „seit mindestens 10 Jahren keine Körperschaftssteuer in Frankreich gezahlt“, sagte Senatorin Éliane Assassi auf einer Pressekonferenz.

„Einer der Direktoren von McKinsey hat unter Eid ausgesagt, dass McKinsey in Frankreich Steuern gezahlt hat, also haben wir das überprüft, indem wir Daten vom Finanzministerium angefordert haben. Das Ergebnis ist eindeutig“, so die Senatorin.

Der französische Senat erkennt zwar an, dass Berater nützlich oder unentbehrlich sein können, wenn es in den öffentlichen Verwaltungen an Fähigkeiten oder Ressourcen mangelt. Sie können jedoch auch den Eindruck erwecken, dass der Beratungssektor die Regierung beeinflussen will. Dies werfe auch Fragen zu potenziellen Interessenkonflikten und zur einfachen Kosteneffizienz auf, schreibt „Politico“.

Könnte die Debatte um die gestiegenen Beraterhonorare Macron die Wahl kosten? Und könnte mit Le Pen Frankreich in der EU bleiben? Die erste Runde der Präsidentschaftswahl findet an diesem Sonntag statt.



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