Merkel und Johnson beschwören Neuanfang – Differenzen bleiben

Die Kanzlerin und der britische Premier finden in Chequers freundliche Worte. Warm werden sie aber nicht miteinander. Merkel warnt vor vollen EM-Stadien – Johnson sieht das anders.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, trafen sich in Chequers, dem Landhaus des Premierministers.Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa/dpa
Epoch Times2. Juli 2021

Freundliche Worte ja, Herzlichkeit weniger: Bei einem Treffen auf dem Landsitz der britischen Regierung Chequers haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Premierminister Boris Johnson einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen ihren Ländern vereinbart.

Dazu sollen ein Kooperationsvertrag und regelmäßige Regierungskonsultationen beitragen, wie Merkel und Johnson heute bei einer Pressekonferenz mitteilten. Nach dem Brexit sollten „ganz praktische Formate“ für enge Kontakte gefunden werden, so hätten sich beide Seiten auf regelmäßige Regierungskonsultationen geeinigt, sagte Merkel am Freitag nach ihrem Gespräch mit Johnson in Chequers nordwestlich von London. Sie fügte auch hinzu: „Wir sind sehr gerne bereit, von deutscher Seite aus, an einem Freundschaftsvertrag oder Kooperationsvertrag gemeinsam zu arbeiten“.

Das Bundeskabinett soll künftig einmal im Jahr mit dem britischen Kabinett eine gemeinsame Sitzung abhalten. Merkel nahm bereits am Freitag an einer Videokonferenz des britischen Kabinetts teil und sprach zu den Ministerinnen und Ministern. Nach dem Brexit sei es „eine gute Gelegenheit, in den deutsch-britischen Beziehungen ein neues Kapitel zu öffnen“, betonte die Kanzlerin. Sie wünsche sich besonders eine Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Kultur.

Bei weiteren Themen war die Einigkeit zwischen den beiden Regierungschefs hingegen weniger ausgeprägt. Merkel reiste im Anschluss an das Treffen zu einer Audienz bei Queen Elizabeth II. nach Windsor weiter.

Die Kanzlerin sagte dem britischen Premier zu, die strikten Einreisebeschränkungen für Großbritannien wegen der Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus bald zu lockern. Sie gehe davon aus, dass das Land „in wirklich absehbarer Zeit“ vom Virusvariantengebiet zum Hochinzidenzgebiet heruntergestuft werde, so Merkel.

Merkel stellte geimpften Briten Erleichterungen bei der Einreise nach Deutschland in Aussicht. „Ich gehe davon aus, dass in wirklich absehbarer Zeit die doppelt Geimpften“ wieder reisen können, „ohne in Quarantäne zu gehen“, sagte Merkel. „Wir wollen ja die Menschen ermuntern, sich impfen zu lassen“, fügte sie hinzu.

Merkel besorgt über hohe Zuschauerzahl in London

Besorgt zeigte sie sich allerdings über die geplante Austragung der Halbfinalspiele und des Finales der Fußball-Europameisterschaft im Londoner Wembley-Stadion vor bis zu 60.000 Zuschauern. Sie verwies darauf, dass bei den Spielen in München deutlich weniger Zuschauer zugelassen worden seien. „Die britische Regierung wird ihre Entscheidungen treffen. Aber ich bin sorgenvoll und skeptisch, ob das gut ist und nicht ein bisschen viel.“

Johnson wies hingegen auf die weit fortgeschrittene Corona-Impfkampagne in Großbritannien hin. „Der entscheidende Punkt ist, dass wir hier im Vereinigten Königreich eine beträchtliche Mauer aufgebaut haben durch das Impfprogramm“, sagte er.

Großbritannien verzeichnet derzeit die höchste Zahl an positiven Testergebnissen in Europa und ist von Deutschland als einziges europäisches Land neben Portugal als Virusvariantengebiet eingestuft. Das bedeutet, dass von dort keine britischen Staatsbürger ohne Wohnsitz in Deutschland von Fluggesellschaften, Bahn- oder Busunternehmen nach Deutschland befördert werden dürfen.

Diejenigen, die einreisen dürfen, müssen für 14 Tage in Quarantäne – auch wenn sie vollständig geimpft oder genesen sind. Bei einer Herabstufung zum Hochinzidenzgebiet können sich die Reisenden durch einen Impf- oder Genesenen-Nachweis von der Quarantäne befreien oder sich nach fünf Tagen von der Quarantäne freitesten lassen.

Brexit-Streit: Merkel mahnt zu Geduld

Zu dem anhaltenden Streit über die Umsetzung des sogenannten Nordirland-Protokolls im Brexit-Abkommen betonte Merkel, es müsse eine Lösung gefunden werden, die für alle Seiten akzeptabel sei. Im Hinblick auf das angespannte Verhältnis zwischen London und Brüssel mahnte sie Geduld an. Es brauche Zeit, bis sich die Beziehungen normalisierten. „Mit gutem Willen und Geduld können wir das klären“, sagte auch Johnson über die Konflikte mit der EU.

Die EU hat gegen über London erst vor wenigen Tagen in einem Streit um die Einfuhr von gekühlten Fleischprodukten nach Nordirland eingelenkt und hatte eine Übergangsfrist verlängert. Wegen abweichender Hygieneregeln hätten solche Produkte eigentlich von Juli an nicht mehr von England, Schottland und Wales nach Nordirland eingeführt werden dürfen. Nun gab es drei Monate Aufschub. „Stellen Sie sich vor, Bratwurst könnte nicht von Dortmund nach Düsseldorf gebracht werden. Das müssen wir wirklich klären“, betonte Johnson. Für Merkel, die nach 16 Jahren ihr Amt nach der Bundestagswahl im September abgibt, ist es voraussichtlich der letzte Besuch als Bundeskanzlerin in Großbritannien. (afp/dpa)



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